Ludwigshafen „Bei Politikern ohne Marotten ist es schwierig“

Mit dem Nachmachen der Lehrer auf dem Schulhof fing es an: Heute parodiert Reiner Kröhnert auch die Kanzlerin .
Mit dem Nachmachen der Lehrer auf dem Schulhof fing es an: Heute parodiert Reiner Kröhnert auch die Kanzlerin .

Eigentlich ist nur Reiner Kröhnert auf der Bühne, aber in ihm stecken mehr als ein Dutzend Persönlichkeiten, von Angela Merkel bis Daniela Katzenberger. Die bringt der Kabarettist und Parodist alle mit, wenn er heute Abend in der Kleinen Komödie in Limburgerhof auftritt.

Herr Kröhnert, wie haben Sie Ihr Talent für Parodien entdeckt?

In der Schule war ich manchmal von den Inhalten, die Lehrer vortrugen genervt. Dann habe ich auf andere Dinge geachtet, wie zum Beispiel Gestik, Mimik und Sprachmelodie. In der Pause habe ich dann Lehrer nachgemacht. Das kam gut an – auch bei den Mädchen! Sind Sie damit auch schon auf eine Bühne gegangen? Beim Schulfest habe ich zum ersten Mal vor vielen Leuten gespielt. Toll war dabei, dass wir vorher die von mir parodierten Lehrer auf die Bühne bitten konnten. Außerdem waren ja Eltern und Schüler im Publikum, die die Lehrer kannten. Das ist ja Voraussetzung, um Parodien zu verstehen. Und dann haben Sie nach der Schule mit dem Parodieren weiter gemacht? In den 1970er-Jahren waren wir alle politisiert. Und die Politiker haben mich manchmal auch genervt, und ich habe wieder beobachtet, habe mir Bundestagsdebatten angeschaut, die im Fernsehen übertragen wurden. Wann haben Sie sich entschlossen, das Parodieren professionell zu machen? Das habe ich nicht gleich mit Parodien gemacht. Ich bin zuerst auf die Schauspielschule nach Stuttgart, denn ich hatte schon gemerkt, dass ich darstellerisches Talent habe. Ich habe damals meine Zukunft beim politisch engagierten Theater gesehen. 1977 wurde ich angenommen. Damals hatte ich parallel dazu angefangen, Kabarett und Kleinkunst zu machen. Aber das haben die Schauspiel-Lehrer strikt abgelehnt. „Das Kabarett verdirbt Schauspieler“, haben die behauptet. Und dann haben die mich rausgeschmissen. Von da bin ich direkt nach Mannheim zum Kabarett Dusche in die Klapsmühl’. Die fingen gerade an, sich zu professionalisieren. Ich war damals 21 Jahre alt und habe das dann auch gemacht. Später bin ich nach Berlin zu den Wühlmäusen, und das war dann der endgültige Durchbruch zur Professionalität. Dann bin ich nach Stuttgart ans Renitenztheater. Seit 1987 bin ich solo unterwegs. Wie haben Sie sich damals auf ihre Figuren vorbereitet? Damals habe ich noch Videokassetten aufgenommen, heute brauch ich das nicht mehr, da gibt es Youtube. Arbeiten Sie gerade an der Parodie einer neuen Figur? Ich arbeite an Gesundheitsminister Jens Spahn. Ich sehe mir Reden und Auftritte an, politische Angriffsfläche bietet er ja zum Glück. Aber ich muss sehr genau hinsehen, denn er hat keine besonderen Ecken und Kanten oder Marotten. Das ist schwierig zu karikieren, da muss man eher imitierend und filigran rangehen. Nun sind Politiker heute professionell im Auftreten. Sie werden beraten und arbeiten bewusst an ihrem Image. Polternde Charakterköpfe sind selten geworden. Macht das Ihr Geschäft als Parodist schwieriger? Das stimmt, man muss heute viel genauer hinsehen und genauer arbeiten. Die Art eines Herbert Wehner oder Franz Josef Strauß konnte man mit einem Blick erkennen. Heute muss man zwei-, dreimal hinsehen, um so geschmeidig-smarte Typen wie Friedrich Merz und Volker Rühe einzufangen. Dann gibt es auch Grenzfälle, da kommt für einen Parodisten einfach nichts raus. Wer wäre das zum Beispiel? Naja, Bundespräsident Steinmeier. Selbst wenn man seine Art perfekt abbilden kann, ist er einfach uninteressant. Wenn Figuren, die so auf „normal“ geschliffen sind, auch inhaltlich zurückhaltend sind, dann können sie nichts auf die Bühne bringen. Haben Sie deshalb Figuren im Programm, die schon lange nicht mehr unter den Lebenden weilen? Ich mache keine Figuren um ihrer selbst willen. Es muss zur erzählten Geschichte passen und ist mit bestimmten Aussagen verbunden. Es hat einen Grund, wenn ich Hitler und Honecker aufeinandertreffen lasse. Das geschieht vor dem Hintergrund, dass heute unsere Gesellschaft nach rechts und links auseinander driftet. Die beiden haben sich bei mir ihre aktuellen Hoffnungsträger aus der Weltpolitik gesucht. Besteht nicht die Gefahr, dass Leute bei Parodien über Gestik, Mimik und Marotten lachen, aber dann nicht mehr Inhalte und politische Brisanz wahrnehmen? Das ist in der Tat ein Problem. Dieter Hildebrandt, bei dessen „Scheibenwischer“ ich mehrmals mitgemacht habe, sah das auch kritisch. Womöglich gibt es Leute, die nur oberflächlich Komisches sehen und das Dahinterliegende nicht wahrnehmen. Aber dafür kann ich als Parodist nichts und muss damit leben. Anderen Kabarettisten geht es ähnlich, wenn Zuschauer Hintergründe nicht kennen und Anspielungen nicht verstehen. Ist es schwierig, aktuell zu bleiben in einer Zeit mit extrem hoher Nachrichtenfrequenz und mit grotesken Figuren in der Politik? Auf jeden Fall ist es viel Arbeit. Kürzlich hatte ich einen Auftritt mit neuem Programm, bei dem ich noch ganz auf Jamaika-Koalition gepolt war. Und am selben Tag sind die Verhandlungen gescheitert und es ging wieder Richtung GroKo. Aber „meine“ Kanzlerin hat das alles geschafft (lacht). Zum Glück habe ich da eine Hauptfigur, an die ich mich immer halten kann. Kennen Sie Angela Merkel persönlich? Nein, aber ich kenne einige Leute aus ihrem Umfeld. Demnach muss sie einen ziemlich trockenen Humor haben und kann damit kräftig austeilen. In früheren Programmen war das Finale eine große Talkshow, bei der sie Gastgeber und Gäste spielen. Ja, das gibt es wieder. Michel Friedmann ist der Gastgeber, und ich lasse neue Gäste auftreten, vom Philosophen bis zum B-Promi. Termin Reiner Kröhnert gastiert mit seinem Programm „XXL – Großes Parodistenkino“ heute um 20 Uhr in der Kleinen Komödie in Limburgerhof.

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