Ludwigshafen Botschaften verbreiten

„Danke für den schönen Abend“. Und abschicken. Bin gespannt auf die Antwort. Ah, schon da: „Bin ich enttäuscht, dass Du Schluss machst ...“ Was soll das denn? Uff, die Kurznachrichten-App hat aus „Abend“ „Abschied“ gemacht. Sowas passiert ja. Das „Auto-Ergänzen“ kreiert selbst Worte, man merkt es nicht beim Senden, oft (innerhalb von Millisekunden) mit üblen Folgen. Und einmal in der Welt, sind solche Fehler in Mails, Chats oder Blogs kaum mehr rückgängig zu machen. Das Netz vergisst nicht - was allerdings auch positive Seiten hat: So steigt das Bewusstsein für Notsituationen selbst in entlegenen Ecken der Welt, können Unterdrückte erstmals von ihrem Leid berichten und bekommen auch eine nachhaltige Stimme, die bisher nicht zu hören war. Heute vor 498 Jahren erhob sich eine Stimme, die ohne moderne Medien ebenfalls schnell wieder mundtot gewesen wäre. Martin Luther hat am Vorabend des Festes Allerheiligen 95 Sätze zur Reformation der Kirche veröffentlicht. Historisch ist nicht ganz gesichert, dass er sie als Plakat an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen hat. Und kaum zu erklären wäre damit ihre Wirkung. Erst ein modernes Kommunikationsmedium sorgte dafür, dass Luthers Botschaft schnell in ganz Europa Verbreitung fand. Es war der wenige Jahre zuvor erfundene Buchdruck mit beweglichen Lettern. Bücher wurden zu Massenprodukten und sorgten dafür, dass das, was einmal gedruckt, kaum noch aus der Welt zu schaffen war. Ob Luther das ahnte, als er den „Senden-Knopf“ gedrückt hat? Die Anzahl der gedruckten Exemplare der 95 Thesen überstieg rasch die Zahl derer, die wieder hätten vernichtet werden können. Beinahe so, wie heute eine Botschaft im Internet. Damit musste sich Martin Luther dann auseinandersetzen – und die Welt ebenfalls. (Archivfoto: Kunz) Der Autor Götz Geburek (50) ist Pfarrer in Maudach.

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