Kaiserslautern „Untröstliche Schatten“-Premiere: Viele Besucher verlassen nachdenklich das Pfalztheater

Applaus fürs Ensemble (von links): Dennis Bodenbinder, Saba Baghael, Marius Petrenz, Nina Schopka, Phillip Henry Brehl, Maria Sc
Applaus fürs Ensemble (von links): Dennis Bodenbinder, Saba Baghael, Marius Petrenz, Nina Schopka, Phillip Henry Brehl, Maria Schubert, Hartmut Neuber, Hannelore Bähr und Musiker Victor Solomin.

„Untröstliche Schatten“ erhoben sich am Samstagabend über der Bühne im Großen Haus des Pfalztheaters, als das Publikum – nach knapp zwei Stunden selbst befreit von manchen beklemmenden Ängsten – dort dem Ensemble und der Uraufführung des Schauspiels viel Beifall zollte.

Es war alles andere als leichte Kost, die das Haus mit seinem Schauspiel nach dem Roman „Dreihundert Brücken“ des brasilianischen Autors Bernardo Carvalho dem Publikum servierte. Elina Finkel (Regie) und Petra Jenni (Dramaturgie) hatten aus der Geschichte um Krieg und Liebe die Bühnenfassung geschaffen. In den Sitzreihen auf der Bühne waren die Premierengäste ganz nah am Geschehen dran. Leider sorgte die Nähe nicht immer auch für hinreichendes Verständnis der Dialoge.

Im zweiten Tschetschenienkrieg wollen Mütter ihre Söhne retten, zwei wollen abhauen, einer beklaut den anderen. Dann verlieben sie sich ineinander. Die Live-Musik von Victor Solomin im Hintergrund wird immer lauter, auf der Bühne knallen echte Ohrfeigen. „Schwierige Kost“, war die erste Reaktion von Marlene Rech nach einer Inszenierung, die sie selbst als „ein bisschen verwirrend“ erlebt hatte. Die Einführung vor der Aufführung hatte ihr dabei nicht viel geholfen.

Eine gute Geschichte, aber keine schöne

Frank Gaul hatte eine sehr interessante, gute Geschichte, „allerdings keine schöne“ erlebt und überlegte, ob er sich das Buch dazu kaufen sollte. „Sehr eindrucksvoll“, ergänzte Ehefrau Jutta Zwehn-Gaul. Beeindruckt hatte das Paar der Wechsel zwischen Darstellung und Erzählung durch die Schauspieler. Dies habe es für sie leichter gemacht, nicht zu sehr in der Geschichte aufzugehen. Beide waren überzeugt, dass die Inszenierung auch noch auf der Heimfahrt Gesprächsthema bleibt. „Und das ist das Schöne am Theater“, bilanzierte Frank Gaul.

„Bedrückend aktuell“ hatte Wolfgang Schumacher die Inszenierung erlebt. Zunächst etwas irritiert mit der Erzählung/Lesung der Geschichte, fand er diese Interpretation letztendlich doch gut. Vor allem besser, als sie auf der Bühne durch Gewaltszenen darzustellen. Der Besucher würdigte eine „gute Leistung vom Ensemble“ und die Musik, die die Spannung aufgenommen habe. Auch er überlegte, ob er das Buch dazu eventuell lesen sollte.

Das Stück mache traurig und erschrecke

Nurettin Doskaya mit Ehefrau aus Ludwigsburg hatte dank einer Anregung von Schauspieler Marius Petrenz, einem ehemaligen Mieter und Darsteller des Andrej, zur Premiere im Pfalztheater gefunden. Er sei überrascht, wie gut dieses Stück in Kaiserslautern angenommen werde, sagte er. Doskaya habe sich die Stadt etwas konservativer vorstellt, was diese Situation angehe. Gut fand er, dass in der Einführung manches erklärt wurde. Dadurch hätten sie mehr mitgenommen als sonst im Theater. Was damals (um 2002) in Russland passiert sei, habe man verdrängt. Er hoffe, dass das mit der Ukraine nicht wieder so lange dauert. Angesichts einer Neigung zum Verdrängen fand er es jedenfalls gut, dass dieses Thema inszeniert wurde.

Beeindruckt von der Inszenierung war Patrice Huth. Die graue Atmosphäre bilde die augenblickliche Welt ganz gut ab, fand er – und das sei schließlich Aufgabe des Theaters. Das Stück mache traurig und erschrecke mit seiner Vorstellung der Wirklichkeit. Dass es gefalle, könne er nicht sagen. Aber das solle es ja auch nicht.

Ein unglaublich brutales Thema

Bei der anschließenden Premierenfeier fiel es dem künstlerischen Direktor, Johannes Beckmann, nach eigenen Worten schwer, nach diesem Stück mit lauten und lustigen Worten auf Euphorie „umzuswitchen“. Diese Wut und Gewalt könne erschrecken und lasse einen rat- und fassungslos zurück. „Wir haben eine tolle Leistung erlebt“, bescheinigte er dem Team aus Dramaturgin und Regisseurin für die Schauspielversion des Romans, dazu den Darstellern, die sich alle mit ihren Rollen identifiziert hätten. „Es war ein intensiver, ergreifender Abend“, betonte Beckmann.

Von einer intensiven Arbeit zu einem unglaublich brutalen Thema, das über die Gegenwart erzähle und das sie selbst sehr beschäftigt und mitgenommen habe, berichtete Dramaturgin Petra Jenni, die die RHEINPFALZ am Rande der Feier auf die Uraufführung ansprach. Die Zusammenarbeit im Team sei intensiv und produktiv gelaufen.

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