Kaiserslautern Mittendrin statt nur abseits

Schwieriges Thema. Aber wichtig natürlich. Im Mainzer Zentrum für Baukultur haben diese Woche die Preisträger des Architekturwettbewerbs „Mehr Mitte bitte“ ihre Projekte vorgestellt. Es geht um das Wohnen und Leben in ländlichen Ortskernen von fünf rheinland-pfälzischen Gemeinden. Verantwortlich dafür ist das Landes-Finanzministerium, das den Wettbewerb zusammen mit dem Gemeinde- und Städtebund und der Landesarchitektenkammer ausgelobt hat. Zu den Gewinnern gehören einige Pfälzer Büros – und Eisenberg.

Eisenberg, die Stadt im Landkreis Donnersbergkreis, ist alt. In vorrömischer Zeit schon wurde im Eisenberger Becken Eisen verhüttet; deshalb auch der Name. Erste urkundliche Erwähnung als „Isanburc“, im Jahr 763. Die Stadt hat von der Industrialisierung profitiert. Vor allem vom Gienanth’schen Eisenwerk und dem Ton und Klebesandabbau. 1998 dann ist ein Industriepark gebaut worden. Der Ort scheint beliebt zu sein und hat einen engagierten Bürgermeister. 10.000 Menschen leben dort, 30 Kilometer weit weg von Kaiserslautern. Nach Mainz sind es 60 Kilometer, nach Frankfurt etwa 100. Die Lage ist wichtig. Immer mehr Familien ziehen in das Umland von Großstädten, wo sie sich das Wohnen, ein Eigenheim insbesondere, noch leisten können. Aber nur dorthin. Der ländliche Raum, der abseits liegt dagegen, ist von Fluchtbewegungen in Mitleidenschaft gezogen. Als Richtwert für das Infragekommen gilt eine gerade noch akzeptable Entfernung von 45 Minuten Autofahrzeit. Alles weiter weg, bleibt außen vor. Eisenberg hat also anders als viele Dörfer und Kleinstädte auch in der Pfalz gute Voraussetzungen, die Demografie zu „überleben“. Im Allgemeinen spricht sie gegen den ländlichen Raum. Nackte Zahlen: Als ländlicher Raum gelten 98 Prozent der Erdoberfläche. Aber nur knapp die Hälfte der Weltbevölkerung lebt dort. Die anderen? Städter. Auch bei uns ein ähnliches Bild, 18 Prozent, sagt die Statistik, der deutschen Bevölkerung beansprucht 60 Prozent der Fläche. Tendenz, im ländlichen Raum wohnen immer weniger. Drei Viertel der Gemeinden sind in den vergangenen 15 Jahren geschrumpft. Es ist fast paradox, die Dorfbevölkerung schwindet, die erfolgreichste deutsche Zeitschrift heißt „Landlust“, Auflage über eine Million Exemplare. In Großstädten wird das Landleben nachgestellt und im Hochbeet Gemüse hochgezogen, als sei es ein Nutzgarten in Käshofen. Obwohl oder auch vielleicht gerade, weil immer mehr Deutsche im Urbanen leben, ergeben Umfragen vermehrt „das Land“ als bevorzugter Wohnort. Anscheinend existiert eine romantische Vorstellung davon. Das Bild eines selig machenden Rückzugsgebiets im Prinzip, wie es sich in der bieder gehaltenen „Landlust“ durchpaust, in der es ums Eingemachte geht, um Erdkeller, Linolschnitt und Fackelständer. Vor Ort selbst herrschen stattdessen oft Formen der Trostlosigkeit vor. Grabesstille wochentags in den Gassen mit den schmucken Fachwerkhäusern, die von Städtern als Ferienhäuser genutzt werden. Wo es nicht so schön ist, bleibt vor allem in den Ortskernen Verfall übrig, Brachen. Ruinen. Große Teile der arbeitenden Bevölkerung sind weggezogen. Viele Rentner wollen lieber in der Stadt wohnen, mit Arzt und Theater nebenan. Nachkommen