Kaiserslautern Rufe und Antworten

Die protestantische Schlosskirche Neuhemsbach von 1739 thront mit berechtigtem Stolz über dem malerischen Ort und ist als barockes Juwel zudem denkmalgeschützt. Dass sie neben dem besonderen Fluidum auch eine hervorragende Akustik hat, spürten die überaus vielen Konzertbesucher, als der Trippstadter Chor Go-Spirit am Sonntagabend die Grundmauern erschütterte.

Einen beabsichtigten programmatischen „Kontrapunkt“ zu barocken Chorälen, Oratorien, Passionen und Messen erlebte das dicht gedrängt sitzende Auditorium, als der Frontsänger und Leiter Jerome Harris für die elektrisierenden Gospels und Spirituals den Ton angab. Viele sind inzwischen zu Evergreens geworden und luden einige Besucher sogar zum Mitsingen ein. Eine ekstatische Intensität, auch tänzerisch beschwingt und laut mitklatschend ausgelebt, bildete den deutlichen Kontrast zu konventioneller Kirchenmusik. Und doch ist die religiöse Botschaft die Gleiche, wie die fundierten Einführungen der Choristen zu den Wurzeln dieser afroamerikanischen Singbewegung wieder bewusst machten. Den Ursprüngen folgend, als für die versklavten Land- und Fabrikarbeiter(familien) Instrumente aus Sicherheitsgründen verboten waren, setzt der aus rund 20 Vokalisten bestehende Chor auf die unbegleitete A-cappella-Tradition. Lediglich einige handbetätigte Perkussioninstrumente dienen dem rhythmischen Impuls, doch der teilt sich oft auch nur durch Klatschen und rhythmisches Bewegen mit. Dabei entsteht eine Intensität, der man sich nicht entziehen kann. Das sichere Aufnehmen der thematischen Vorlagen des Vorsängers und Solisten Jerome Harris zeigt, dass diese Trippstadter Choristen ein vorgegebenes Grundtempo bei entsprechender Intonation sicher aufnehmen können und dabei zu klanglicher Homogenität und Expressivität verschmelzen. Dieses Call-and-response-Prinzip (Ruf-Antwort-Form) ist das typische Moment für den authentischen Spiritualvortrag und wird hier stilistisch authentisch zelebriert. Der Chor hat jedoch viele Solisten in seinen Reihen, die bei Bedarf Episoden singen können und sich dabei ebenfalls durch hohe stimmliche Qualität auszeichnen. Außerdem können überzeugende kleinere Vokalensembles wie etwa ein Frauenduett gebildet werden, so dass eine abwechslungsreiche Vortragsfolge entsteht. Dies aber auch deswegen, weil „Klassiker“ wie „Kum ba yah my lord“ (Herr komm zu uns) oder „Glory Hallelujah“, um nur zwei der bekanntesten zu nennen, in neuen Arrangements interpretiert werden. Ungewohnte Harmoniefolgen, eigenwillige melodische Weiterführung und improvisiert wirkende freiere Passagen zeigen einmal mehr, wie lebendig diese Musikart sein kann, wenn sie kreativ umgestaltet wird. Was durchaus den ursprünglichen Gestaltungsmöglichkeiten etwa bei der Arbeit auf Baumwollfeldern entspricht. Obwohl die klangliche und intonatorische Ausgewogenheit die eigentliche Stärke dieses Chors bildet, lebt und profitiert er doch in ganz erheblichem Maß von der charismatischen Ausstrahlung des Leiters, Frontsängers und Solisten Jerome Harris. Der Ausnahmekünstler trifft immer den passenden Tonfall, reißt alle mit und begeistert vor allem durch seine wandlungsfähige und ausdrucksstarke Stimme mit Soulcharakter.

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