Kaiserslautern Kitsch gegen die Krise

Am Samstag war Großkampftag an den deutsch-österreichischen Opernbühnen. Wichtige Premieren gab in Wien, Salzburg, Baden-Baden und Berlin. 3sat und Arte hatten Fernsehkameras in den beiden Festspielhäusern in Salzburg und Baden-Baden postiert. An der Salzach wurden im großen Festspielhaus die zweiten Osterfestspiele unter der Leitung von Christian Thielemann eröffnet – im Strauss-Jahr 2014 standesgemäß mit einer exquisit besetzten „Arabella“. Die prominentesten Namen unter den Solisten enttäuschten jedoch eher, genau so wie die eher uninspirierte, gestrige und überhaupt nicht mutige Regie von Florentine Klepper.

„Garmisch, 12. Oktober 1932“, hat Richard Strauss unter den letzten Aufzug seiner „Arabella“ geschrieben. Man fasst dies nicht. Will einfach nicht glauben, dass er völlig unbeeindruckt von den Ereignissen um ihn herum seinen Weg stoisch weitergeht. Schönberg, Berg, Webern, ja auch der junge Strauss selbst in seiner „Salome“, seiner „Elektra“ haben schon längst moderne Musik komponiert, in der sich die Schrecken des Ersten Weltkriegs ebenso spiegeln wie sie das bevorstehende Grauen antizipieren. Und Strauss schreibt, wenige Monate vor Hitlers Machtergreifung, eine Musik, die so gar nichts weiß vom Bösen in dieser Welt. Er wird das bis an sein Lebensende nicht mehr ändern – und man kann ihn auch ein kleines bisschen lieben dafür. Vor allem, wenn er so gespielt wird wie von der Sächsischen Staatskapelle am Samstagabend unter der Leitung ihres Chefdirigenten Christian Thielemann. Man glaubt ja immer, Thielemann könne nur Pathos und Emphase, also Überwältigung durch Orchester-Ekstase. Es ist aber vielmehr eine Verzauberung durch Blendung. Alles glänzt und glitzert, kleinste Details ebenso wie große melodische Linien. Thielemann trifft den Strauss-Ton, wenn es um melancholisch verschattete Walzerseligkeit, aber auch wenn es um die großen Gefühle geht, die bei Strauss ganz ungeniert offen ausgestellt werden dürfen. Manchmal, und das kennt man von Thielemann eigentlich gar nicht, geht die Begeisterung mit ihm durch, und er animiert das wunderbar klingende Orchester zu einem derartig enthusiastischen Spiel, das die Sänger mitunter in Schwierigkeiten bringt. Thielemann hat sich eine exklusive Besetzung zusammengestellt, mit zwei Weltstars an der Spitze: Renée Fleming in der Titelpartie und Thomas Hampson als Mandryka. Vor allem Hampson hat mitunter Mühe sich durchzusetzen, die Partie liegt offenkundig einfach zu hoch für ihn. Auch bei Renée Fleming hat man in ganz wenigen Momenten Zweifel, ob die Stimme noch die nötige Frische und Leichtigkeit für eine Arabella mitbringt. Diese Zweifel verfliegen jedoch vor allem nach der Pause. Dazu kommen noch ein ungemein präsent wirkender Albert Dohmen als Graf Waldner und ein mit fantastischen Spitzentönen begeisternder Daniel Behle. Und da wäre da noch eine junge Sängerin aus dem pfälzischen Dannstadt-Schauernheim, die bei ihrem Salzburg-Debüt vom Publikum zu Recht gefeiert wird: Hanna-Elisabeth Müller als Zdenka. Im großen Duett mit Arabella im ersten Aufzug ist es vor allem ihre Stimme, die für die typischen Strauss-Gänsehautmomente sorgt. Die sehr massenkompatible und vor allem dem konservativen Geschmack gerade der Osterfestspiele entgegenkommende Regie von Florentine Klepper ist eine Art Handlungsanweisung für krisenfeste Beziehungen. Das Ganze dank der Kostüme von Anna Sofie Tuma und der Bühne von Martina Segna in historisierendem Gewand. Die Geschichte spielt, etwas später als im Libretto angelegt, um 1900 in Wien in einem leicht heruntergekommenen Hotel. Die Bühne lässt sich hin und herfahren, so dass Simultanszenen möglich sind – aber nicht unbedingt nötig wären. Denn letztlich verdoppeln sie nur die szenische Harmlosigkeit, die an manchen Stellen Gefahr läuft, zur Belanglosigkeit zu werden. Einen interpretatorischen Zugriff sucht man vergebens, hier wird vielmehr die Strauss-Partitur samt Regieanweisungen in Bilder umgesetzt. Spannendes Musiktheater sieht jedenfalls bestimmt ganz anders aus. Zumindest misstraut die Regie dem allzu schnellen Glück zwischen Arabella und Mandryka, das in der Verlobung nach wenigen Minuten Gespräch gipfelt. Dass dies vielleicht etwas zu schnell gegangen sein könnte, zeigen zweiter und dritter Aufzug. Hier haben die Liebenden einen ersten Härtetest zu bestehen. Schon bevor sie in den Ehehafen einlaufen, kriselt es gewaltig, was die Regie in einer Art surrealistischem Traumtheater verdeutlicht. Doch wenn der Spuk vorbei ist, kommt Strauss mit seinen selig machenden Melodien wieder zu Wort. Ein leicht kitschiges Happy End ist die Folge.

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x