Landau Landau: Kurioser Streit um Babynamen

In Kamerun können die Eltern eines Kindes sowohl Vor- als auch Zunamen selbst bestimmen.
In Kamerun können die Eltern eines Kindes sowohl Vor- als auch Zunamen selbst bestimmen.

Lea-Joyce war eineinhalb Jahre alt, als sie zum ersten Mal im Geburtenregister der Stadt Landau auftauchte. Und das, obwohl die Tochter zweier Kameruner hier geboren wurde. Das Standesamt hatte seine Gründe. Die hängen mit dem Namen der Kleinen zusammen. Aber auch mit der Identität der Mutter.

Drei Wochen vor der Geburt der kleinen Lea-Joyce im März 2016 bekommt ihr Vater Williams Ngnintedem die deutsche Staatsbürgerschaft. Für ihn ein ganz logischer Schritt, denn er lebt seit mittlerweile zwölf Jahren mit seiner Freundin Jeanne Gaelle Mafokenkem Tefo in Deutschland. Die Kameruner kamen, um in Berlin zu studieren – er Medizin und sie Wirtschaftsinformatik. Seit zweieinhalb Jahren sind sie in Landau, der Urologe arbeitet am Vinzentius-Krankenhaus. Probleme mit deutschen Behörden kennen die beiden nicht. Bis ihre gemeinsame Tochter zur Welt kommt. Die Freude über den Zuwachs ist schnell getrübt. Denn das Standesamt Landau stellt den Eltern keine Geburtsurkunde aus. Auf dem Amt wird dem Paar erklärt, dass dies auch an der kamerunischen Staatsbürgerschaft von Mafokenkem Tefo liegt. Obwohl sie ihre Geburtsurkunde im Original vorlegt, bestehen Zweifel an deren Echtheit. Die Stadt erklärt auf Anfrage: „Kamerun gehört zu den Ländern, in denen die deutsche Botschaft vor Ort keine Legalisation öffentlicher Urkunden leisten kann.“ Übersetzt: Die Botschaft kann die Echtheit der Dokumente nicht bestätigen. Aber nur, wenn ein ausländisches Dokument legalisiert ist, ist es einem deutschen gleichgestellt. „Für uns ist eine Welt zusammengebrochen“, sagt Ngnintedem. Da liegt das Baby in seinem Arm und doch ist es – zumindest auf dem Papier – nicht existent. An Kinder- oder Elterngeld ist nicht zu denken. „Wir sind in der guten Situation, beide gut zu verdienen. Aber was ist mit den Familien, die auf Kindergeld angewiesen sind?“, fragt Ngnintedem. Solche Fälle kenne er zur Genüge.

Ein Spießrutenlauf

Was folgt, ist ein Spießrutenlauf. Gespräche mit Sachbearbeitern und Amtsleiter Leander Völlinger ergeben, dass das Paar die Identität der Mutter prüfen lassen muss, um die Tochter ins Geburtenregister aufzunehmen. Kosten: 400 Euro. „Das Standesamt hat hier keinen Ermessensspielraum“, teilt die Stadt auf Anfrage mit. Die Kosten seien je nach Land unterschiedlich; für Kamerun betragen sie 400 Euro. Die deutsche Botschaft schickt in solchen Fällen – und laut Stadtverwaltung wird das immer so gehandhabt – einen Vertrauensanwalt los, um der Person auf die Spur zu gehen. Weil der Anwalt in Kamerun auf „große Lücken“ im Lebenslauf der Mutter stößt, fordert er vom Standesamt Landau zusätzliche Dokumente wie Schulzeugnisse. Da platzt Ngnintedem der Kragen. „So etwas kann doch kein Mensch aufbringen. Erst recht nicht nach so vielen Jahren, die wir nun schon in Deutschland leben.“ Sie brechen die Überprüfung ab, bekommen die 400 Euro zurück. Ein vertrauter Anwalt rät dem Arzt, vors Amtsgericht zu ziehen. Wogegen sich die Familie lange gesträubt hat, scheint nun der einzige Weg, der Tochter offiziell einen Namen zu geben.

Streitfrage Nachname

Ihr Name ist übrigens der zweite Grund, weshalb Lea-Joyce nicht gemeldet wird. Nach kamerunischem Recht können Eltern nicht nur Vor-, sondern auch Zuname des Kindes frei wählen. Lea-Joyce soll den Nachnamen Keumejio bekommen, nach dem toten Onkel ihrer Mutter. Doch dagegen sträubt sich das Standesamt, schließlich heißen Babys in Deutschland wie die Eltern beziehungsweise ein Elternteil. Amtsrichter Clemens Glaser beruft sich in seinem Beschluss auf Artikel 10 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichengesetzbuch (EGBGB), das internationales Privatrecht regelt. Zwar hat ein Kind, das in Deutschland geboren wird, automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft. Der Artikel 10 aber „soll es dem Sorgeberechtigten ermöglichen, die Namensführung des Kindes der konkreten Familiensituation (...) anzupassen“. Das Amtsgericht gibt der Familie deshalb recht: Die Tochter soll ins Geburtenbuch der Stadt Landau eingetragen werden – mit dem Namen Lea-Joyce Ngnintedem Keumejio. Zudem entscheidet das Gericht, dass im Geburtenbuch kein Vermerk stehen soll, wonach die Identität der Mutter ungeklärt sei. Das Standesamt legt Beschwerde ein. Ngnintedem vermutet, dass der ganze Vorgang mit seiner Hautfarbe zu tun hat. Dagegen wehren sich Stadtchef Thomas Hirsch und der für das Standesamt zuständige Dezernent und Bürgermeister Maximilian Ingenthron: „Diskriminierende oder rassistische Äußerungen sind dem Personal des Standesamtes fremd.“ Stadt-Pressesprecherin Sandra Diehl erklärt die Beschwerde so, dass die Stadt vom Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken eine grundsätzliche Entscheidung in Sachen Echtheitsnachweis kamerunischer Dokumente gewollt habe.

OLG bestätigt Beschluss

Das OLG bestätigt den Amtsgericht-Beschluss im August bezüglich des Namens. Im Alter von 17 Monaten wird das Mädchen ins Geburtenregister aufgenommen. Aber: Hinter ihren Namen soll der Vermerk, dass die Identität der Mutter urkundlich nicht geklärt ist. Das Paar weigert sich deshalb, den Auszug beim Amt abzuholen. Es erwägt, noch einmal zu klagen. Denn heiraten und die deutsche Staatsbürgerschaft für Mafokenkem Tefo kommen so nicht infrage. Die Frau liegt mittlerweile im Krankenhaus: Dieser Tage soll das zweite Kind kommen. „Aber definitiv nicht in Landau“, sagt Ngnintedem. Mit der Stadt hat die Familie – mal abgesehen von der Arbeit – abgeschlossen. Ab Januar wohnt sie in Wörth.

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