Rodalben Ehrenbürger Stephan Lederer: Wie ein eigenwilliger Geistlicher große Spuren hinterlassen hat

Das Dr.-Lederer-Haus bildet heute ein kleines Kulturzentrum, es beherbergt auch die Johann-Peter-Frank-Stube mit Sammlungsstücke
Das Dr.-Lederer-Haus bildet heute ein kleines Kulturzentrum, es beherbergt auch die Johann-Peter-Frank-Stube mit Sammlungsstücken und Originaldokumenten.

In diesem Jahr jährt sich der Todestag von Pfarrer Stephan Lederer zum 100. Mal. Er galt als ein Ankurbler, der neue Pfade beschritt und seine Spuren sind immer noch präsent in Rodalben.

Der 1844 in Wachenheim geborene Geistliche starb vor 100 Jahren in Altötting. Von 1882 bis 1901 wirkte der Pfarrer in Rodalben. An ihn erinnern vor allem das Dr.-Lederer-Haus, eine Gedenktafel an der Vorderseite des Gebäudes, auch „Haus der Kultur“ genannt, und die Dr.-Lederer-Straße.

Ferdinand Schlickel, ehemaliger Chefredakteur der Speyerer Bistumszeitung, titulierte ihn einmal als „Glücksfall für das Dorf“. Warum? Weil er ihn als großen Ankurbler sah, als praktischen Bildungspolitiker und wirtschaftlichen Impulsgeber mit maßgeblichem Anteil am wirtschaftlichen Aufschwung in Rodalben. Nachdem Wilhelm Servas im Jahr 1891 die erste Schuhfabrik gegründet hatte, sah sich der Pfarrer um nach Nachahmern, zum Beispiel unter den Schuhmachermeistern. Auf über 2000 Einwohner war die Bevölkerungszahl in Rodalben zu jener Zeit angewachsen. Allein rund 250 Gastarbeiter aus der Gemeinde kehrten damals aus Paris zurück – als Folge des vorangegangenen Krieges mit den Franzosen. In Paris hatten sie beim Bau von Straßen und beim Bau der Metro mit angepackt. Jetzt sollten sie Arbeit und Lohn in den Schuhfabriken finden. Arbeitsplätze bedeuteten soziale Sicherheit.

Eine Gedenktafel erinnert an Pfarrer Stephan Lederer, der als Segensbringer in die Heimatgeschichte einging.
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Medaille als Ausdruck der Würdigung

Mädchen sollten mehr als Tagelöhnerinnen sein

In diesen Prozess wollte Lederer, ganz und gar nicht selbstverständlich für seine Zeit, auch die Mädchen einbeziehen. Aus ihnen sollte mehr werden als einfache Tagelöhnerinnen. Deshalb ließ der Pfarrer mit seinem Unternehmungsgeist ab 1889 das Schulschwesternhaus bauen, das heutige Dr.-Lederer-Haus: eine Mädchenschule, in der bald sieben Schwestern in sieben Klassen Mädchen unterrichteten.

Bildung bedeutete für Lederer die Grundlage für bessere Lebensumstände. Und er praktizierte das Prinzip der Selbsthilfe. Deshalb betreuten die Schwestern eine Nähschule, in der Kleidung selbst angefertigt wurde, ein Beitrag zur wirtschaftlichen Entlastung der Familien. Der Mädchen- und Nähschule war später – ebenfalls zur Entlastung der Familien und zur frühkindlichen Förderung – eine sogenannte Kinderschule, quasi ein Kindergarten, angegliedert. Eine einzige Schwester kümmerte sich dort um sechzig und mehr Kinder.

Lange Schlangen beim Gottesdienst

Wirtschaftlich steuerte Lederer auch mit der Gründung der Rodalber Darlehenskasse bei, die Friedrich Wilhelm Raiffeisens Idee von der Hilfe durch Selbsthilfe und Zusammenschluss aufgriff und umsetzte. 50 Mitglieder kamen im Februar 1892 zur Gründungsversammlung in das Gasthaus Bendel. Sie wählten den Bäckermeister Valentin Matheis zum Vorsitzenden, den Schreinermeister Peter Matheis zu seinem Stellvertreter sowie Wilhelm Frank, Anton Wafzig und Johann Becker zu Beisitzern. Den Vorsitz des Aufsichtsrates führte Stephan Lederer selbst.

Schließlich zog die Pfarrgemeinde Nutzen aus dieser Tatkraft. Der Pfarrer ließ 1886 die Marienkirche erweitern durch einen Anbau an der Nordseite und zwei kleine Türme als Aufgang zur Empore. Wie es die Chronik überliefert, sollen die Leute beim Sonntagsgottesdienst trotzdem noch bis zur Hauptstraße gestanden haben. Es bedarf aus heutiger Sicht schon reichlich Fantasie, um dieses Bild zu verinnerlichen. Lederer ließ die kostbare Monstranz neu fassen und einen Kreuzweg schnitzen (1893).

Bewerbung wegen hoher Katholikenquote

In Rodalben verbrachte der Pfarrer seine längste Dienstzeit. Theologie hatte er in München studiert, im Dom zu Freiburg war er 1869 zum Priester geweiht worden. Nach den Stationen Haag am Inn und Inzell, wo er als Kaplan eingesetzt war (1869/70), zog es ihn wieder in die Heimat zurück, unter anderem mit der Feststellung, „höchst sonderbare Gebräuche und Sitten“ in Bayern erlebt zu haben. Der Bischof vertraute ihm die Pfarrei Homburg an (1872), versetzte ihn nach Hördt und Oberotterbach. 1877 promovierte Lederer in Würzburg.

Für Rodalben bewarb er sich, weil es hier „drei Mal so viele Katholiken“ gab wie in Oberotterbach und er hier sein Wissen und seine Fähigkeiten habe besser nutzen können. Ein wenig Eigennutz spielte laut Ferdinand Schlickel dabei auch noch mit: das höhere Gehalt und die Aussicht, seinem Bruder Carl Lederer, Pfarrer in Fehrbach, ein Stück näher zu kommen.

Ungehorsam gegen den Heiligen Stuhl

Lederer wird bisweilen ein eigenwilliger Geist nachgesagt. Ohne Druckerlaubnis von Speyer soll er theologische Schriften veröffentlicht haben wie „Der Glaube als freie Heilserkenntniß“ (1891). So musste er sich den Vorwurf des Ungehorsams gegen den Heiligen Stuhl gefallen lassen. Dafür setzte er den Erlös für wohltätige Zwecke ein wie für die Restaurierung der Altäre in der Kirche.

Von Rodalben wechselte Lederer nach Grünstadt (1901), Fußgönheim (1906) und zuletzt nach Hochdorf (1912 bis 1919). Dann zog er sich nach Altötting zurück. Die Gemeinde Rodalben wusste, welche materiellen Werte und welch fortschrittliches Gedankengut sie ihm zu verdanken hatte. Im Jahre 1912 ernannte sie Stephan Lederer zum Ehrenbürger.

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