Kaiserslautern Treffen der Generationen

Michael J. Fox tat es, ebenso Terminator-Arnie, nun also Hugh Jackman: Zurück in die Zukunft geht es im wunderbar nostalgischen wie hoch aktuellen neuen Abenteuer der Mutantentruppe X-Men. Verschmitzt wird auch „Raumschiff Enterprise“, der Mutter aller Zeitreise-Serien, gehuldigt: „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ ist der beste Teil der Reihe, ja der beste Superheldenfilm des Jahres, und beweist: Regisseur Bryan Singer, der das Genre anno 2000 mit „X-Men: Der Film“ neu belebte, ist der ideale Mann für Comic-Adaptionen.

Wir schreiben das Jahr 2023, die Welt liegt in Schutt und Asche. Mutanten werden in düsteren Lagern gequält. Seelenlose Sentinels, sechs Meter große Kampfroboter, spüren unaufhaltbar die letzten freien X-Men auf. Aus Raumschiffen, die wie kopfüber aufrecht schwebende Särge wirken, regnen sie herab. Und töten, gnadenlos. Bis Charles Xavier (Patrick Stewart) und Magneto (Ian McKellen) zum letzten Strohhalm greifen: Sie schicken Wolverines (Hugh Jackman) körperloses Ich in sein jüngeres Selbst des Jahres 1973, um die Konstruktion der Sentinels zu verhindern. Dort hat es Wolverine aber mit allerlei Widrigkeiten zu tun. Und schicken Retro-Klamotten. Irgendwann grüßt sogar Captain Kirk, also der junge William Shatner der „Star Trek“-Fernsehserie, von einem Bildschirm. Der zweite Film nach „X-Men: Erste Entscheidung“ (2011), in dem die Mutanten als junge Stürmer und Dränger zu sehen sind, trifft genau den richtigen Ton: Singers Stoff ist weniger verbissen als Christopher Nolans „The Dark Knight Rises“, nicht so gezwungen buddy-humorig wie J.J. Abrams’ zweite Enterprise-Neuerkundung „Star Trek Into Darkness“ und nicht so kindisch wie Mark Webbs „The Amazing Spider-Man 2: Rise Of Electro“. Bryan Singer punktet auch mit einer schönen Botschaft, die zwar schon H.G. Wells’ bahnbrechende Anti-Utopie „Die Zeitmaschine“ unterfütterte und zu den Grundfragen der Menschheit gehört, aber weiterhin aktuell bleibt: Ist die Zukunft unabänderlich oder können wir daran arbeiten, dass die Welt besser wird?, fragt der Film eingangs. Und: Haben wir genug Vertrauen auch in Andersdenkende, um ihnen mit Toleranz statt Gewalt zu begegnen? Der Film appelliert auch dafür, die Angst vor dem Unbekannten zu überwinden. Der Charme der X-Men ist seit jeher, dass sie Heranwachsenden, die sich als unverstandene Außenseiter fühlen, Vorbild sein können. Gerade auch, da sie keine Einzelkämpfer sind, sondern eine bunte Gemeinschaft und rücksichtsvolle Ersatzfamilie. Die X-Men brechen eine Lanze fürs Anderssein, für Vielfalt und Offenheit und können allegorisch für allerlei Gruppen jenseits der Norm stehen: ob für Menschen mit Handicap, für religiöse, ethnische und sexuelle Minderheiten oder schlicht für Anhänger seltsamer Hobbys. „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ beruht auf dem gleichnamigen Comic von 1981 (im Original: „Days Of Future Past“) und stellt Raven/Mystique (die allgegenwärtige Oscarsiegerin Jennifer Lawrence) ins Zentrum. Ihr Handeln entscheidet darüber, ob die Welt ins Chaos stürzen wird oder Menschen und Mutanten Seite an Seite leben können. Die Gegenwart des Filmauftakts, das Jahr 2023, ist die Folge ihrer Entscheidung für