verzichten mehr oder weniger darauf, ihr einheimisches Erbe anzutreten. Auch in Katzenelnbogen, im Rhein-Lahn-Kreis, stehen mittendrin Gebäude leer. Die Kleinstadt mit über 2000 Einwohnern gehört wie Eisenberg zu den Orten, die unter 30 Bewerbern für den aufwendigen „Mehr Mitte bitte“-Wettbewerb ausgewählt worden sind. Die fünf Auserwählten konnten einen privaten Investor vorweisen, der ein städtebaulich relevantes Projekt mit mindestens 60 Prozent Wohnanteil vorhat. So waren die Vorgaben. Dem Ort Sembach bei Kaiserslautern, der sich auch gerne beteiligen würde, fehlt es noch an einem Bauherren für ein Grundstück im historischen Ortskern. Einen aufgetrieben haben unter anderem Gillenfeld in der Vulkaneifel mit 1425 Einwohnern, Hochstetten-Dhaun, die Ortsgemeinde (1600 Einwohner) liegt im Kreis Bad Kreuznach. Und Freudenburg im Landkreis Trier-Saarburg. Bauaufgabe dort ist der Umbau eines ehemaligen Gasthauses, eines der wenigen Gebäude, das noch seinen ursprünglichen Charakter bewahrt hat. Die historische Stadtmauer läuft mittendurch. Gewonnen hat den Architekturwettbewerb, bei dem auch Baumeister aus Basel oder München Entwürfe eingereicht haben, Müllers Büro aus dem südpfälzischen Vollmersweiler. Im Mainzer Zentrum für Baukultur zeigte Inhaber Ralf Müller die Pläne für einen denkmalgerechten Umbau vor. Eine Terrasse verlängert das Gasthaus nach draußen. Das barocke Gebäude soll wieder einen Sockel haben. Die Anmutung der Fassade bleibt. In den strikt getrennten Wohnbereich gelangt man nach den Plänen über ein an die Stadtmauer angedocktes Treppenhaus. Das dadurch verdeckte Mauerstück wird mit einem Element aus Stahlplatten „ersetzt“. Im Gasthaus selbst wird die freigelegte Stadtmauer umspielt. Ein Impuls könnte das Update des Gebäudes aus dem 18. Jahrhundert sein. Dafür, dass es weitergeht mit der Gemeinde mit rund 1600 Einwohnern, die auf einem Ausläufer des Eiderbergs angesiedelt ist. Ihre Wurzeln gehen zurück bis ins 14. Jahrhundert. Damals wurde dort eine Burg errichtet, von der aus die Straße Metz-Trier kontrolliert wurde. Momentan ist Ralf Müller von Müllers Büro aus Vollmersweiler „in guten Gesprächen“, wie er in Mainz sagte. Vielleicht gibt ja der Investor bald sein Okay für den Bau. Für den Ort wäre es Anlass zur Freude. Wie sich in der Vergangenheit gezeigt hat, ist schon manches Kaff, das im Abseits liegt, mit einer Eigeninitiative wie in Freudenburg in der Lage gewesen, wieder für Zuzug zu sorgen. Dann kümmern sich Privatleute darum, dass ein Waldkindergarten aufmacht und der Dorfladen offenbleibt. Die Landfrauen organisieren sich Pilateskurse und Mitglieder des Männergesangsvereins bauen mit Flüchtlingen eine Begegnungsstätte. Oder eine Genossenschaft zieht, wie es das Projekt „Florinshof am Pulvermaar“ in Gillenfeld in der Vulkaneifel vorsieht, auf einem freien Grundstück im siechen Ortskern eine Generationenwohnanlage hoch. Mit Platz für seniorengerechte und barrierefreie Ein- und Zweipersonenhaushalte, eine betreute Wohngruppe sowie Gemeinschaftsräume und eine gewerbliche Einheit, in die zum Beispiel ein Pflegedienst einziehen kann. Den Architekturwettbewerb dafür hat das Kaiserslauterer Büro AV1 Architekten gewonnen, das normalerweise in größeren Dimensionen plant und