Kaiserslautern „Ich hätte mir das 1000-mal leichter vorgestellt“

Wenn Lutz Eichholz von seinem letzten großen Abenteuer erzählt, dann klingt das erstmal wie ein Alptraum. Nach der schlimmsten Nacht seines Lebens wollte der Einradfahrer den höchsten Gipfel des Iran bezwingen. Mehr als 80 Prozent der Abenteurer, die auf den 5671 Meter hohen Berg wollen, werden höhenkrank. Sein Team hat es voll erwischt. Der Kameramann knickte um und musste ins Krankenhaus, dem Fotografen, war schwindelig, er musste umkehren. Und auch dem Kaiserslauterer Eichholz ging es alles andere als gut, als er dem Traum, auf den er sich zwei Jahre lang vorbereitet hatte, so nah war. Er hatte in der Nacht zuvor gegen Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Nervosität und Kälte gekämpft. Jetzt war er endlich oben, ließ seinen Blick über das weite Land schweifen, genoss „die beste Aussicht seines Lebens“ und musste doch zugeben: „Ich hätte mir das 1000-mal leichter vorgestellt.“ Dabei lag ein schwieriger Part noch vor ihm, der, für den er das alles auf sich genommen hatte: die Abfahrt vom höchsten Gipfel des Iran. Der feine Lavasand, vermischt mit Steinen, ließ die Route zur Rutschbahn werden. Sulfurrauch schoss aus dem Boden. Die Reifen wirbelten Steine und Staub auf, und der 28-Jährige besann sich auf das, was er wusste und kannte. Er hatte zwei Jahre lang dafür geübt, war in der Form seines Lebens, und der Sand war ähnlich wie der in Israel und Marokko. Mit Nebel und Watte im Kopf stürzte sich Eichholz in die Tiefe. Was er da sah und spürte, machte den Trip zum Beeindruckendsten, was er je erlebt hat. Neben dem Trail ging es bis zu 3000 Meter steil bergab. Er genoss das Panorama und wusste, dass er sich den richtigen Gipfel ausgesucht hatte. Einen Gipfel, zu dem es keine Steigerung gibt. Oder doch? Eichholz, der eigentlich aus dem Ruhrgebiet stammt und zum Studieren in die Pfalz kam, hat schon ziemlich viel abgeklappert, was es an kuriosen Dingen zu erleben gibt. Er war auf fünf Kontinenten, auf dem höchsten Vulkan Asiens, dem Mount Kinabalu in Malaysia, in Neuseeland, ist vierfacher Weltmeister im Einradfahren, hält mehrere Weltrekorde. Immer wieder reist er nach Asien, tritt in Fernsehshows auf, verteidigt seine Rekorde. Zweimal war er in diesem Jahr schon in China. „Das dritte Mal musste ich absagen, weil sich das zeitlich überschnitten hat. Mein Sport ist mein Beruf“, sagt er und erklärt, dass er es einfach mag, was Neues zu sehen, die sportliche und logistische Herausforderung der Trips liebt und gern in eine neue Kultur eintaucht. Wie im Iran, wo er auf dem Berg auch Frauen ohne Kopftuch sah und mit Jubel begrüßt wurde. „Die Leute dort haben noch nie ein Einrad gesehen“, erzählt er und grinst. Lutz Eichholz will sich im Winter erstmal erholen und ist nicht mal sicher, ob er sowas nochmal will. „Ich möchte diesen Sommer nicht noch so eine Leidenstour machen“, sagt er. Sein nächstes Reiseziel ist deshalb Island. Mit zwei Einradfahrern und einer Wandererin, Sportlern aus Berlin und Dänemark, will er einfach ein bisschen fahren und dann überlegen, wie es für ihn weitergeht. Seine Ausbildung als Stadtplaner hat er in der Tasche, könnte sich gut vorstellen in dem Bereich zu arbeiten, vielleicht Stadt und Sport zu kombinieren, Stadtmarketing machen, beispielsweise einen Mountainbikepark planen. „Ich gucke nach einem Halbtagsjob, habe aber keinen Druck. Einen Acht-Stunden-Job will ich auf keinen Fall machen.“ Erstmal kann er sich ohnehin entspannt zurücklegen. Sein Vertrag mit Adidas wurde gerade um zwei Jahre verlängert. Seit dreieinhalb Jahren sponsert ihn der Ausrüster, unterstützt ihn mit Geld und Kleidung. Eichholz mag sein Leben als Abenteurer und die Pfalz. „Mir gefällt es in Kaiserslautern“, sagt er und gibt zu, dass es ihn schon reizen würde, in den Süden zu ziehen, näher an die Alpen. „Aber das würde ich nur tun, wenn ich dort einen Superjob hätte.“ Doch erstmal ist er „ein bisschen faul“, was bei ihm heißt, dass er trotzdem fünfmal die Woche irgendwas macht, von Fernsehauftritt zu Fernsehauftritt reist und dreimal die Woche auf dem Einrad sitzt. „Vielleicht mach’ ich eine Balancierchallenge“, überlegt er und erzählt, dass er darüber nachdenkt, im Winter nach Südamerika zu fliegen. Und dann ist es da wieder, dieses Abenteurerkribbeln: „Ich hab’ da einen Berg entdeckt, der noch 1000 Meter höher ist...“

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