Kaiserslautern Eine Klasse für sich

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Hand aufs Herz: Wer glaubt noch an Mythen und Märchen? Die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern (DRP) machte diese sowie Episoden und Anekdoten zum programmatischen Inhalt der ersten Ausgabe der Saison der Reihe „sonntags um 5“ in der vollen Fruchthalle.

Spieler und Gegenspieler am Beispiel von Salieri und Mozart: Das sind die Stoffe, die sich in der Nachwelt verkaufen lassen. Jetzt waren bei der italienischen Operngala mit Alberto Franchetti und Giacomo Puccini die einstigen „Freunde und Rivalen“ dran. Ironie des Schicksals: Ersterer war von Haus aus steinreich, einer der Gönner Puccinis und ein Lebemann, mit Vorliebe für schöne Frauen und Luxus. Wie der beschlagene Moderator Markus Brock im überaus charmanten und gekonnten Plauderton weiter ausführte, hatte Puccini dagegen existenzielle Sorgen. Doch in der Rezeptionsgeschichte der italienischen Oper dieser Zeit (beide sind um 1860 geboren) hat längst Puccini den zuvor Begünstigten von den Spielplänen verdrängt. Am Sonntag allerdings stieg Franchetti wie Phönix aus der Asche zu neuen Ehren auf. Und das kam so: Der Puccini-Biograph und zugleich selbst Komponist Helmut Krausser wurde auf einen Klavierauszug von Franchettis Oper „Glauco“ aufmerksam. Diese hatte 1922 Premiere, wurde aber nie gedruckt und fiel in einen Dornröschenschlaf. Der im Publikum anwesende Krausser war jetzt der Märchenprinz, der die Oper durch seine Orchestrierung zu neuem Leben erweckte. Die erste Aufführung (allerdings in Ausschnitten) seit der Uraufführung und mithin die Uraufführung dieser Orchestrierung in der Orchesterfassung von Helmut Krausser und Torsten Rasch waren für die DRP eine lohnende Wiederentdeckung, die sie künstlerisch aufwerteten. Wesentlichen Anteil an diesem Erfolg hatte das Orchester selbst, das einen hervorragenden, in sich geschlossenen und stimmigen Eindruck hinterließ: Der Orchesterpart hatte viele klangliche Nuancen, wirkte agogisch und dynamisch subtil auf die Gesangspartien (Liana Aleksanyan, Sopran; Ray M. Wade Jr., Tenor) abgestimmt, und Enrico Delamboye balancierte am Dirigentenpult klanglich sehr geschickt und vermittelte einfühlsam zwischen orchestralen Klangfarben und solistischen Höhenflügen. Das war eine Klasse für sich! Während Franchetti heroische und zauberhafte Wesen auf die Bühne brachte, bevorzugte Puccini naturalistisch die Alltagsmenschen – und dies in ihren menschlichen Nöten. Vielleicht ein Grund für seinen zunehmenden und bei Franchetti abnehmenden Bühnenerfolg. Während vor allem die im zweiten Konzertteil zu hörenden Puccini-Arien und -Duette aus veristischen Opern wie „Manon Lescaut“, „Turandot“ oder „Tosca“ mittlerweile Gassenhauer sind, muss für Franchetti noch mehr diesbezüglich getan werden, um diese Popularität zu erreichen. Immerhin ranken sich um seine Biographie viele Anekdoten, die selbst zum Opernstoff geeignet scheinen. Passend zum sensibel und kongenial begleitenden Orchester waren die Solisten eine Idealbesetzung. Da irritierte lediglich der selbst bei Standardwerken von Puccini aufgestellte Notenständer, der in dieser Königsklasse von Opernstars selten ist, aber den überschwänglichen Gesamteindruck nicht in Frage stellte. Die Sopranistin singt mit müheloser Leichtigkeit der Stimmansprache, sehr natürlich strömend im Melos, sehr ausgeglichen in allen Registern, ohne Zeichen von Anstrengung und mit großer Überzeugungskraft. Und der Tenor macht Staunen, wie ein Sänger mit dieser kräftigen Statur mit einer stellenweise fast knabenhaft reinen, zarten und dennoch wunderbar strahlenden Stimme glockenklar singen kann. Vorzüge, die schon am Nationaltheater Mannheim, an der Oper Köln und der Volksoper Wien (um einige zu nennen) zu bewundern waren. Zusammen mit der Sopranistin (ebenfalls an der Oper Köln und an der Hamburgischen Staatsoper) verbreitete er den Glanz großer Opernhäuser für zwei Sternstunden. Mit dem Vergleich Franchetti und Puccini – biographisch und musikalisch – hätte die Veranstaltung eine schlüssige dramaturgische Konzeption gehabt. Ob dazu Helmut Kraussers collagehaft wirkende Suite in einer weiteren Uraufführung passte, sei dahingestellt.

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