Landau Beauftragte Julier: Für Gleichstellung braucht es langen Atem

Evi Julier ist als Gleichstellungsbeauftragte eine gnadenlose Optimistin. So habe es der ehemalige Oberbürgermeister Hans-Dieter
Evi Julier ist als Gleichstellungsbeauftragte eine gnadenlose Optimistin. So habe es der ehemalige Oberbürgermeister Hans-Dieter Schlimmer einmal formuliert.

Gleichstellung ist eine Querschnittsaufgabe. Das sagt Evi Julier, die sich in Landau damit über viele Jahre befasst hat. Was Gleichstellung mit Stricken zu tun hat.

Die Gleichstellungsstelle der Stadt Landau ist schwer zu finden. Im Rathaus ist kein Schild zum Büro der Beauftragten und ihrer Mitarbeiterinnen zu sehen. Besucherinnen müssen in den dritten Stock, Zimmer 319. Evi Julier, seit über zehn Jahren mit dieser Aufgabe betraut, hat ihre Sachen gepackt. Mitte April, wenige Tage nach dem 64. Geburtstag, beginnt für sie die Passivphase ihrer Altersteilzeit.

Julier hat mit verschiedenen öffentlichkeitswirksamen Aktionen auf Frauenrechte aufmerksam gemacht. Ob Tanzflashmobs unter dem Motto „One Billion Rising“, orangefarbene Leuchtfeuer zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, Veranstaltungsreihen oder Aktionen am Equal Pay Day zur Verdienstsituation und mehr, immer geht es um Aufmerksamkeit. „Ich habe mir damals vorgenommen, Gesicht zu zeigen. Und ich wollte das Thema positiv besetzen, was können wir im Kleinen verändern, wo können wir Bewusstsein schaffen“, erzählt Julier. Es gehe auch ums Einmischen, Mitmischen, Dranbleiben. Die Zusammenarbeit mit den Beauftragten in den Kreisen SÜW und Germersheim wurde verstärkt.

Von Stereotypen geprägt

Etwas zu verändern, brauche einen langen Atem. Da seien auch Frauen gefordert. Ihnen schreibt Julier ins Stammbuch, keine klischeehaften Frauenbilder zu befeuern und keine Angst vor Hierarchien zu haben. Denn noch immer sei die Gesellschaft geprägt von Stereotypen. Rosa und blau. „Dem kann man sich nicht entziehen.“ Doch Frauen müssten die Möglichkeiten auch nutzen.

Auch wenn die 63-Jährige Geschlechtergleichstellung für eine Utopie hält, so „wollen wir doch das in uns verankerte System durchtrennen“. Als Beispiel nennt sie, dass Frauen heute arbeiten gehen dürfen, ja sollen, aber in der Regel seien es Zuverdienerjobs. Die Ehe sei nicht mehr das Vorzeigemodell. Dennoch halte man an diesem Auslaufmodell fest, das Frauen in einer bestimmten Rolle sehe.

Nur Gretchenfragen

„Es geht bei uns nur um Gretchenfragen“, umschreibt Evi Julier ihr Geschäft. Arbeit und Existenzsicherung für Frauen, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, wirtschaftliche Partizipation, politische Teilhabe, Gewaltschutz, Migration und Integration – die „Ewigkeitsthemen“. Seit etwa 200 Jahren erst werde infrage gestellt, was Männer und Frauen nach der Jahrtausende währenden Gesellschaftsform zu tun hätten. Macht- und Gewaltstrukturen seien männlich und basierten auf einer patriarchalischen Grundstruktur. „200 Jahre sind ein Klacks.“

Natürlich dürfe man anerkennen, dass es Frauen in Deutschland nie so gut ging wie heute. Aber von Gleichstellung seien wir meilenweit entfernt. Julier beobachtet sogar Rückschritte und Ermüdungstendenzen. Zum Teil hat es mit dem Bruch vieler eingeführter Kommunikationswege durch die Corona-Pandemie zu tun. Zum Teil sei aber auch zu sehen, dass Politik nicht umsetze, was Kämpferinnen für Gleichstellung forderten.

Brutalität nimmt zu

Männer, die Vaterzeit in Anspruch nähmen, würden zwar mehr, seien aber immer noch Ausnahmen. „Zwischen 30 und 40 Jahren entscheiden sich Karrierewege. Das entspricht genau der Zeit der Care-Arbeit von Frauen in Familien.“

Häusliche Gewalt nehme eher zu. Auch eine Entwicklung, die während der Pandemie große Sorgen bereitete. In der Südpfalz gebe es glücklicherweise mit „STOPP“ ein gutes Netzwerk. Die Kollegen dort beklagen laut Julier, dass die Brutalität der Auseinandersetzungen leicht zunimmt.

Netzwerkarbeit ist das Herzstück einer Gleichstellungsbeauftragten. Julier hat auch über den Tellerrand geblickt und sich in der Arbeitsgemeinschaft kommunaler Gleichstellungsbeauftragter auf Landesebene eingebracht. „Nur Austausch und Reibung bringen mich weiter“, sagt sie.

Parallele zum Stricken

Die Landauerin strickt gerne. Sie sieht eine Verbindung zu ihrem Job. „Stricken ist Netzwerken, ist Kommunikation, ist Projektarbeit, ist Hirnarbeit.“ Und es sei keine Frauendomäne mehr. Sie hätte gerne noch mehr Zeit gehabt, sich den Wünschen beeinträchtigter Frauen und auch Alleinerziehender anzunehmen. Erste Kontakte habe es zu den Gleichstellungsbeauftragten der Lebenshilfe gegeben.

Das hätte Julier gerne verstärkt. Als neutrale Beratungsinstanz zählt die Gleichstellungsstelle im Landauer Rathaus im Schnitt 80 Anfragen sowie 60 bis 70 Projekte und Veranstaltungen. „Eine Stadtgesellschaft verändert sich nicht von allein“, betont Evi Julier. Die Arbeit werde nicht weniger.

Info

Laura Hess ist die neue Gleichstellungsbeauftragte der Stadt. Sie ist per Telefon unter 06341 131080 zu erreichen oder über E-Mail an gleichstellungsstelle@landau.de.

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