Radsport Der große Aderlass am Weintor

Das Verfolgerfeld bei Offenbach.
Das Verfolgerfeld bei Offenbach.

Ob jung oder alt, Hobbyradler oder Profi. In der malerischen Idylle von Rebenlandschaft und Mandelblüte treffen sich viele am Deutschen Weintor zum „Großen Preis der Südlichen Weinstraße“. Wer am Samstag nicht im Sattel sitzt, kann einen guten Tropfen der heimischen Winzer genießen. Im Bundesligarennen scheiden viele aus.

Andreas Gensheimer verliert nicht den Überblick, auch wenn er immer wieder in die falsche Hosentasche greift und sein Handy oder Funkgerät sucht. Der Offenbacher, der während der Pandemie die Wiederbelebung des Klassikers „Großer Preis der Südlichen Weinstraße“ entwickelte und im vergangenen Jahr loslegen konnte, steht gerade am Ende der 500 Meter langen und ansteigenden Gravelpassage im Herzen der Weinberge bei Schweighofen. Den Abschnitt muss die Elite auf ihrer Schlussrunde gleich fünfmal passieren, ehe es im Auf und Ab in Richtung Ziel geht. Da schlägt auch Gensheimers Herz höher. Jene Passage erinnert doch an berühmte Klassiker wie die Flandern-Rundfahrt oder Paris – Roubaix.

„Das ist schon was Besonderes“, sagt Gensheimer, der mit seinem Bruder Markus sowie Polizeibeamten Details der Verkehrslenkung erörtert. „Uns war es wichtig, die Strecke nochmals attraktiver zu machen, und solche Abschnitte passen ja zum Frühjahr“, meint Gensheimer mit einem Augenzwinkern.

Tiefe Furchen

Dort fährt am Samstag die deutsche Straßenelite den Auftakt der Radbundesliga-Saison 2023. Dort befinden sich auch einige Zuschauer, die sich das Spektakel auf den Naturwegen ansehen, wo stellenweise noch tiefe Furchen nach dem vorausgegangenen Regen zu sehen sind.

Diese Streckenabschnitte einzubauen, war auch eine Idee von Patrick Lechner. Der Herxheimer, Teamkapitän von Bike Aid Development, hatte bei der Modifizierung der Streckenführung mitgewirkt. „Ich bin die Strecke auch mehrmals abgefahren, das hat schon Spaß gemacht“, verriet Lechner vor dem Start. Dabei war ihm ein wenig die gute Laune vergangen, denn zwei Akteure aus seinem achtköpfigen Kader mussten gesundheitsbedingt vorzeitig abreißen. „Wir sind schon etwas gebeutelt, jetzt mit nur sechs Mann ins Rennen zu gehen“, stellte Lechner fest. Trotzdem hielt er an seinen Vorgaben fest, dass einer seiner Akteure bei allen Wertungen auf das Podium fahren sollte.

Teamleiter Lechner Teambester

Was im vergangenen Jahr bei der Premiere noch gelang, blieb diesmal ein Wunschdenken. Vier Fahrer erreichten nicht das Ziel. Und wieder einmal war auf Lechner Verlass. Beim Sieg von Felix Dierking (Sportforum-MyFitness Apotheke) landete er als bester Pfälzer auf Rang 31. Er war Schnellster der großen Verfolgergruppe, die nach 3:47 Stunden den Zielstrich am Weintor passierte. Glücklich war der 34-Jährige keinesfalls. Immerhin erreichte er noch das Ziel bei diesem Ausscheidungsrennen, in dem zwei Drittel der Akteure vorzeitig ausgeschieden waren. Nur 49 der über 170 gestarteten Fahrer kamen an.

Auch der Nachwuchs und die Amateure mussten diese Passagen bewältigen. Und dort war die Ausfallquote ebenso hoch. „Das ist nicht jedermanns Sache“, sagte Alexander Obert (RRC Mannheim), der nach der ersten Passage ausstieg. Dagegen gefiel es dem früheren deutschen Meister Stephan Gottschling (RSC Cottbus), der als Senior bei den Amateuren mit einem Rückstand von 5:59 Minuten den 25. Platz erreichte. Moritz Palm (Göppingen) gewann.

Gute Rennen von Rapp und Brand

Im U19-Rennen setzte sich Florian Markert vom RSC Linden durch, um eine Sekunde vor Jannis Rapp vom RSC Wörth, der neben/hinter Aaron König (Ellmendingen) den Zielstrich passierte. Hannah-Franziska Brand vom RSV Rheinzabern gewann das 16,3 Kilometer lange Rennen der Mädchen U17.

Das Rennprogramm wurde gegenüber dem Vorjahr erweitert. „Dem Nachwuchs gehört die Zukunft, den wollen wir nicht vergessen und ihn auch fördern“, so Gensheimer. Ein Anliegen, wofür sich Top-Sprinter Pascal Ackermann (Minfeld) immer wieder stark macht. Diesmal konnte der südpfälzische Profi wegen eines Renneinsatzes in Belgien nicht vor Ort sein.

Wiedersehen mit Freunden

Die beiden Olympia-Aspiranten auf der Bahn, Alessa Catriona Pröpster und Luca Spiegel (beide RV Offenbach), waren direkt vom Training in Dudenhofen nach Schweigen gekommen. Sie plauderten über ihre Pläne im Hinblick auf Paris 2024, aber auch über die letzten Wochen im Weltcup und die kommenden Aufgaben. In den nächsten Tagen geht es erneut ins Trainingslager nach Frankfurt/Oder, dann zum Weltcup nach Milton in Kanada. In Schweigen freuten sich die beiden auf ein Wiedersehen mit vielen Freunden, ganz besonders auf das mit Max David Briese, dem jungen Rostocker, der 2021 im Teamsprint mit Spiegel WM-Silber in Kairo holte und dann sein Bahnrad an den Nagel hängte, um beim Team P & S Benotti in Thüringen seine Laufbahn auf der Straße fortzusetzen. Das hielt Luca Spiegel, der am Freitag sein Abiturzeugnis erhielt, mit seiner Kamera fest.

„Wir sind Freunde und bleiben Freunde“, sagte der 18-Jährige aus Kleinfischlingen und applaudierte gemeinsam mit Pröpster den Kleinsten, die mit ihren Laufrädern in Richtung Ziel an ihm vorbei kamen. Ortsbürgermeister Dieter Geißer zückte sein Handy, um diese Momente festzuhalten. Auch Landrat Dietmar Seefeldt war die Freude über die hohe Anzahl der Kleinen, die an den Start gingen, anzusehen: „Es macht einfach Spaß, wenn sich alle Altersklassen hier treffen. Zum Glück blieb es heute trocken. So freuen wir uns schon auf das nächste Jahr.“

Auf der Gravelpassage.
Auf der Gravelpassage.
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