Kaiserslautern Tanztheater muss wegen Corona mit Orchestermusik vom Band auskommen

Applaus für die Tänzer und das Regieteam: Vorn Tanzdirektor James Sutherland, der seine letzte Produktion am Haus feiert, dahint
Applaus für die Tänzer und das Regieteam: Vorn Tanzdirektor James Sutherland, der seine letzte Produktion am Haus feiert, dahinter ein Teil des Tanzensembles mit der Figur Kassandra, die von den beiden Hauptrollen Nina Schopka (Sprechrolle) und Camilla Marcati (Tanzrolle), rechts im Bild, aufgeführt wird.

Selbst „Kassandra“, die trojanische Prinzessin und Seherin aus der griechischen Mythologie, hatte es nicht vorausgesehen: Kurz vor der Premiere zur Uraufführung von James Sutherlands gleichnamigen Tanztheater am Samstag im Großen Haus des Pfalztheaters hatte Corona zugeschlagen. Zwei Orchestermitglieder waren betroffen. Das Theater fand einen Weg, die Premiere trotzdem stattfinden zu lassen.

Das Publikum erlebte einen Tanzabend, der mit szenenweise geradezu berauschender Orchester-Musik vom Band tief beeindruckte. Als die Interpretin der Titelpartie, die Solotänzerin Camilla Marcati, nach zweieinhalb Stunden – inklusive Pause – von ihrem Alter-Ego, der Schauspielerin Nina Schopka, zur Statue eingemauert auf der Bühne stand, applaudierten die Zuschauer minutenlang.

Eine Premierenfeier, die das Publikum früher immer gerne zum Meinungsaustausch untereinander genutzt hatte, war unter den aktuellen Corona-Bedingungen erneut nicht möglich. Die RHEINPFALZ hat deshalb Eindrücke der Besucher bereits in der Pause nach den ersten 45 Minuten erfragt.

Lob für das Theater, die Premiere durchzuziehen

„Hut ab zum Mut des Pfalztheaters, das so durchzuziehen“, lobte Jessica Avarello. Die Entscheidung sei richtig gewesen. Ausgesprochen „powerful“ hatte sie die Stärke und Ausdauer erlebt, die die Tänzer auf der Bühne für sie ausdrückten.

„Sehr eindrucksvoll und auch soundtechnisch sehr gut umgesetzt“, lobte ihr Begleiter David Mudra die Interpretation der klassischen Vorlage durch Tanzdirektor Sutherland. Tief berührt hatte ihn, wie ergreifend eine Körpersprache sein könne und welch starke Emotionen sie wecke. Sehr dramatisch fand er außerdem, wie das Bühnenbild um kurze Katastrophenszenen ergänzt ist, die ein Beamer zwischendurch in den Hintergrund projiziert.

Er sei zwar kein Tanzexperte, erklärte Wolfgang Schumacher, kenne aber die Erzählung von Christa Wolf, nach deren Motiven Sutherland seine „Kassandra“ erzählt. Das Pfalztheater habe Wolfs Stück vor Jahren auf der Werkstattbühne aufgeführt. Die Doppelbesetzung der Kassandra funktioniere gut. Interessant fand er, wie mit Worten und im Tanz diese innere Auseinandersetzung der Kassandra zum Ausdruck gebracht werde. Die Musik, unter anderem mit Werken von John Cage und Philip Glass, die man so kaum höre, hatte ihn schlicht begeistert.

„Beeindruckend dieser Ideenreichtum im Vergleich zum klassischen Tanz“, fanden Erich und Marianne Schmitt, wie „mit akrobatischer Tanzweise“ Kriegszustände sehr bedrohlich und eindrucksvoll dargestellt sei. Auch die Musik stelle ganz hervorragend die Krisen dar. Sie wollen das Stück an ihren Fitness-Trainer weiterempfehlen, erklärten sie schmunzelnd: „Für neue Impulse.“

„Ein kleines bisschen kompliziert“ hatte Jannik bis dahin die „Kassandra“ auf der Bühne erlebt. Als „Theaterstarter“ am Pfalztheater, der sich sehr fürs Theater interessiert, erlebte der Zehnjährige gemeinsam mit seiner Mutter Nicole Wagner am Samstag seinen ersten Tanzabend. Mimik und Gestik auf der Bühne fand er zwar spannend. Aber ganz so, wie bis dahin auf der Bühne erlebt, hatte er sich das doch nicht vorgestellt. Es gehe wohl um Krieg, aber das werde er später im Gespräch mit der Mama noch herausfinden.

Fans aus Pforzheim extra wegen Sutherland angereist

Aus Pforzheim, wo James Sutherland über fast 20 Jahre als Tanzdirektor beschäftigt war und immer noch bekannt ist, waren ihm zahlreiche Fans und Freunde zur Uraufführung im Pfalztheater nach Kaiserslautern „nachgereist“. Anfänglich seien sie enttäuscht gewesen, dass das Orchester nicht spiele, gestand ein persönlicher Freund. Tatsächlich könnten sie sich so besser auf die Bilder konzentrieren. Die Idee, Kassandra mit ihrem Alter-Ego darzustellen, sei originell und erleichtere es, dem Geschehen zu folgen.

Als „ungeheuer spannungsvoll“ hatte der Besucher die Musik erlebt, vor allem in der Szene, in der der Palast brennt, dazu die Steigerung der Gewalttätigkeit mit der Krieger um Troja kämpfen. Die Schauspielerin bringe mit ihrer Stimme zusätzliche Emotionalität in das Stück.

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