Kaiserslautern Nur nackte Frauen: Khubra Khademi in der Pfalzgalerie

Khubra Khademi bildet ab, was in Afghanistan nicht gezeigt werden darf: „Front Line Quadriptyque“ (Ausschnitt).
Khubra Khademi bildet ab, was in Afghanistan nicht gezeigt werden darf: »Front Line Quadriptyque« (Ausschnitt).

Die Lauterer Pfalzgalerie widmet der Künstlerin Khubra Khademi die weltweit erste Einzelausstellung. Soeben hatte die in Paris lebende Afghanin einen Auftritt auf der Documenta. Die 33-Jährige versucht sich in unterschiedlichen Ausdrucksformen von Malerei bis „Performance“. Immer geht es ihr um Freiheit und die Gleichberechtigung der Geschlechter. Im RHEINPFALZ-Interview spricht sie über ihren emanzipatorischen Anspruch.

Die farbenfrohen, naiv anmutenden Bilder von Khubra Khademi zeigen vor allem nackte Frauenkörper, die in ihrer fast kindlichen Darstellung jedoch nicht sexuell aufreizen. Vielmehr steht der weibliche Akt als Sinnbild für Freiheit und Selbstbewusstsein in einer gewalttätig-repressiven Männerwelt. Scheinbar in aller Unschuld zeigt Khademi ihre individuelle Reaktion auf ein brutales Patriarchat, wie es in ihrem Heimatland die radikal fundamentalistischen Taliban durchsetzen wollen.

Ihre Ausstellung hat sie deshalb „Political Bodies“ (politische Körper) genannt. Die RHEINPFALZ hat Khademis wiederkehrende Motive im Vorbericht zur Ausstellung als „feministischer Pornografie“ bezeichnet (Ausgabe vom 24. Juni). Die provokante Wortwahl löste eine überraschend vehemente Diskussion um die Wirkung gequälter, blutender, kämpferischer und zugleich lebensfroh versonnener weiblicher Nacktheit aus. Khubra Khademi selbst beobachtet die Debatte eher gelassen, wie sich im RHEINPFALZ-Gespräch am Rand der Ausstellungseröffnung in Kaiserslautern zeigte.

Frau Khademi, sind Ihre Bilder pornografisch?
Aber nein, auf gar keinen Fall. Es geht nicht um Sex, sondern den weiblichen Körper als Symbol unserer Identität. Ich sehe mich als Feministin. Die Frauenrechte müssen erkämpft werden, und zwar nicht nur in Afghanistan. Es gibt so viele Arten von Gewalt. Dagegen anzugehen, ist nicht mutig, sondern notwendig.

2015 sind sie mit einer Eisenrüstung, die ihren Oberkörper abdeckte und zugleich Busen und Hintern betonte, durch Kabul marschiert. Die folgenden Anfeindungen haben sie ins Exil getrieben. Aber Sie halten an Ihrer Kunstauffassung fest, oder?
Meine Arbeit ist tief in meiner Lebensgeschichte verankert. Ich habe schon als Kind gelernt, dass ich zurücktreten muss, weil ich ein Mädchen bin. Unsere Religion gibt Männern alle Freiheit und unterwirft Frauen der absoluten Kontrolle. Niemand verlangt von einem Mann, dass er Jungfrau bleibt bis zur Eheschließung. Die Mädchen kriegen schon beim Laufenlernen gesagt, dass sie die Beine nicht zu weit spreizen sollen. Diese Denkweise bestimmt ihre komplette Identität.

Sie wollen also mit Ihren Bildern den Frauen mehr Selbstbewusstsein geben?
Seit ich vor sechs Jahren nach Europa gekommen bin, höre ich immer wieder, dass ich die allererste Frau aus Afghanistan bin, die meine Gesprächspartner zu Gesicht bekommen. Das brachte mich zum Nachdenken über meine Identität und die Frage, wie diese in der Welt wahrgenommen wird. Mein Land ist bekannt, aber es gibt kaum Bilder, auf denen Frauen zu sehen sind. Stattdessen sind ausschließlich Männer, Taliban, Kriegs- und Feldherren abgebildet. Ich gehe deshalb der Frage nach, was es heißt, afghanisch zu sein und Frau zu sein. Meine Themen sind Gender-Fragen und der Feminismus.

Dabei bedienen Sie sich der Malerei, der Textilgestaltung, Foto- und Videoaufnahmen.
Die erste Zeichnung einer Frau habe ich mit fünf Jahren angefertigt. Damit habe ich keine Absicht verfolgt. Es passiert einfach. Heute arbeite ich in mehreren Disziplinen. Ich will bei meiner Arbeit meinen Körper benutzen. Ich schaffe Situationen, in denen der Betrachter die Dinge infrage stellen soll, vor allem den Begriff der Gewalt. Es geht weniger darum, mich selbst zu verletzen. Vielmehr will ich sinnstiftend Grenzen überschreiten.

Die Grenzüberschreitung geht bei Ihnen tatsächlich häufig mit der Darstellung von Gewalt einher. In „Performances“ haben Sie sich außer dem Auftritt mit der Rüstung minutenlang vor Publikum geohrfeigt oder mit einem Hundehalsband an einen Pflock geleint. Warum?
Wenn man in einer gewalttätigen Gesellschaft lebt, wird die Gewalt nicht zum Thema gemacht. Sie ist einfach immer da. In der Nachbarschaft verprügelt ein Mann seine Frau, aber wir bezeichnen das als Familienangelegenheit. Niemand sagt etwas, niemand greift ein. Meine Kunst hat sehr viel damit zu tun. Ich arbeite mit meinem Körper und male Frauenkörper, die meist nackt sind, weil ich ihre weibliche Identität möglichst intensiv betonen will. Sie sind sehr präsent und auch immer triumphierend.

Trotz dieser plakativen Nacktheit haben Ihre Bilder eine märchenhaft beschwingte Note. Sie wirken wie der friedvolle Gegenentwurf zu einer brutalen Männerwelt. Ist das tatsächlich Ihre Intention?
Jedenfalls strebe ich die Provokation nicht an. Ich will einen Teil meiner Kultur zeigen. Wenn Frauen in meiner Heimat unter sich sind, sprechen sie durchaus auch über Erotik, aber mit Humor und Poesie und in Metaphern. Das ist sehr wichtig. Wir drücken uns lustig aus, wenn wir über Sex reden. Also geht es mir nicht darum, subversiv zu sein, sondern vor allem kreativ. Wie ich jetzt zeichne, mache ich es wirklich gern. Es ist wie eine Rückkehr zu meinen Kinderzeichnungen. Aber heute ist es freier und fantasievoller.

Info

Die Ausstellung „Khubra Khademi. Political Bodies“ ist noch bis 11. September zu den üblichen Öffnungszeiten im Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern (mpk) zu sehen.

Der Katalog (160 Seiten, 29,90 Euro) ist im Hirmer-Verlag erschienen; zusammengestellt und herausgegeben von der Pfalzgalerie-Kuratorin Hanna G. Diedrichs genannt Thormann.

Friedlicher Gegenentwurf: Während die Taliban im afghanischen Parlament keine Frauen mehr zulassen, füllt Khubra Khademi das Ple
Friedlicher Gegenentwurf: Während die Taliban im afghanischen Parlament keine Frauen mehr zulassen, füllt Khubra Khademi das Plenum ausschließlich mit Geschlechtsgenossinen.
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