Kreis Germersheim Zur Sache: Die Bergungsversuche der im Rhein verschwundenen Dampflok

Eine Zeichnung des Unfalls vom 14. Februar 1852. Gezeigt wurde diese bei einem Vortrag zu dem Unglück in Karlsruhe im März 2014.
Eine Zeichnung des Unfalls vom 14. Februar 1852. Gezeigt wurde diese bei einem Vortrag zu dem Unglück in Karlsruhe im März 2014.

Am 21. Oktober sollte es soweit sein: An diesem Sonntag sollte die im Jahr 1852 unterhalb von Germersheim im Rhein versunkene Lokomotive mit großem technischen Aufwand gehoben werden. Der Versuch scheiterte, weil die Lok nicht gefunden wurde. Erste Versuche, die von einem Transportschiff in das Flussbett geglittene Lok zu bergen, wurden bereits im Frühjahr 1852 unternommen. Damals war das Versicherungsunternehmen, bei dem die wertvolle Fracht versichert war, an der Bergung interessiert.

Scharen von Schaulustigen am Ufer

Am 2. März 1852 erwähnte die in Speyer erscheinende „Pfälzer Zeitung“ nach politischen Nachrichten aus aller Welt eher beiläufig, dass während der einige Tage zuvor in der Region aufgetretenen heftigen Stürme eine von der Karlsruher Maschinenfabrik Keßler hergestellte Lokomotive versunken war. Sie sollte auf dem Rhein zu ihrem Auftraggeber nach Düsseldorf transportiert werden und war über Bord geglitten. Die im Flussbett liegende Lok, die man auf den Namen „Rhein“ getauft hatte, weckte nicht nur 1852 das Interesse der Einwohner von Germersheim und Umgebung, die es täglich in Scharen an das Rheinufer zog, wo bald nach dem spektakulären Unglück Versuche einsetzten, die wertvolle Fracht zu bergen.

Gefährliche Buhne

Schon 1852 war das Interesse groß, das man den Bergungsarbeiten der Lokomotive entgegenbrachte. So bereitete die in Speyer erscheinende „Pfälzer Zeitung“ für ihre Leser Hintergründe und Fakten rund um das Thema in einer am 12. März 1852 erschienenen Beilage auf. Danach war im Zuge der Rheinkorrektur und -begradigung unterhalb von Germersheim ein künstlicher Damm („Buhne“) im Flussbett quer zur Fließrichtung des Rheins errichtet worden, der die Strömung an dieser Stelle vermindern sollte, um Schäden am Ufer zu vermeiden. Die Wassermassen, die auf dieses Hindernis prallten, umflossen es und erzeugten dabei tiefe Wirbel und eine heftige Gegenströmung. Diese konnten den Rheinschiffen sehr gefährlich werden, insbesondere bei ungünstigen Windverhältnissen. „Hier, wo der Strom das künstlich verengte Bette bis zu einer enormen Tiefe von 50 Fuß [mehr als 16 Meter, Anm.d.Verf.] ausgehöhlt hat, gerieth das mit der Locomotive befrachtete Schiff in die Wirbel, ein Windstoß beugte es zur Seite und die kostbare Maschine im Werthe von 25.000 fl. [Gulden] lag in der Tiefe“ – fasste die „Pfälzer Zeitung“ den Hergang der Ereignisse zusammen.

Erste gescheiterte Bergung: 9. März 1852

Die Bergungsarbeiten setzten schon kurz darauf ein, mit Unterstützung fachkundiger Maschinisten des Herstellers. Man beabsichtigte, eine sehr starke Eisenkette, die auf Fischernachen ruhte, über den Rhein zu spannen und zur Lokomotive hinabzulassen. Dort sollte sich diese – von 100 Mann an jedem Ufer gehalten – aufgrund ihres eigenen Gewichts und durch die Strömung des Rheins, im Flussbett unter die Lokomotive schieben. Im Anschluss hätte man weitere Ketten hinabgelassen und an der Lokomotive in Position gebracht. Für die eigentliche Hebung sollten zwei Schiffe von jeweils 600 Tonnen Tragkraft nebeneinander positioniert und miteinander verbunden werden, um damit die Plattform für ein massives Gerüst samt einer aus Zahnrädern, Wellen und Flaschenzügen bestehenden Hebemaschinerie zu bilden. Der Plan schien aufzugehen: Am 9. März 1852, gegen 14 Uhr nachmittags, war es auf diese Weise gelungen, die Lok anzuheben. Die Maschine war schon fast auf Höhe der Wasseroberfläche, als plötzlich die Ketten verrutschten: Die Dampflok löste sich, glitt nach unten und versank ein zweites Mal in den Fluten des Rheins. Ihre Position verlagerte sich um 8 Meter in Richtung Baden.

Mitte April 1852: Bergung aufgegeben

Bei einem weiteren Bergungsversuch kamen Ende März zwei englische Taucher, namhafte Spezialisten, zum Einsatz, die auf Betreiben der Versicherungsgesellschaft versuchten, Ketten direkt an der Lok zu befestigen. Ein Vorhaben, das von der starken Strömung an dieser Stelle jedoch vereitelt wurde, so dass die Taucher unverrichteter Dinge wieder abreisten. Mitte April 1852 ließ die „Badische Assekuranzgesellschaft“ wegen der fehlgeschlagenen Bergungsversuche und der Tatsache, dass die Lok sich wieder an der ursprünglichen Stelle im Rhein befand, alle Arbeiten einstellen. Lediglich der Neustadter Bauunternehmer Hieronymus Schäfer zeigte sich noch interessiert, mit den ihm zur Verfügung stehenden Maschinen die Dampflok auf eigene Faust zu heben und hatte einen entsprechenden Antrag bei der Regierung der Pfalz eingereicht.

"Kleiner Jahrmarkt" am Rheinufer

Auch wenn alle Bergungsversuche erfolglos blieben, so hatte der damit verbundene technische Aufwand doch das Interesse der Öffentlichkeit geweckt: Durch schönes Wetter im März 1852 begünstigt, verfolgten viele Schaulustige die Arbeiten. Ein Umstand, der bald schon geschäftstüchtige Händler auf den Plan rief, so dass das Geschehen bald volksfestartige Züge annahm. Die „Pfälzer Zeitung“ schrieb: „Das schöne Wetter lockt täglich viele hundert Zuschauer von nah und fern an den Schauplatz dieser Arbeiten, wo sowohl der Schiffseigner Weidner aus Koblenz als die Maschinisten mit zuvorkommender Gefälligkeit den Besuch und die Besichtigung der Schiffe und ihrer Einrichtung gestatten; damit auch Nichts fehle, haben Marketender ihre Wirthschaften dort aufgeschlagen, betriebsame Knaben bieten Cigarren und kleine Mädchen Blumensträußchen feil, so daß der Rheinstrand an dieser Stelle einem kleinen Jahrmarkt nicht unähnlich sieht“.

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