Landau Bluna bei der letzten Wirtin getrunken

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Über 200 Jahre lang gab es in Hördt die Wirtschaft „Zum Löwen“. Das Baujahr des Fachwerkhauses in der Kirchstraße ist allerdings nicht gesichert. Jetzt wurde bei der Renovierung eine Inschrift mit der Jahreszahl 1777 auf einem Balken entdeckt.

Es war Ralf Gundermann, ein an der Lokalhistorie interessierter Hördter, der das Gebäude vor einiger Zeit unter die Lupe nahm. Mit Fernrohr und Fotoapparat hatte er jeden Quadratmeter der Fassade von unten inspiziert, bevor er die neuen Besitzer fragte, ob er auf das Gerüst hinauf steigen dürfe. „Wegen der Renovierung war das eine gute Gelegenheit“, erzählt der 50-Jährige. David Todd, ein gebürtiger Schotte, und seine Frau Penelope waren aufgeschlossen für seine Recherchen, denn auch sie wollen so viel wie möglich über das „Löwenhaus“ erfahren. Was Gundermann schon lange vermutet hatte, entdeckte er schließlich an einem Eckbalken des Hauses: Die Inschrift in Großbuchstaben „Georg Fischer Wirt, A Catarina, Fischrin, anno 1777“ verweist auf die damaligen Besitzer Georg Fischer und seine Frau Katharina und die Geschichte des Hauses. „Fischrin ist wohl die verfraulichte Form des Nachnamens“, meint Gundermann. Der verstorbene Ahnenforscher Erwin Hinkelbein, der 2001 ein Buch über frühere Hördter Gaststätten herausgegeben hat, vermutete, dass die Wirtschaft 1777 umgebaut wurde. Denn eine Wirtschaft „Zum Löwen“ im Besitz der Familie Fischer kann seit 1746 im Unterdorf nachgewiesen werden. Diese müsste aber nicht zwangsläufig am heutigen Standort gewesen sein. Die Wirtschaft könnte zunächst auch „auf einem der Nachbargrundstücke gestanden haben“, meint Gundermann. Vielleicht habe sich irgendwann „durch Erbteilung da einiges verändert“. Letztlich bleibe eine Aussage über das Baujahr im „Reich der Spekulationen“. An einem Torbogen zum Hof ist die Jahreszahl 1777 wiederholt, am Kellereingang ist 1773 vermerkt. „Das Haus steckt voller Überraschungen“, sagt Penelope Todd-Thorn. „Das ist, was ich daran so liebe.“ Im ehemaligen Wirtschaftsraum hat das Paar bei der Renovierung alte Schablonenmalereien unter dem Putz entdeckt. Ausschnitte des floralen gelb-grünen Musters sollen erhalten bleiben. Auch das Fachwerk bleibt teilweise nach dem Umbau sichtbar. Eine Wendeltreppe führte vom ehemaligen Gastraum zu einem Gang, der nicht mehr begehbar war, berichtet David Todd. „Wir konnten nicht rein, das war zu kompliziert und zu gefährlich – vielleicht wären wir ja auf einen Tresor gestoßen oder hätten eine 250 Jahre alte Mördergeschichte aufgedeckt“, scherzt der Eigentümer. Die Gastwirtschaft „Zum Löwen“ wurde 1970 geschlossen, danach wurde daraus ein Wohnhaus. „Bei der letzten Wirtin Rosa Ficks haben wir als Kinder Bluna und Saltsticks gekriegt“, erinnert sich Gundermann. Er kann den Besitzern des „Löwenhauses“ beim Rundgang durch die Zimmer noch mehr erzählen: „Bei der Fronleichnamsprozession stand früher hier am Hoftor der erste Altar.“ Zusammen mit Gerhard Welauer aus Germersheim und Peter Doll aus Hördt will Ralf Gundermann die im Balken eingeritzten Kerben vertiefen und mit Farbe markieren. „Malen ist mein Hobby“, sagt Welauer, der schon die Kulisse für das Festspiel zur 1225-Jahr-Feier in Hördt mitgestaltet hatte. Die Besitzer finden es toll, nur die Wahl der Farbe – Weiß oder Gold – steht noch aus.

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