Südpfalz Kommt der Krieg in die Bütt?

Panzer und Putin: Das Kandeler „Krautkopp“-Team greift politische Themen in seinen Liedern auf.
Panzer und Putin: Das Kandeler »Krautkopp«-Team greift politische Themen in seinen Liedern auf.

Bei den großen Rosenmontagszügen, sofern sie stattfinden, wird auch die Weltpolitik närrisch beleuchtet. Auf den Motivwagen finden sich Potentaten der Welt als Witzfiguren wieder. Aber darf der Ukraine-Krieg auch in der Fünften Jahreszeit thematisiert werden oder bleibt einem dabei das Lachen im Halse stecken?

Narreteien gab es bereits im Mittelalter. Denn nur der Narr konnte sich erlauben, die Obrigkeit, also die Herrschenden, durch den Kakao zu ziehen. Politik und Gesellschaft humorvoll oder auch deftig zu kritisieren, hat also Tradition. In den närrischen Hochburgen entlang des Rheins lesen die Büttenredner den Politikern gern die Leviten. In Zeiten von Rede- und Meinungsfreiheit nicht verschlüsselt, sondern direkt und unmissverständlich.

In dieser Tradition bewegt sich Tobias Knittel. Er legt seit 15 Jahren in Till-Eulenspiegel-Manier auf der Bühne der Kandeler Bi-Ka-Ge den Finger in die Wunde. Es sei explizit Aufgabe des Narren-Tills, unbequeme Themen anzugehen, meint Knittel. „Dazu gehört auch der Krieg.“ Seine Rolle sei dazu prädestiniert, auf Missstände hinzuweisen. „Mit einer amüsanten Note, trotzdem muss die Ernsthaftigkeit gewahrt bleiben“, sagt der 41-Jährige. Schon früher durfte der Narr der Welt und der Obrigkeit unverblümt die Meinung geigen, die sich das Volk vielleicht nicht zu sagen traute. Nicht umsonst gebe es den Begriff der Narrenfreiheit.

Keine Scheu vor heiklen Themen

Knittel spricht in der Kandeler Bütt’ nicht nur den von Putin angezettelten Krieg in der Ukraine an, sondern auch die „vorsintflutlichen Missstände in Iran und Afghanistan hinsichtlich der Frauenrechte“ oder das „Bäumchen-wechsel-Dich-Spiel“ in der britischen Regierung. Wer sich in der politischen Rede nicht traue, heikle Themen anzusprechen, müsse sich fragen, ob „er sich im richtigen Genre befinde“. In der Prunksitzung der Bi-Ka-Ge greifen auch andere Gruppen, etwa die Sänger vom Krautkopp-Team, politische Themen auf. Politik – nicht nur die internationale, sondern auch die lokale – auf die Schippe zu nehmen, dafür sei Karneval da. „Es wäre schade, wenn dieses Genre komplett aussterben würde“, meint der Narren-Till. Bei seinen Reden wirkt auch seine Mutter mit: Sie sammelt die politischen Themen, er arbeitet den rund achtminütigen Beitrag aus.

Der Narren-Till alias Tobias Knittel hat keine Scheu vor heiklen Themen.
Der Narren-Till alias Tobias Knittel hat keine Scheu vor heiklen Themen.

Gerhard Dauenhauer ist Vorsitzender des Karnevalvereins in Annweiler. Gegründet im Jahr 1952, nennt sich der Verein seit 1985 KVA „Die Bockstallesier“, da sein Markenzeichen der Geißbock ist. Die „Bockstall-Familie“ ist mit ihren rund 500 Mitgliedern ein starker Verein, der auch dieses Jahr wieder fünf Prunksitzungen organisiert. Das Motto der Kampagne „Beim KVA wird’s schöner, wir feiern wie die alten Römer“ macht deutlich, was die Annweilerer mit ihrer Narretei erreichen wollen. „Die Fasnacht ist dafür da, dass die Menschen vom Ernst des Lebens Abstand gewinnen können. Wenigstens für ein paar Stunden sollen Heiterkeit und Freude herrschen“, sagt Dauenhauer und ergänzt: „Der Krieg ist kein Faschingsthema. Es ist einfach zu ernst und zu traurig, dass so etwas in Europa im 21. Jahrhundert überhaupt noch vorkommt.“

Auch Alexander Fischer, seit 13 Jahren Protokoller auf der Bühne der Hördter „Benserobber“, klammert den Krieg in der Ukraine aus. Nicht weil das für den Fasnachter ein grundsätzliches Tabu auf einer Prunksitzung ist. Vielmehr will er sich nach zwei Jahren Corona-Pause auf Themen aus dem Ort und der Verbandsgemeinde konzentrieren. Statt der „großen Weltpolitik“ nimmt Fischer an den drei Sitzungsabenden nur kommunalpolitische „Gschichtle“ aufs Korn. Natürlich dürfe man in der Bütt’ über so schwierige Themen wie Krieg sprechen, meint er. Man müsse aber die richtigen Worte finden. Auch Corona wird in seinem Beitrag keine Rolle spielen: „Wir haben es nach drei Jahren in der Hand, etwas Anderes zu zeigen. Deshalb hab’ ich das ausgeklammert“, sagt Alexander Fischer, der auch Sitzungspräsident und Vorsitzender des knapp 450 Mitglieder starken Karnevalvereins ist.

Soldaten persifliert

Einer der traditionsreichsten Karnevalvereine in der Südpfalz ist der CV Narrhalla Herxheim. Zugmarschall Werner Braun, der die Absage des Fasnachtsumzugs noch verkraften muss, kennt den Ursprung des närrischen Treibens. Die Fasenacht der rheinischen Spielart sei eine Protestbewegung gegen die Herrschenden gewesen, mit den fantasievollen Uniformen der Garden habe man die Soldaten persifliert. Also gehören Fasnacht und Politik zusammen.

Viele Jahre war es auch in Herxheim üblich, dass ein Protokoller die Prunksitzung eröffnete. Er zog eine närrische Bilanz des vergangenen Jahres, sogar in gereimter Form. Auf die Schippe genommen wurden hauptsächlich die Kommunalpolitik und ihre Vertreter. Bundes- oder gar Weltpolitik habe nicht so die Rolle gespielt, erinnert sich Braun. Aktuell gibt es keinen Protokoller mehr in der Herxheimer Fasnacht.

Sollte die Fasnacht in Kriegszeiten ausfallen?

Obwohl jeder Narr frei in seiner Rede ist, gibt es für Braun ein paar Themen, die in der Fasnacht keine Rolle spielen sollten. Weil die Menschen im Alltag von Corona, Inflation, Energiekrise und ähnlichen Katastrophen gebeutelt würden, sollte man sie in einer Fasnachtsveranstaltung damit verschonen. „Und vor allem soll der Ukraine-Krieg kein Thema sein. Ganz im Gegenteil: Die Narretei ist dazu da, den Menschen ihre Sorgen und Ängste zu nehmen. Wenigstens für kurze Zeit sollen sie Spaß haben“, findet Braun.

In der Kampagne 1990/91 wurden wegen des Irak-Kriegs der Umzug und ein Teil der Veranstaltungen abgesagt. Wegen des aktuellen Krieges in der Ukraine die Fasnacht ausfallen zu lassen, kommt für ihn nicht in Frage. „Dann werden viele Aktive das Handtuch werfen“, ist Braun überzeugt. „Und am Kriegsgeschehen hat sich gar nichts geändert.“

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