Kaiserslautern Geschichten von der Insel

Das erste Kammerkonzert der Saison am Pfalztheater war konzipiert als traditionelles Adventskonzert. Zum 19. Mal stimmen Musiker des Theaterorchesters unter der Führung des Künstler-Ehepaars Mari Kitamoto und Johannes Pardall (Violine) mit Pultkollegen und Gästen als Streicher-Ensemble auf die Adventszeit in dieser bewährten Form ein – mit einer Überraschung in Gestalt des ehemaligen Pfalztheater-Schlagzeugers Werner Brill als Weihnachtsmann und einem Rezitator für die Verlesung verschiedener weihnachtlicher Texte in Prosa und Lyrik.

Dieses Konzept wurde grundsätzlich auch am Sonntag beibehalten wie auch das Festhalten an festlicher Barockmusik. Und doch sollten sich die Akzente zunehmend verschieben. Nach der als Fantasia bezeichneten Komposition Henry Purcells als Repräsentant des englischen Barock in nahtloser Koordination aller Stimmen gingen die Streicher mit der Continuo-Gruppe aus Dieter Hehl und Markus Reisdorff (Cello), Martin Lichtmann (Kontrabass) sowie Frank Kersting (Cembalo und Klavier) auf Entdeckungsreise. Geographisch blieben sie diesmal als thematischer Schwerpunkt in Großbritannien „hängen“, was der Erzähler und Referent Rainer Furch vom Schauspiel-Ensemble nutzte, um mit den dortigen und für uns teilweise skurrilen weihnachtlichen Sitten und Bräuchen vertraut zu machen. Zurück zum ad hoc zusammengestellten Streicherensemble, in dem scheinbar auch gänzlich andere Talente schlummern: Nach Werner Brill als Reiseleiter bei Kinderkammerkonzerten und hier als Weihnachtsmann entdeckten zunehmend auch andere Orchestermusiker schauspielerische und vor allem auch sängerische Fähigkeiten, schlüpften in britisch angehauchte Kleidung oder bildeten ein vokalistisches Pendant zum Kinderchor des Pfalztheaters. Was die Streicher hier zusammen oder im Wechselspiel mit den bestens disponierten Kinderstimmen intonierten, war großartig hinsichtlich Stimmführung und Intonation und das sowohl vokal, wie auch instrumental. Überhaupt hatte sich der Schwerpunkt etwas von der Instrumentalmusik auf die Vokalmusik verlagert. Englische Weihnachtslieder wie etwa „Ding Dong! Merrily On High“ oder amerikanische Klassiker wie „White Christmas“ wurden zwar von den Streichern kompetent und einfühlsam mitgestaltet (vokalistisch und instrumental), gaben aber bevorzugt dem Kinderchor reichlich Gelegenheit zur Profilierung. Und der seit dieser Spielzeit engagierte Chordirektor Gerhard Polifka verleitete ebenfalls zu anderen interpretatorischen Entdeckungen. Er hat nicht die forsche, resolute Art seiner beiden Vorgänger, reißt das Ruder nicht um jeden Preis an sich. Sondern er vermittelt mit seiner Übersicht und Flexibilität sehr geschickt, führt dezent, einfühlsam und doch wirkungsvoll, lässt mehr Gestaltungsinitiativen als sie im Keim zu ersticken. Eine wohltuende, sympathische Lesart, die die Kinder zu Höchstleistungen motivierte. Etwa auch beim Klassiker von Mendelssohn-Bartholdy „Hark! The Herald Angels Sing“, der in verschiedenen Fassungen und Stilrichtungen immer wieder aktualisiert wurde. Alle Klangbeispiele zeigten den Kinderchor in klanglicher Homogenität und Expressivität und im nahtlosen Zusammenwirken mit den Streichern auf der Höhe seiner Leistungsfähigkeit. Für die Streicher gab es aber auch – zumindest in dieser Traditionslinie – Neuland zu betreten: Das Einbeziehen der „Simple Symphonie“ von Benjamin Britten aus der Klassischen Moderne erweiterte das bisherige Repertoire von Barockmusik entscheidend und verleitete vor allem im zweiten Satz zu der Entdeckung, dass Streicher im Pizzicato wie eine Harfe oder teilweise wie akustische Gitarre klingen können. Vor allem, wenn sie so akkurat in der Synchronisation gezupft gespielt werden, wie hier. Die liebevolle Bühnengestaltung und -dekoration, die Verkleidung und die ganze Atmosphäre waren angetan, in die Weihnachtszeit zu versetzen. Das waren keine minimalistischen, sondern liebevoll arrangierte Lösungen für den Rahmen eines Adventskonzertes. Daran hatte Rainer Furch mit seinen besinnlichen Texten von Autoren wie Theodor Powys, Ingeborg Hildenbrandts oder John Lutz entscheidenden Anteil. Furch hat die Gabe, den literarischen Kern der Handlung stringent zu vermitteln. Mit seiner Eindringlichkeit lässt er kein Ablenken zu, er führt mitten in die Geschichte hinein und ihre Botschaft, die meist mit überraschenden Pointen aufwarten. Dabei erreicht er die Herzenswärme der Theaterlegende Geertje Nissen und hat den Schalk im Nacken im Stil eines Loriot.

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