Landau Antisemitismus-Beauftragter: Kandidat zieht zurück

Ein Mann trägt in einer Synagoge eine Kippa mit Davidstern.
Ein Mann trägt in einer Synagoge eine Kippa mit Davidstern.

Der designierte Antisemitismus-Beauftragte Andreas Boltz ist von allen Ehrenämtern in Landau zurückgetreten. Oberbürgermeister Dominik Geißler geht wieder auf die Suche.

Dominik Geißler hält an der ehrenamtlichen Stelle eines Antisemitismus-Beauftragten fest. Der Landauer Oberbürgermeister zeigte sich im Gespräch mit der RHEINPFALZ verärgert über das Verhalten des 57-Jährigen einstigen Kandidaten: „Ich habe ehrlich gesagt einen dicken Hals.“ Der Oberbürgermeister muss wieder auf Personalsuche gehen, weil Andreas Boltz laut Geißler von seinen ehrenamtlichen Ämtern zurückgetreten ist.

Geißler hatte der Öffentlichkeit Boltz als seinen Kandidaten präsentiert. Er hatte sich bei einem Pressegespräch im Januar sehr erfreut geäußert, weil Boltz seine Vorgabe, der Beauftragte solle Jude sein, erfülle. Geißler hatte gar von einem „Lottogewinn“ gesprochen. Allerdings haben RHEINPFALZ-Recherchen ergeben, dass Boltz nicht „jüdischstämmig“ ist, wie er behauptet hat. Für den Zentralrat der Juden in Deutschland ist nach dem jüdischen Religionsgesetz Halacha jüdisch, wer eine jüdische Mutter hat oder zum Judentum konvertiert ist. Nach RHEINPFALZ-Informationen sind mindestens die letzten acht Generationen mütterlicher- und väterlicherseits von Andreas Boltz katholisch gewesen.

SPD fordert Neustart

Boltz hatte, mit den Rechercheergebnissen konfrontiert, der RHEINPFALZ angekündigt, er werde einen DNA-Abgleich zur Feststellung der ethnischen Herkunft machen lassen. Die RHEINPFALZ hat am 23. Februar berichtet.

Die Personalie ist vom Tisch. Boltz steht nicht mehr zur Verfügung. Gegenüber der RHEINPFALZ hatte er von acht Ausschüssen gesprochen, in denen er engagiert sei. Wie die Stadt informiert, ist der Ex-Vorsitzende des Beirates für die Teilhabe für Menschen mit Behinderung bis Montag zusätzlich beratendes Mitglied im Kultur-, Universitäts-, Umwelt- und Jugendhilfeausschuss und bis März 2022 auch im Migrationsausschuss gewesen. Als Vorsitzender des Behindertenbeirates hatte er Teilnahmerecht im Hauptausschuss und im Stadtrat.

Die SPD hat am Montag auf die Entwicklung reagiert und ein neues Verfahren zur Besetzung des Antisemitismus-Beauftragten gefordert. Der Stadtrat hat diese Stelle nämlich bereits am 12. Dezember mit einer satten Mehrheit von 40 Stimmen etabliert.

Alte Schulkameraden?

In der Stadt geht das Gerücht um, Geißler und Boltz seien alte Schulkumpels. Was sagt der Oberbürgermeister dazu? Nein, er und Boltz seien keine alten Schulfreunde, antwortet Geißler. „Weder Schulfreunde noch sonstige Freunde.“ Als 18-Jähriger sei er in einer Jugendgruppe des Alpenvereins auf Boltz gestoßen. Der ist etwa drei Jahre jünger als Geißler, der heute 60 Jahre alt ist. In seiner Zeit in Mainz sei er ein, zwei Mal mit Boltz klettern gewesen, sagt der Stadtchef. Dann habe man sich aus den Augen verloren. Nach 40 Jahren habe Boltz ihn im Wahlkampf 2022 auf dem Rathausplatz angesprochen, nach dem Motto: „Weißt du noch, damals im Alpenverein ...“ Wusste Geißler von den angeblichen jüdischen Wurzeln von Boltz? „Das hat mich total überrascht. Er hat nie gesagt, dass er Jude wäre.“

Boltz sei auf ihn wieder zugekommen, nachdem er am 9. November am Synagogen-Mahnmal bekanntgegeben habe, dass er einen Antisemitismus-Beauftragten installieren wolle, sagt Geißler. Boltz habe gesagt, er wolle das Amt übernehmen. Erst habe er angegeben, er sei Jude, später dann, als es konkreter geworden sei, habe er auf seine jüdischen Wurzeln verwiesen und eingeräumt, keine jüdische Mutter zu haben.

