Kreis Südliche Weinstraße Zum Heulen

Die alten Feuerwehrsirenen, wie hier in Herxheim, sollen nach und nach durch neue ersetzt werden.
Die alten Feuerwehrsirenen, wie hier in Herxheim, sollen nach und nach durch neue ersetzt werden.

«Südliche Weinstrasse.» Die gewaltige Feuersäule ist schon aus der Ferne zu sehen. 8. Februar, kurz nach 6 Uhr, Firmengelände des Chemikalienherstellers ACC Beku in Edenkoben. Die Produktionshalle steht in Flammen. Noch ist unklar, ob giftige Stoffe in der Luft gelandet sind. Die Bürger werden über Katastrophen-Apps auf ihren Smartphones gewarnt, Schulen und Kindergärten werden telefonisch informiert. Sie sollen ihre Fenster und Türen schließen. Es war eine Vorsichtsmaßnahme. Toxische Chemikalien seien nicht ausgetreten, heißt es später. „Wir haben mit Katwarn und Nina nur rund zehn Prozent der Menschen erreicht“, sagt Kreisfeuerwehrinspekteur Rudi Götz vor ein paar Tagen. Auch deswegen betone die Politik immer wieder, dass die Alarm-Apps nur Ergänzungssysteme seien. Um künftig alle Betroffenen im Katastrophenfall erreichen zu können, wollen die Feuerwehren des Kreises und der Stadt Landau gemeinsam auf ein altbewährtes System zurückgreifen: Sirenen. Es sei Blödsinn, eine Sirene 50 Meter entfernt von einer anderen aufzustellen, nur weil eine andere Verwaltung verantwortlich ist, begründet Landaus Feuerwehrchef Dirk Hargesheimer die Kooperation von Stadt und Kreis. In Landau gebe es noch 106 alte Sirenen, im Kreis 97, sagen die Feuerwehrleute. Doch die sollen nach und nach durch aktuelle Modelle ersetzt werden. Wie viele es am Ende werden, steht aber noch nicht fest. Die Stadt hat bereits eine Firma beauftragt, die das berechnen soll. Im Kreis soll das noch in diesem Jahr geschehen, sagt Götz. Auch deshalb können die beiden Brandbekämpfer die Kosten nicht einschätzen. Eine neue Sirene werde zwischen 9000 und 12.000 Euro kosten. „Aber es kann sein, dass wir durch die neuen Systeme an einigen Orten statt zwei Sirenen nur eine aufstellen müssen“, erklärt Hargesheimer. Er geht davon aus, dass es acht bis zehn Jahre dauern wird, bis alle neuen Sirenen stehen. Die alten Sirenen hätten mehrere Nachteile, sagt Götz. Zum einen seien sie motorbetrieben und müssten jederzeit am Stromnetz angeschlossen sein, um zu funktionieren. „Und diese Drehstrommotoren machen diesen Höllenlärm.“ Zum anderen seien sie durch ihre Konstruktion immer in einem vergleichsweise begrenzten Umkreis um den Standpunkt herum hörbar. Bei den neuen Anlagen kommen die beiden Feuerwehrchefs ins Schwärmen. Sie hätten diese Schwachstellen nicht. „Die Akkus halten 72 Stunden. Die Signale werden vom Schaltkasten elektrisch an die Sirene übertragen“, erläutert Götz. Wenn also der Strom ausfalle, könne die Bevölkerung noch immer gewarnt werden. „Es sind genügend Ereignisse vorstellbar, bei denen der Strom weg ist.“ Und später als 72 Stunden nach einer Katastrophe müsse nicht mehr gewarnt werden. Die Sirenen haben lediglich eine Weckruf-Funktion, sie sollen nicht über Ereignisse in den Orten informieren. Götz fasst den Normalfall zusammen: reingehen, Fenster und Türen schließen und sich übers Radio, Fernsehen oder Internet schlaumachen. Dazu komme, dass die neuen Modelle wie Masten mit mehreren Lautsprechern aussehen. Diese Lautsprecher können nach Bedarf ausgerichtet werden. So kann die Bevölkerung zielgerichteter informiert werden. „Wir wollen einen Schalldruck von 70 bis 80 Dezibel an der Hauswand außen“, sagt Götz. Das entspricht dem Lärm eines Presslufthammers. Das sind zwei wichtige Argumente. Die Feuerwehren haben sich auch über Alternativen Gedanken gemacht. Lautsprecherwagen seien nicht optimal, sagt Götz. Sein Kollege Hargesheimer erklärt, warum das so ist: Wenn es einen Brand wie bei ACC Beku oder wie im vergangenen Jahr beim Holzhandel Wickert in Landau gebe, müsse davon ausgegangen werden, dass es Schadstoffe in der Luft gibt. „Selbst wenn wir mit zehn Wagen durch die Gegend fahren, brauchen wir Stunden, um alle zu erreichen.“ Dann hätten die Menschen die Schadstoffe aber schon eingeatmet. Und: „Auch die Fahrer werden den Giften ausgesetzt.“ Andere technische Lösungen gebe es auch. Bei neuen Autos können die Hupe oder das Radio über den Bordcomputer angesteuert werden, aber auch dann würden eben nicht alle Menschen erreicht. Notwendig seien die Neuanschaffungen auch aus einem anderen Grund: Die meisten Sirenen stehen an Plätzen, die vor 50 Jahren noch die richtigen gewesen seien, sagt Götz. Die Gemeinden sind aber seitdem teilweise deutlich gewachsen. In den Neubaugebieten werden viele Leute nicht erreicht. Die Idee, das Sirenensystem wieder auszubauen, ist nicht ganz neu. „Man braucht einen langen Atem“, betont Götz. Er ist froh, dass es nun endlich so weit ist. Denn: „Es ist unsere Aufgabe, im Katastrophenfall alle Menschen zu warnen.“

x