Wissembourg Deutsche und Franzosen: Seit 60 Jahren in Freundschaft verbunden

Der Historiker Jean-Samuel Marx.
Der Historiker Jean-Samuel Marx.

Seit 60 Jahre sind Deutschland und Frankreich in Freundschaft verbunden. Auch wenn die Tür zwischen ihnen manchmal klemmt, sie war nie verschlossen.

Doch es wächst eine neue Generation heran, weshalb die Freundschaft durch neue Kooperationen neu belebt und gestärkt werden sollte. So die Ansicht des jungen Historikers Jean-Samuel Marx, die er in seinem Vortrag an der Pamina-Vhs vertrat. Als sich am 22. Januar 1963 der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer und der französische Staatspräsident Charles de Gaulle die Hand gaben und den Élysée-Vertrag unterschrieben, wollten sie gemeinsam Europa aufbauen, ihre deutsch-französischen Beziehungen auf politischer und kultureller Ebene vertiefen.

Erst Konflikte, dann Freundschaft

Jean-Samuel Marx ging auf die lange Geschichte dieser Freundschaft ein, die immer wieder von Konflikten geprägt war, schon allein aufgrund zahlreicher Unterschiede in der Ansicht über die Friedenspolitik, Wirtschafts- und Finanzpolitik, Energiepolitik und die institutionelle Ausrichtung der Europäischen Union. „In Deutschland haben wir die Bundesländer, in Frankreich die Autorité francaise, die von Paris aus gesteuert wird“, so Marx.

Als Beispiel nannte er die Energiepolitik, die Ablehnung der Atomkraft in Deutschland. In Frankreich steht die Nuklearenergie bei der Stromerzeugung immer noch an erster Stelle, in Deutschland nach vielen Debatten an zwölfter Stelle. „Ursache all der Konflikte und der abnehmenden Kompromissbereitschaft zwischen Deutschland und Frankreich sind die Unterschiede in der Kultur, der Mentalität, der Identität und im nationalen Selbstverständnis“, verdeutlichte der Historiker die vorhandenen Hürden.

Die Bilanz

Doch ist die Bilanz nach 60 Jahren wirklich so negativ? „Nein, das ist sie nicht“, meinte Jean-Samuel Marx. Er selbst ist das beste Beispiel hierfür. Er kam 1988 im Elsass auf die Welt, studierte nach seinem bilingualen Abitur in Straßburg deutsche Geschichte und Literatur, verbrachte ein Studienjahr im Rahmen des Erasmus-Programms (Studenten-Austauschprogramm der EU) an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg. Heute liebt er sein Geburtsland Frankreich, aber auch sein neues Heimatland Deutschland. Er lebt in Heidelberg, ist Lehrbeauftragter an der Uni Heidelberg und Fachbereichsleiter an der Vhs Karlsruhe-Land.

Aus der deutsch-französischen Freundschaft wären vielfältige zivilgesellschaftliche Kooperationen und Kontakte entstanden auf Bildungs-, Berufs-, Jugend- und Kulturebene. „Die Liste ist lang, es fehlt nicht an Gelegenheiten den anderen kennenzulernen, doch wir bemerken seit Jahren ein Desinteresse“, sagte Marx. Nach einer Umfrage schätzen die Deutschen an den Franzosen am meisten ihre genießerische, individualistische und kreative Art. Die Franzosen schätzen an den Deutschen ihre Strenge, ihre Disziplin und ihren Arbeitssinn. Doch 37 Prozent aller Franzosen waren noch nie in Deutschland, 27 Prozent aller Deutschen noch nie in Frankreich.

Mehr Kooperationen

Um die deutsch-französische Kooperation vertiefen und eine schleichende Entfremdung verhindern zu können, sei es wichtig, das Partnerland, seine Funktionsweise, seine Kultur, seine Geschichte und insbesondere seine Sprache zu kennen, erklärt Marx. „Wir sollten das andere Land nicht romantisieren, sondern Tatsachen aufzeigen und für die neue Generation, sich zunehmend als Weltbürger versteht, Kommunikationskanäle der deutsch-französischen Freundschaft schaffen und für die Förderung des Spracherwerbs werben“, so Jean-Samuel Marx.

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