Gewalt: Am Ende des desillusionierenden Vietnamkriegs schlägt der Wissenschaftler Bolivar Trask (Peter Dinklage) aus Angst vor den Kräften der Mutanten dem US-Kongress ein Rüstungsprogramm vor: den Bau von Supersoldaten, die Mutanten töten können. Die Politiker sind dagegen. Erst Mystiques Handeln lässt sie umdenken und bringt die entscheidende Sentinel-Zutat: Die Formwandlerin tötet Task und wird geschnappt. Durch ihre DNA erst wird das Forschungsprogramm effektiv. Die Robotersoldaten können so konstruiert werden, dass sie auf jede Mutantenkraft reagieren – was Singer in den düsteren Eingangsszenen eindrucksvoll illustriert. Da bringen Sentinels etwa Iceman zum Verglühen. Die einzige Lösung daher: Kitty Pryde (Ellen Page) schickt Wolverine, der durch seine regenerativen Kräfte als einziger die Zeitreise überleben kann, ins Jahr 1973 zurück, um das Attentat zu verhindern. Unterstützen sollen ihn der junge Charles Xavier/Professor X (James McAvoy) und sein damaliger Erzfeind Erik/Magneto (Michael Fassbender), der jedoch erst aus einer Hochsicherheitszelle im Pentagon befreit werden muss. Er soll JFK getötet haben… Der Verschwörungstheorien um diesen Mord fügt der Film eine hübsche neue Variante hinzu, bevor er sich zum Schauplatz Paris begibt. Dort wird Raven vor die Frage gestellt, ob sie den Weg von Magneto gehen will, der die Mutanten zum Aufstand gegen die Menschheit aufruft, oder jenen von Professor X, der zu Anpassung aufruft. Zwar wird das Finale keinen Fan überraschen, doch sorgen einige Hürden für Hochspannung. Auch die spritzigen 3D-Actionszenen wie die teils mit 3000 Bildern pro Sekunde gedrehte Supertempo-Pentagon-Sequenz begeistern. Bryan Singer hat mit seinem Haupt-Drehbuchautor Simon Kinberg zudem eine schlüssige Zeitreise-Vision entwickelt, die (fast) ohne logische Fehler auskommt. Singer hat angeblich gar Quantenphysiktexte studiert, um Bestätigung für die Schlüsselszene zu finden, in der sich der junge und der alte Charles Xavier begegnen: ein Psychospiel, in dem der Shakespeare-gestählte Patrick Stewart sein von Zweifeln geplagtes jüngeres Ich auf seine Pläne einschwören kann. Die Begegnung der Generationen funktioniert erstaunlich gut, obwohl McAvoy und Stewart sich wenig ähneln. Auch Hugh Jackman, der hier als Reiseführer und Stellvertreter des Zuschauers agiert, schlägt sich wacker – selbst wenn der 45-Jährige etwas zu alt wirkt, um als jugendlicher Wolverine durchzugehen. Der 37-jährige Michael Fassbender, der souveränste Darsteller der frühen Zeitebene, wirkt ebenfalls eine Spur zu reif für die Rolle des aufmüpfigen Erik/Magneto, zumal James McAvoy zugleich trotz seiner 35 Jahre ein jugendlich-spilleriger Professor X ist, dem man den Junkie eher abnimmt als den Denker. Das einzige tatsächliche Manko aber: Für Jennifer Lawrence als Raven hätte man sich mehr Innenperspektive gewünscht. Hier setzt Bryan Singer viel voraus und bleibt bei der Warte des Duos Xavier und Magneto, um die Spannung aufrecht zu erhalten. Und wer sich fragt, wie nach dem schönen Spektakel überhaupt noch eine Fortsetzung möglich sein kann, der sollte bis nach dem Abspann sitzen bleiben. Oder darüber nachdenken, wo wohl die Wiege der Menschheit stand.

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