Nachweis: Bist Du Jude?

Geißler betont: „Ich habe nie daran gezweifelt, weil er leitender Beamter der Landesregierung ist. Man fragt ungern nach einem Nachweis: Bist Du Jude?“ Boltz leitet die Durchsetzungsstelle für digitale Barrierefreiheit und ist Geschäftsführer der Durchsetzungs- und Schlichtungsstelle für Barrierefreiheit beim Land. Er ist Landesbediensteter, ob er Beamter ist, konnte nicht geklärt werden. Das Ministerium für Arbeit und Soziales listet ihn als Sachbearbeiter.

Laut Geißler hat Boltz ihm gegenüber behauptet, er habe Dokumente, die bewiesen, dass er jüdisch sei. „Ich war gutgläubig“, bekennt der Stadtchef. Er habe nicht erwartet, dass jemand, der so eine Position in der Behindertenarbeit des Landes habe, offensichtlich so einen Popanz mit seinem Jüdischsein aufbaue. Auf Hinweise aus Leimersheim angesprochen, habe Boltz ihm, Geißler erklärt, da wollten sich Leute an ihm gütlich tun. Nach der RHEINPFALZ-Anfrage und der Berichterstattung am 23. Februar habe Boltz Hals über Kopf am 26. Februar seinen Rückzug erklärt.

„Not amused“

Wie geht es nun weiter? „Ich bin not amused über die Lage“, sagt Dominik Geißler. Aber er sei nach wie vor der Meinung, dass Landau einen Antisemitismus-Beauftragten brauche und auch, dass dieser oder diese jüdischen Glaubens sein solle. „Ich kann doch einen Katholiken nicht bitten, eine jüdische Gemeinde zu gründen.“ Er werde an dem Job festhalten, auch wenn sich keiner melde, weil er ihn gesellschaftspolitisch für sinnvoll erachte. Dann müsse neu geschaut werden. Er überlege jetzt, das Gespräch mit den jüdischen Kultuseinrichtungen in der Region zu suchen. Geißler kündigt an, er werde einen öffentlichen Aufruf machen, wer Interesse an der Stelle habe. Es brauche Mut für diese Aufgabe. „Das wird jetzt eine andere Show werden“, kündigt er an.

Wie reagiert er auf die Anregung, die Aufgaben des Beauftragten breiter anzulegen, weil auch Sinti und Roma und Menschen mit islamischem Glauben rassistisch angegangen werden? Geißler betont, eigentlich solle sich der Migrationsbeirat auch dieser Sache annehmen. „Das tut er nicht.“ Er habe sich mit Jacques Delfeld, Landesvorsitzender des Verbandes Deutscher Sinti und Roma ausgetauscht.

Es geht ums Jüdischsein

Geißler betont erneut, er habe schon lange das Ziel, einen Antisemitismus-Beauftragten einzuführen, weil jüdisches Leben in Landau nicht funktioniere. Es hätten sich vereinzelt Juden bei ihm gemeldet, die das auch reklamiert hätten. Außerdem hätten wir Deutsche eine besondere historische Verantwortung. Es könne auch nicht sein, dass Juden, die hier lebten, in Sippenhaftung für die israelische Politik genommen würden. „Das wird ja immer schlimmer.“

Der Oberbürgermeister wiederholt auch seine Vorstellung, er sehe seine Absicht nicht unter religiösen Gesichtspunkten. „Das Ziel ist nicht, eine Synagoge zu gründen, sondern das Jüdischsein wieder zu aktivieren.“

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