Kaiserslautern Kaiserslauterer Institut hilft, HIV-Terapien zu verbessern

Von außen ist das Gerät, das für die Sequenzierung zuständig ist, nur ein grauer Kasten. Die Kunst ist es, die Datenmengen, die
Von außen ist das Gerät, das für die Sequenzierung zuständig ist, nur ein grauer Kasten. Die Kunst ist es, die Datenmengen, die es liefert, richtig zu interpretieren und auszuwerten, beispielsweise um Therapien von HIV-Patienten zu steuern, erklärt Labormediziner Bernhard Thiele.

HIV-Infektionen spielen in Kaiserslautern eine große Rolle – nicht in der Bevölkerung, sondern in der Forschung. Das Institut für Immunologie und Genetik hat Zehntausende Proben auf das Virus getestet und besitzt den wohl weltweit größten Datensatz. Wie die Arbeit der Experten hilft, Therapien zu verbessern.

Die Zeiten, in denen Menschen aufgrund einer HIV-Infektion eine deutlich geringere Lebenserwartung hatten, sind vorbei. Wie die Deutsche Aidshilfe mit Verweis auf eine Studie schreibt, können junge HIV-Infizierte, die frühzeitig behandelt werden, mit einer nahezu normalen Lebenserwartung rechnen. Zu dieser Entwicklung habe insbesondere die Vielfalt wirksamerer, verträglicherer Medikamente beigetragen.

Mit der Verbesserung der Therapien beschäftigt man sich auch im Institut für Immunologie und Genetik (IIG) am Pfaffplatz in Kaiserslautern, das 1997 von Bernhard Thiele gegründet wurde. Schon zuvor hatte sich der Labormediziner, der am Robert-Koch-Institut gearbeitet hat, mit HIV beschäftigt. Diese Arbeit wollte er fortsetzen, als er vor über 20 Jahren nach Kaiserslautern kam. Obwohl die Stadt, anders als etwa Berlin, „sicher kein HIV-Hotspot war“, sagt Thiele, der zunächst eine Kooperation mit der Infektambulanz des Westpfalz-Klinikums einging. Die Viruslast-Messung war ein Anfang, erinnert er sich.

Technik allein reicht nicht aus

Stück für Stück machte sich das Institut auch durch Kooperationen auf diesem Gebiet einen Namen und war laut Thiele 2008 die einzige Einheit dieser Größe, die Next-Generation-Sequency (NGS), auch massive, parallele Sequenzierung genannt, anbot. „Das gab es sonst nur in Großforschungseinrichtungen“, betont Thiele. Dabei handelt es sich um eine verbesserte Form der DNA-Sequenzierung, also der Entschlüsselung des Erbgutes. Mithilfe der NGS kann ein menschliches Genom binnen eines Tages, also deutlich schneller als zuvor, entschlüsselt werden.

„Es reicht aber nicht, so ein Gerät zu haben, man muss die Klaviatur der technischen Möglichkeiten beherrschen und darauf spielen können“, sagt Thiele. Dabei komme es auch auf die Qualität der Bio-Informatik an. Schließlich müssen aus dem Wust an Daten, die bei dem Verfahren anfallen, die richtigen Schlüsse gezogen werden. „Stellen Sie sich vor, Sie schreddern 10.000 identische Bücher vom Umfang einer Bibel und dazu ein anderes Buch“, verdeutlicht Thiele. Aufgabe der Bio-Informatik ist es dann, die Teilchen zu sichten, Muster, Besonderheiten und Auffälligkeiten zu finden und je nach Fragestellung der Kunden zu interpretieren.

Prognose, welche Therapie anschlägt

Diese Technik wird am Institut unter anderem eingesetzt, um Proben von Menschen zu untersuchen, die mit HIV und Hepatitis B oder C infiziert sind. Das HI-Virus schädigt das Immunsystem der Menschen, was ohne Behandlungen zu schweren Krankheiten, zu Aids führt. Durch HIV-Therapien versucht man, die Viruslast gering zu halten, um negative Folgen für die körpereigene Abwehr zu minimieren. Nach einer gewissen Zeit können HI-Viren allerdings Resistenzen entwickeln, erklärt Thiele. Die Medikamente wirken dann nicht mehr. Es kommt zu einem sogenannten Therapiedurchbruch. Um diesen zu entdecken, muss regelmäßig die Viruslast gemessen werden. Im Institut leistet man aber mehr. Mittels NGS können die Experten herausfinden, welche Resistenzen das Virus gebildet hat. Daraus lässt sich ableiten, welche Therapien nicht mehr anschlagen.

Durch diese Methode könne man aber nicht nur die Resistenzen des Mehrheitsvirus untersuchen, sondern auch die von Virusvarianten, die sich im Körper gebildet haben, erläutert Diplom-Biologe Martin Däumer vom IIG. Zudem lasse sich nach einer Infektion herausfinden, welche Resistenzen bereits beim Überträger vorlagen, ergänzt Thiele. Dank der gesammelten Daten können die Experten nachweisen, dass eine Therapie nicht mehr anschlägt, aber auch vorhersagen, welche stattdessen erfolgversprechend ist. Die Analysen des IIG werden also zurate gezogen, wenn Therapien umgestellt oder begonnen werden.

Zusammenarbeit mit Weltmarktführer

Bei einer kleinen Einheit, deren Expertise allenfalls in Fachkreisen bekannt ist, „kommen die Auftraggeber nicht mit wehenden Fahnen“, sagt Thiele. Inzwischen arbeite das IIG aber sogar für den Weltmarktführer bei HIV-Therapien. Der US-Konzern, dessen Namen Däumer nicht nennt, habe eine Marktkapitalisierung von 80 bis 90 Milliarden Dollar. Wenn man wisse, wie ungern sensible Daten aus den USA an ausländische Firmen herausgegeben werden, werde deutlich, welches Vertrauen das IIG genießt, so Thiele. „Das war aber ein langer Prozess“, sagt der Mediziner. Mit speziell zugeschnittenen Tests und Verfahren unterstützt das Institut den Konzern beispielsweise bei der Zulassung von Medikamenten bei der US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel (FDA). Der musste man zunächst aufzeigen, was das in Kaiserslautern angewandte Verfahren leistet und wie die Ergebnisse zu interpretieren sind. Unterliefen bei solchen Verfahren Fehler, sei der Schaden immens, wissen die Experten um die Brisanz solcher Aufträge.

Dass das Institut aber mit dem Weltmarktführer zusammenarbeitet, zeige das Renommee, das man sich erarbeitet hat, sagt Thiele. Daran haben die rund 60 Mitarbeiter einen erheblichen Anteil. „Wenn wir Kunden hier haben, fragen die häufig, wo haben Sie die Leute her?“, verrät Thiele schmunzelnd. Teile des Teams kommen wie Martin Däumer, der seit 2007 in Kaiserslautern ist, aus dem Umfeld der Universität Köln. Lange um Fachleute werben, müsse man inzwischen aber nicht mehr, erläutert Thiele nicht ohne Stolz. Das Institut hat sich einen Namen gemacht.

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