Kusel „Brücke-Peters“ Söhne ziehen hinaus in die Welt

Es war Gayle Speights erster Besuch in Jettenbach – auch wenn sie den Ort, aus dem ihre Familie stammt, theoretisch schon recht gut kannte. Die Australierin ist eine Nachkommin der Familie Wirth, die als Musikerfamilie auch international bekannt ist, hat ein 500 Seiten umfassendes Buch zu ihrer Familiengeschichte geschrieben. Am Wochenende war sie nun zu Gast bei Klaus Leonhard in Jettenbach, der ihr bei der Recherche zu ihrem Buch geholfen hatte.

Alte Familiengeschichten ihrer Tante hatten die 52-Jährige schon als kleines Mädchen fasziniert. „Ich wollte mehr über diese interessante Familie erfahren und begann, Ahnenforschung zu betreiben.“ So entstand auch der Kontakt zum Jettenbacher Klaus Leonhard. „Vor 15 Jahren kam die erste Anfrage zur Familie per Mail“, erinnert er sich. Durch ihre Recherche kam die Australierin mit vielen Verwandten in Kontakt, von deren Existenz sie zuvor gar nichts gewusst hatte. „Niemand hatte die Nachforschungen irgendwie zusammengefasst“, beschreibt Speight den Beginn ihres rund 500-seitigen Buchprojekts („The travelling Wirth family“), das rund zehn Jahre in Anspruch nahm. Nun stand ihr erster Besuch in Jettenbach an. „Das war ein besonders bewegender Moment“, beschreibt Speight ihre Gefühle, nachdem sie am Sonntagabend erstmals das Haus ihrer Vorfahren in der Jettenbacher Bachstraße gesehen hatte. „Das kannte ich zuvor nur von Bildern. Die Geschichte ist jetzt für mich greifbar.“ Johann Peter Wirth hatte das Anwesen 1831 erworben. Da es neben einer Brücke steht, erhielt der Besitzer schnell den Spitznamen „Brücke-Peter“. Wirth, der als Maurer, Butterhändler und Kalkbrenner sein Geld verdiente, sah die Zukunft seiner fünf Söhne in der Musik – genauer bei den Wandermusikanten. „Er hat sogar sein eigenes Haus verpfändet, um die musikalische Ausbildung seiner Söhne zu ermöglichen“, wirft Klaus Leonhard ein. „Peter Wirth, der 1887 starb, war mein Ururgroßvater“, informiert die 52-jährige Speight, die in Bundaberg im Osten Australiens lebt. Ihr Wohnort hängt mit dem Beruf ihrer Vorfahren zusammen. Vier Söhne Wirths waren zunächst in England, vorrangig London, unterwegs und verdienten mit Straßenmusik und Konzerten ihr Geld. „Durch verschiedene Werbetexte wurden sie auf den Goldrausch in Australien aufmerksam“, zitiert Gayle Speight aus ihrem Buch. Im Januar 1855 brachen Jakob und Peter Wirth nach Australien auf. „Die Reise dauerte rund sieben Monate“, so Speight weiter. In den zehn Jahren bereisten sie als Musiker das Land und arbeiteten in den Goldfeldern. „Sie waren aber auch mit Zirkussen unterwegs“, sagt die 52-Jährige. Johannes Wirth wurde gar Leiter der Zirkuskapelle im australischen Nationalzirkus John Jones. „Während zwei der Brüder, darunter auch meine Vorfahren, in Australien als Farmer sesshaft wurden, gründete Johannis Wirth seinen eigenen Zirkus“, schildert die Australierin – den „Wirth circus“. Ab 1880 bereiste die Familie Australien, startete Übersee-Touren nach Amerika, Afrika und Asien. „Die Reisen waren nicht ungefährlich“, verweist Speight auf einen Zeitungsartikel, in dem steht, dass die Familie von einem sogenannten Bushranger – so werden in Australien entlaufene Sträflinge und Gesetzlose bezeichnet – überfallen wurde. Erst 1963 sei der Zirkusbetrieb eingestellt worden. Wenngleich die 52-jährige Regierungsangestellte kein Instrument erlernt hat – „ich hatte nie die Gelegenheit dazu“ –, war ihre Mutter eine leidenschaftliche Klavierspielerin und auch Tochter Emma sei eine gute Violinistin. „Die Musik liegt doch irgendwie im Blut“, sagt sie lachend. Bei ihrer ersten Deutschlandreise konnte sie erneut weitere Familienmitglieder kennenlernen. „Es ist sogar ein Cousin aus Amerika hier. Selbst hier gehen meine Nachforschungen weiter“, ergänzt sie fröhlich. Eine Neuauflage ihres Buches will sie vorerst aber nicht in Angriff nehmen.

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