Karlsruhe Gestolpert

Gunter Demnig beim Verlegen von Steinen.
Gunter Demnig beim Verlegen von Steinen.

Der Förderverein der Karlsruher Stadtgeschichte spricht von „unüberbrückbaren Gegensätzen“ in der Auffassung des Projekts – der Künstler Gunter Demnig stellt klar, dass sein Projekt seit Beginn im Jahr 1992 eindeutig definiert sei. Beim Förderverein heißt es: „Demnig hatte ultimativ gefordert, auch für nicht von den Nationalsozialisten ermordete Familienangehörige Steine zu verlegen.“ Diese Erweiterung des Konzepts könne man nicht mehr bezahlen. Bislang habe man immer diejenigen finanziell an den Kosten der Stolpersteinverlegung beteiligt, die sie angeregt hätten, teilt der Förderverein mit. „Seien es überlebende Familienangehörige oder andere, sich mit der Biografie und dem Schicksal der Opfer befassten.“ Jetzt stehe eine Inflation an Steinen bevor, ist man überzeugt. Demnig erklärt auf Nachfrage der RHEINPFALZ: „Die Deutschen Juden haben früh gemerkt: Es wird gefährlich! Sie haben versucht, wenigstens ihre Kinder zu retten. Palästina – dann die Kindertransporte.“ Und weiter: „Auch Menschen, die im Zuchthaus gesessen haben – aus für uns heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen – dort gequält worden sind, zum Teil nicht mehr arbeitsfähig gewesen sind, die bekommen auch Steine.“ Demnig unterstreicht, dass das schon immer Idee hinter den Stolpersteinen war: „Wenn jetzt Initiativgruppen meinen, sie könnten das Konzept einfach umschmeißen, dann geht das einfach nicht.“ Er hoffe, dass sich in Karlsruhe eine neue Gruppe findet, die das Projekt unterstützt. Ähnlich sei es aber schon in anderen Städten gewesen, das sei eine Art Generationenwechsel so Demnig. Gestritten wurde in Karlsruhe indes schon lange. Demnig hatte 2013 einen Stolperstein vorm Ständehaus verlegt, der an Christian Daniel Nußbaum erinnert. Der war von den Nazis in der Heilanstalt Wiesloch eingesperrt worden, wo er 1939 starb. Nußbaum hatte allerdings auch 1933 zwei Schutzpolizisten erschossen, die ihn verhaften sollten. Aufgrund der nicht aufgearbeiteten Biografie hatte der Förderverein von Demnig verlangt, den Stolperstein wieder zu entfernen. Demnig lehnte ab – die Stadt schritt schließlich zur Tat und entfernte die Erinnerung. Beim Förderverein Stadtgeschichte scheint indessen soviel Porzellan zerschlagen zu sein, dass man sogar darüber nachdenkt, multimediales Begleitwerk einzustellen – also die Homepage www.stolpersteine-karlsruhe.de auf der es Erklärungen und Biografien gibt, sowie eine App, mit der Informationen zu den einzelnen Stolpersteinen im Stadtgebiet direkt abgerufen werden können. „Das ist noch nicht endgültig geklärt“, sagt Rüdiger Homberg als Sprecher der Koordinationsgruppe des Fördervereins. Es sei wahrscheinlich, dass man Homepage und App-Betreuung einstellen werde, das koste schließlich auch Geld. „Die Infos, die dann aber nicht mehr aktualisiert werden, sind dann aber immer noch auf der Homepage des Fördervereins“, sagt Homberg. In Karlsruhe gibt es bislang 296 Stolpersteine, die ersten wurden 2005 verlegt. Besonders prominent sind die Erinnerungsplaketten für die Sängerin Lilly Jankelowitz und den Schauspieler Paul Gemmeke vor dem Badischen Staatstheater. Dort heißt es: „Theater, eben noch Orte der Freiheit und der Avantgarde, ließen sich als erste große Institutionen unmittelbar nach der Machtergreifung gleichschalten.“ Karlsruhe sei eine Stadt, die sich heute rühme, ein Ort der Toleranz zu sein, „und doch die Hauptstadt des ,ersten judenfreien Gaus’ war“, heißt es auf der Homepage des Staatstheaters. Erst vor wenigen Wochen war Demnig in Bruchsal und hat 16 Stolpersteine installiert, die an die Schicksale von 15 Juden erinnern sowie an ein katholisches Euthanasieopfer. Zwei der Steine tragen die Namen der Schwestern Rosa und Lina Mayer aus Leimersheim, deren Weg über Bruchsal in die Ermordung durch das Naziregime führte. Im Netz www.stolpersteine-karlsruhe.dewww.erinnerung-aufpolieren.dewww.stolpersteine.eu

x