Schweigen-Rechtenbach Neubaugebiet: Muss das Projekt gestoppt werden?

Blick auf das Deutsche Weintor. Rechts oben soll das Neubaugebiet Kübelwiese entstehen.
Blick auf das Deutsche Weintor. Rechts oben soll das Neubaugebiet Kübelwiese entstehen.

Das neue Viertel in der Gemeinde Schweigen-Rechtenbach wird teurer als gedacht. Ist eine Rolle rückwärts die Lösung? Der Gemeinderat wägt ab. Das Ergebnis ist eindeutig.

Dass sie an diesem Abend im März abermals über ein Projekt entscheiden würden, das sie bereits vorangetrieben haben, damit hatten die Gemeinderäte in Schweigen-Rechtenbach nicht gerechnet. Wie es der Zufall will, wird ihnen ausgerechnet jetzt, wo sie ein Neubaugebiet planen, die Attraktivität ihrer Gemeinde zum Verhängnis. Denn der Grund und Boden, den sie dafür brauchen, ist deutlich mehr wert als bisher.

Die Grundstücke am südlichen Zipfel des Landkreises SÜW sind zuletzt zu hohen Preisen verkauft worden, sodass der Bodenrichtwert um einiges gestiegen ist. Gemeint ist der Durchschnittswert eines Grundstücks, den Gutachter alle zwei Jahre ermitteln, indem sie notariell beurkundete Kaufverträge als Grundlage nehmen. Bislang erhöhte sich der Bodenrichtwert maximal um zehn Prozent. Dieses Mal aber waren es 45 Prozent. Heißt für die Gemeinde, dass sie statt wie bisher 55 Euro künftig 80 Euro pro Quadratmeter bezahlen muss, wenn sie von Grundstückseigentümern Flächen im betreffenden Gebiet erwerben möchte.

Auch Kita steht auf dem Spiel

Das Neubaugebiet ist insgesamt 32.000 Quadratmeter groß, was in etwa fünf Fußballfeldern entspricht. Um die 30 Bauplätze sollen im Westen der Gemeinde entstehen. Herzstück soll die Kita sein, die dort neu errichtet werden soll, um den Bedarf an Betreuungsplätzen den Landesvorgaben entsprechend decken zu können. Damit wäre die bestehende Einrichtung von der protestantischen Kirche Geschichte. Für diesen Weg hatte sich der Gemeinderat ebenfalls entschieden. Und weil nun aufgrund der neuen Kostenkalkulation das Neubaugebiet infrage stand, ging es in der Debatte am Mittwochabend im Bürgerhaus auch um die Zukunft der Kindertagesstätte.

Sechs Eigentümer haben ihre Grundstücke der Gemeinde verkauft. Sie erwarten nun eine Nachzahlung in Gesamthöhe von 170.000 Euro. Ursprünglich hatte die Verwaltung für den Fall der Fälle ein finanzielles Polster von 38.000 Euro vorgesehen. Der Gemeinderat musste sich nun Gedanken machen, ob ihm das Ganze zu teuer wird und er die Finger von dem neuen Wohngebiet lässt. Mit einem Wermutstropfen: Die Gemeinde bliebe auf den Kosten sitzen, die ihr im Zuge der Planung bereits entstanden sind.

Mit oder ohne Bauträger?

Die Alternative: das Ziel weiterverfolgen, sei es mit oder ohne Unterstützung eines Bauträgers. Und unabhängig davon war die Frage zu beantworten, ob sich die Kommune die noch verfügbaren Grundstücke frühzeitig sichern möchte, um mehr Planungssicherheit zu haben. Oder ob sie das Umlegungsverfahren abwartet. Also den Prozess, in dem festgelegt wird, wie viel Bauland den jeweiligen Eigentümern schlussendlich zusteht. Schließlich muss jeder von ihnen Abstriche machen, weil sie Flächen für die Infrastruktur, beispielsweise für die neue Straße, bereitstellen müssen.

Im Zuge der Umlegung kann die Gemeinde zwar noch Grundstücke erwerben. Mit Glück kommt sie dann etwas günstiger weg. Wenn sie Pech hat, muss sie etwas mehr zahlen als die besagten 80 Euro, die der Bodenrichtwert angibt. Der Kaufpreis ist dann einheitlich und wird vorab festgelegt. So erklärt es Sandra Bodenseh, Leiterin der Finanzabteilung bei der Verbandsgemeinde-Verwaltung. Im Rennen sind noch 23 Grundstückseigentümer, von denen zwölf schon jetzt verkaufsbereit sind. Weitere drei Grundstücke erhält die Gemeinde im Umlegungsverfahren.

Wie es weitergeht

Das Ergebnis, nachdem alle Varianten durchgesprochen wurden, fällt eindeutig aus: Die Gemeinde hält an dem Neubaugebiet fest und stellt damit die Weichen, wie die Doppelgemeinde im Jahr 2030 aussehen könnte. Laut Ortschef Dieter Geißer wird es ungefähr so lange dauern, bis die Planungen abgeschlossen, das Gelände erschlossen sowie die Häuser gebaut und bezugsfertig sind. Etwa sieben Millionen Euro wird das Gesamtprojekt unterm Strich kosten – vom Grunderwerb bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Häuslebauer loslegen können. Refinanziert wird das Ganze durch den Verkauf der kommunalen Bauplätze. Geißer erwartet nicht nur ein leichtes Plus. Gerade eine neue Kita in kommunaler Hand sei wertvoll für Schweigen-Rechtenbach.

Der Ortschef möchte in der nächsten Bauausschusssitzung darüber sprechen, wo die Reise hingehen soll. Sprich, wie das Umfeld des Wohngebietes gestaltet werden soll. Fakt ist nämlich auch nach der jüngsten Debatte, dass sich die Gemeinde noch auf die Suche nach einem Bauträger begeben möchte. Diesem wird sie eine Fläche übertragen, wobei sie noch festlegen kann, unter welchen Bedingungen der Verkauf vonstatten gehen soll. Dadurch kann die Gemeinde also Einfluss darauf nehmen, was der Investor auf der Kübelwiese – so der Name des Neubaugebiets – realisieren soll. Geißer und seinen Ratskollegen schwebt dabei ein altersgerechtes Wohnen vor, im Stile des Magnolienhofs in Impflingen.

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