Gegenüber Außergewöhnliches Hobby: Klaus Knecht besucht Gerichtsverhandlungen

In den Gerichtssälen im stattlichen Gebäude am Landauer Marienring kennt jeder Klaus Knecht..
In den Gerichtssälen im stattlichen Gebäude am Landauer Marienring kennt jeder Klaus Knecht..

Klaus Knecht aus Hatzenbühl ist ein ganz normaler Mann und trotzdem etwas ganz besonderes. Er ist nämlich sozusagen die Öffentlichkeit, die das Recht hat, bei jedem Gerichtsprozess dabei zu sein. Da die meisten Menschen dieses Recht schlicht nicht ausüben, springt Klaus Knecht eben in diese Bresche. Seit fast 20 Jahren besucht er Verhandlungen im Gericht in Landau.

In den ehrwürdigen Sälen und den langen Gängen des stattlichen Gebäudes am Marienring kennt jeder den Mann mit der Baseballkappe. Protokollführerinnen, Richter, Staatsanwälte und die Justizbeamten freuen sich vielleicht insgeheim, wenn außer von den Angeklagten und deren Verteidigern jemand ihre Tätigkeit überhaupt wahrnimmt. Klaus Knecht selbst erinnert sich gar nicht mehr, warum er zum ersten Mal ins Gericht kam und sich eine Verhandlung ansah. Aber es war im Jahr 2005, und seit fast 20 Jahren kommt er fast täglich in den Justizpalast.

Mittlerweile ist er natürlich ein erfahrener Prozessbeobachter und merkt schnell, ob eine Verhandlung spannend zu werden verspricht oder vom Unterhaltungswert eher unerheblich ist. Dann wechselt er flugs und leise den Saal und sieht nach, was der Richter in einem anderen Raum verhandelt. Es ist auch schon vorgekommen, dass ihm ein Mitarbeiter der Justiz später auf dem Gang berichtet, dass in seinem Saal so richtig die Post abgegangen sei, während er sich in seinem ein wenig gelangweilt hatte. Aber an anderen Tagen ist es genau umgekehrt und Klaus Knecht fährt erfüllt von spannenden Geschichten wieder mit seiner Frau, die in Landau arbeitet, nach Hause zurück.

Mordprozess bleibt in besonderer Erinnerung

„Mich faszinieren die menschlichen Probleme und Schicksale, denen man in Gerichtsverhandlungen begegnet“, sagt er. Die seien oft spannender als erfundene Geschichten. Knecht erinnert sich natürlich an den großen Prozess nach der Tötung eines jungen Mädchens aus Kandel. Vor allem deswegen, weil er die Familie des Opfers kennt. „Aber nicht nur Strafprozesse sind teilweise dramatisch, da können Erbstreitereien vor der Zivilkammer manchmal locker mithalten“, findet Knecht. Das ganze menschliche Dasein findet seine Spiegelung im Gerichtssaal, und er bewundert Richter und Staatsanwälte, die versuchen, Ordnung in das Chaos zu bringen.

Knecht hat keine besonderen Vorlieben, er besucht Verhandlungen bei Zivilkammern ebenso fleißig wie die der Strafkammern. Nicht selten geht er aber auch ins Arbeitsgericht, wo er ebenfalls ein gerngesehenes Gast ist. Er hat in der langen Zeit bei Gericht natürlich viel gelernt, vor allem auch die strengen Formalien. Ganz zu Beginn seiner Zeit im Gericht habe ihn ein Richter mal gefragt, ob ihm kalt sei. War ihm nicht, versicherte Knecht dem Vorsitzenden, der ihm dann erklärte, dann könne er ja seine Kappe absetzen, Kopfbedeckungen zu tragen sei im Gerichtssaal so unpassend wie in der Kirche. Seither liegt die Kappe eben neben ihm auf dem Stuhl.

Unterstützung für die Angestellten

Eine Frage der Bekleidungsetikette war auch der Grund, warum er an einem heißen Sommertag einmal einen Gerichtssaal verließ: Der Vorsitzende Richter empfand seine kurze Hose und das bunte Hemd der Würde des Hauses bei einem Mordprozess nicht angemessen. Draußen auf dem Gang begegnete ihm die damalige Präsidentin des Hauses und fragte ihn, warum er denn schon gehen wolle. Als er berichtete, dass er nicht passend gekleidet sei, bot die Präsidentin ihm spontan an, sie könne ihm gerne eine schwarze Kutte ausleihen, die hätten die meisten im Saal doch auch an! Knecht ging dann aber lieber in eine andere Verhandlung.

Da alle im Gericht Klaus Knecht kennen, wird er auch gerne schon mal zu kleineren Dienstleistungen herangezogen. Er wechselt eine Batterie in einer stehen geblieben Uhr aus, er öffnet oder schließt die Fenster im großen Saal, hilft Anwälten mit Gipsarm in ihren Talar und trägt ihnen die Tasche, ruft auch gelegentlich mal die auf dem Gang wartenden Zeugen in den Verhandlungssaal. „Dann muss das die Protokollführerin nicht machen“, sagt er. Vorlieben bei Richtern und Staatsanwälten hat Knecht eigentlich nicht, er schätzt sie alle. Schon drei Gerichtspräsidentinnen und -präsidenten hat er kommen und gehen gesehen, und Heerscharen von Richtern und Staatsanwälten. „Die älteren Richter legen noch unbedingt Wert auf die klassischen Formen, etwa, dass sich alles erhebt, wenn das Gericht hereinkommt, die Kleiderordnung, die Höflichkeit. Junge Richter sind da etwas lockerer, nehmen die Regeln nicht so streng“, berichtet Knecht von seinen Erfahrungen.

Besser als jede Gerichtssendung

Wenn er nicht im Gericht sitzt, sieht sich der 74-Jährige auch schon mal Verhandlungen im Fernseher an. Aber die, findet er, halten den Vergleich mit echten Prozessen bei Weitem nicht aus. Alles sei so gestellt, und vieles sei völlig falsch dargestellt. Bisher ist er immer mit seiner Frau nach Landau gefahren, doch seit diese beruflich auch kürzer tritt, kommt er nur noch donnerstags und freitags ins Gericht. Was werden wird, wenn sie ganz aufhört zu arbeiten, will er sich lieber gar nicht vorstellen, schon heute vermisst er von montags bis mittwochs sein übliches Vormittagsprogramm. Wenn Klaus Knecht nicht mehr die Öffentlichkeit im Gerichtssaal darstellt, wird es leer im Zuschauerbereich. Vielleicht lässt dann wieder mal ein Richter oder eine Richterin einfach die Türe zum Saal öffnen, damit Öffentlichkeit hergestellt wird. Ist nämlich auch schon passiert.

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