baut. Eine Kindertagesstätte in Alzey etwa, für das das Büro mehrfach ausgezeichnet worden ist. Oder die Atelierhäuser der Bauhausuniversität Weimar, für die die AV1-Architekten den Staatspreis des Landes Thüringen bekamen. Üblicherweise sind die Architekturen von Jürgen Butz, Boris Dujmovic, Michael Schanné und Albert Urig auch von hoher Signifikanz. Das zueinander versetzte und leicht ausgedrehte Gebäudepaar für Gillenfeld wirkt mit seinen geneigten Dächern, der Putzfassade, den Holzfenstern dagegen eher zurückhaltend. Es soll auf einem innerörtlichen Grundstück stehen, das auch als Festplatz dient und auf dem ein altes Backhaus übriggeblieben ist. In Mainz erläuterte Michael Schanné die Pläne. Gemeinschaftliches Wohnen ist darin geradezu inszeniert. Die Zeichnungen und Modelle zeigen eine klare Architektursprache, großzügige Wohnbereiche mit Öffnungen auf zwei Seiten. Loggien, Spielraum für Licht. Im Erdgeschoss ergeben sich Einblicke in die Frei- und Aufenthaltsbereiche der Anlage, die danach drängen, genutzt zu werden. Die Chancen, dass gebaut wird, stehen jedenfalls gut. Noch besser ist dagegen die Lage in Eisenberg, wo demnächst wohl der erste Spatenstich für den ersten Teil eines Ensembles von drei Wohnhäusern ansteht. „Wohnen in der Gass“, nennt sich das Vorhaben. Gebaut von der Tremmelhaus GmbH Kaiserslautern, die wie alle privaten Bauherren von dem Wettbewerb durch die Ausweitung des Bewerberkreises und die hochkarätige Jurierung der Einreichungen profitiert. Gewonnen hat das junge Büro Bau Eins Architekten aus Kaiserslautern. Bauplatz ist ein Grundstück unweit des Markplatzes. Autos parken. Der Rasen, ein Bolzplatz. Drumherum Ein- und Zweifamilienhäuser aus der Nachkriegszeit. Keine engen Gassen, Fachwerk, Altstadt. Eher eine „Wirtschaftswunderwelt“, wie der Architekt und Autor Wolfgang Kil im Katalog zum „Mehr Mitte, bitte“-Wettbewerb schreibt. Wenn es so kommt, wie von Dennis Andernach und Nicolas Bahnemann vom Büro Bau Eins Architekten geplant, werden demnächst zwei dreigeschossige Wohnhäuser und ein zweigeschossiges hinzukommen. Sie orientieren sich in Ausrichtung und Staffelung an einem leicht überdimensionierten Bürgerhaus, einer ehemalige Turnhalle, das das Grundstück an einer Seite begrenzt. Zueinander verschoben stehen die drei Häuser mit großen Fenstern, komfortablen Balkonen und Dachterrassen in den Plänen, die Dennis Andernach in Mainz vorzeigte. Jedes mit Garten. Alle Wohnungen sind barrierefrei, versteht sich. Das Bürgerhaus erreicht man über eine Rampe, die auf einen Platz vor dem Bürgerhaus führt. Auch das wird umgebaut. Im Untergeschoss soll ein Café aufmachen, im Obergeschoss sind Wohnungen mit Terrassen vorgesehen. Gute Ausblicke für die Stadt. Entsprechend enthusiastisch war der Eisenberger Bürgermeister Adolf Kauth bei der Mainzer Veranstaltung. Wie er verriet, muss die Stadt sich für den zweiten Bauabschnitt des Ortskernprojekts zwischen zwei Investoren entscheiden. Die Ausstellung Die prämierten Projektpläne des Architekturwettbewerbs „Mehr Mitte bitte“ sind noch bis zum 30. November in einer Wanderausstellung im Zentrum für Baukultur in Mainz zu sehen. Weitere Informationen unter www.zentrumbaukultur

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