Ludwigshafen Drei Jahrzehnte Jugendarbeit in der Bliesstraße

Das Team vom Jugendclub freute sich über die Aufmerksamkeit, die Familienministerin Binz (vierte von links) auf ihre Arbeit lenk
Das Team vom Jugendclub freute sich über die Aufmerksamkeit, die Familienministerin Binz (vierte von links) auf ihre Arbeit lenkte.

Ein Modellprojekt im Stadtteil West will jungen Frauen aus sozialen Brennpunkten neue Perspektiven aufzeigen. In den vergangenen 30 Jahren haben über 800 Mädchen aus der Bayreuther- und der Bliesstraße von dem Angebot profitiert.

Wie kann man das Selbstbewusstsein junger Frauen stärken? Was kann man dagegen tun, dass sie ohne Gewalt aufwachsen und im Erwachsenenalter gegen potentielle Gewalt widerstandsfähig werden? Die rheinland-pfälzische Familienministerin Katharina Binz (Grüne) hat am Mittwoch den Fokus der Öffentlichkeit bei ihrer Sommerreise auf das sensible Thema Gewaltprävention gelenkt. Sie besuchte den Jugendclub Bliesstraße der Ökumenischen Fördergemeinschaft Ludwigshafen (ÖFG), um sich vor Ort ein Bild von der Jugendarbeit in Notwohngebieten zu machen.

Seit 1996 am Start

Seit Oktober 1996 läuft im Mädchentreff das Projekt „Mädchen und junge Frauen im Obdach“, das sich an Kinder und Jugendliche aus der Blies- und angrenzenden Bayreuther Straße richtet. Es soll junge Frauen bei der Wahrnehmung eigener Bedürfnisse stärken, ihnen unterschiedliche Lebensmodelle präsentieren und somit Alternativen zur sozialen Isolation aufzeigen. Trotz der Armut hätten sie Freiheit, ihr Leben nach eigenen Maßstäben zu gestalten. „Die äußeren Umstände unseres Lebens können wir uns nicht immer aussuchen. Aber wie wir leben wollen, welche Ziele wir uns selber setzen und welche Richtung wir einschlagen – das liegt in unserer Hand“, zitiert Jenny Schmidt, Leiterin des Mädchentreffs, den Benediktinerpater Anselm Grün.

„Eine gute Jugendarbeit setzt viel Arbeit und vertrauensvolle Beziehungen voraus“, erklärt Stefan Gabriel von der ÖFG. Seit vielen Jahren plant die Stadt gemeinsam mit der ÖFG Projekte für die offene Kinder- und Jugendarbeit. Sabine Heiligenthal, Leiterin des Bereichs Jugendförderung und Erziehungsberatung, lobt das Engagement des Arbeitskreises Mädchenarbeit, der hinter dem Projekt steht. Die Jugendlichen werden im Jugendclub von hauptberuflichen Fachkräften betreut. Eine Vollzeitstelle sei aber seit Jahresbeginn zu besetzen, sagt Gabriel.

„Deutsch ist Club-Sprache“

In den vergangenen 30 Jahren gab es über 819 Mädchen und junge Frauen, die von den Angeboten des Jugendclubs profitieren konnten. Neben der Lernhilfe und vielfältigen Gruppenangeboten vor Ort sind es vor allem die Ausflüge, die Kindern und Jugendlichen in Erinnerung bleiben. Jenny Schmidt zeigt ein Video, das Mädchen aus dem Jugendclub spontan drehen durften. Ein neunjähriges Mädchen stellt sich der Kamera lächelnd vor und zählt stolz ihre Hobbys auf: „Ich tanze gerne, ich singe und male und mache Ausflüge mit dem Jugendclub.“ In einer liebevoll gestalteten Bildmontage bekommen die Gäste der Einrichtung außerdem lebendige Eindrücke von lachenden Gruppen, die im Grünen spielen, Tiere beobachten, Schlittschuh fahren oder Plätzchen backen. Eineinhalb Jahre lang haben die Kinder an einem Webteppich gearbeitet, der im Mädchenhaus aushängt.

Dass der Anteil der Bewohner der Quartiere in der Blies- und Bayreuther Straße mit Migrationshintergrund wächst, führt zu einer höheren Sprachbarriere unter den Kindern. Aus diesem Grund hat Jenny Schmidt bestimmte Regeln etabliert. „Deutsch ist die Club-Sprache“, sagt sie und fügt hinzu: „Wer nicht in der Schule war, darf auch nicht den Club besuchen.“ Kinder, die von zu Hause ein kulturell-traditionell anderes Rollenverständnis erfahren, müssen außerdem den Spagat zwischen den Werten ihres Elternhauses und denen des Jugendclubs schaffen. Kein leichtes Unterfangen, gesteht Schmidt: „Die Hemmschwelle an Angeboten im Sozialraum Bliesstraße teilzunehmen, ist immer noch groß.“ Was bisher allerdings geleistet wurde, begeistert Ministerin Binz. Sie lobt die Jugendarbeit. Das Land bezuschusst die Einrichtung jährlich mit 22.500 Euro.

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