Kreis Germersheim „Groß denken und groß träumen“

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Germersheim. „Vor 22 Jahren stand ich mit anderen Abiturienten hier auf dieser Bühne und wir sangen das Lied „Sailing“. Damals hatte jeder von uns Träume und Ziele. Mein großer Wunsch und Wille war es, Jumbopilotin zu werden. 2010 war ich dann die erste Lufthansa-Pilotin, die auf dem Airbus A380, dem vierstrahligen Großraumflugzeug mit zwei durchgehenden Passagierdecks, geschult wurde“, erzählt Kerstin Felser aus Bellheim.

Auf Einladung des Goethe-Forums kehrte die 41-jährige Pilotin gestern zurück an das Goethe-Gymnasium Germersheim, an dem sie 1993 Abitur machte. Das Schulhaus nach so langer Zeit zu betreten, war für sie ein emotionaler Moment, sagt sie. Sie erinnere sich an spannende und turbulente Schuljahre. „Ich bin froh, dass ich ins Goethe-Gymnasium und nicht in die Mädchenschule nach Landau gegangen bin. Die Fliegerei ist eine Männerdomäne mit nur fünf Prozent Frauenanteil. Da war es hilfreich, während der Schulzeit schon mal mit Männern in Kontakt gekommen zu sein. So fand ich während meiner Ausbildung immer die passenden Worte zu den männlichen Kollegen, die eine Frau im Cockpit noch belächelten“, erzählt die sympathische und ehrgeizige Pfälzerin. In den 60-iger Jahren waren Sprüche wie „Wenn Gott gewollt hätte, dass Frauen fliegen, dann wäre der Himmel rosa“ oder „Eher wird eine Frau Boxweltmeisterin als Kapitän der deutschen Lufthansa“ noch weit verbreitet. „Heute herrscht absolute Emanzipation im Cockpit“, freut sich die A380-Pilotin. Den Schülern, die sich am Dienstagabend im Publikum befanden, wollte Felser mit der Schilderung ihres Werdegangs vor allem Mut machen und aufzeigen, dass es sich lohnt, „groß zu denken und zu träumen“. Der Glaube an sich selbst sei ausschlaggebend für den Erfolg. Die Schüler sollten ehrgeizig ihren Weg verfolgen und bei Rückschlägen immer wieder aufstehen. Gebetsmühlenartig habe sie sich früher immer wieder den Satz „Ich werde Jumbopilotin“ vorgesagt und kam so ihrem Ziel von Jahr zu Jahr näher. Nach der Ausbildung zur Verkehrsflugzeugführerin und ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre fliegt sie heute als Co-Pilotin auf der Kurz- und Langstrecke und ist im Management tätig. Als „Senior First Officer“ steht sie kurz vor der Kapitänswertung, welche im nächsten Jahr erfolgen wird. Doch sie vertritt schon jetzt den Flugkapitän, wenn dieser bei einem Langstreckenflug eine vierstündige Pause einlegt. „Mein Arbeitsplatz hat einen hohen Technisierungsgrad und die Teamarbeit ist hoch spezialisiert. Piloten haben häufig wechselnde Arbeitsintensitäten, müssen große Datenmengen und unterschiedliche Informationen verarbeiten. Ich bin immer konfrontiert mit zwingenden Entscheidungssituationen. Meine Kollegen und ich sind daher hohen psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt“, erzählt Felser. Viermal im Jahr müssen Piloten in den Flugsimulator, der rund 600 verschiedene Notfälle durchspielen kann. Besteht der Pilot den Prüfungscheck, dann ist alles in Ordnung. Bestehe er diesen nicht, müsse er zur Wiederholungsprüfung. Fällt er wieder durch, verliere er seinen Arbeitsplatz. „Für mich gibt es den Traum vom Fliegen immer noch. Es ist emotional, wenn ich mit dem Flugzeug auf der Startbahn stehe, Schub gebe und sich 560 Tonnen langsam nach oben bewegen“, schwärmt Felser, auch wenn sie weiß, dass Flugzeuge längst zu einem Massentransportmittel geworden sind. Über den Wolken herrscht ein dichtes Gedränge. Ihren Angaben zufolge gibt es jährlich drei Millionen Flugbewegungen allein in Deutschland und 30 Millionen Flüge weltweit. „Die modernen Linienflugzeuge haben die Erde geschrumpft“, so Felser. Mit Superlativen beschreibt sie den A380 und ihren Arbeitsplatz im Cockpit, der einem „fliegenden Rechenzentrum“ gleicht. Der Airbus hat 22 Räder, ist so groß wie vier sechsstöckige Häuser, seine Tragflächen von 846 Quadratmetern größer als drei Tennisplätze und sein Tankvolumen beträgt 310 000 Liter Kerosin. „Der Pilot hat viele technische Innovationen an seiner Seite. Es wird ihm einfacher gemacht und dient der Sicherheit. Als gefährlich stuft die Pilotin das Fliegen nicht ein, denn die Lufthansa sei seit mehr als 100 Jahren unfallfrei. Die Autofahrt zum Flughafen hält sie für risikoreicher.

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