Kaiserslautern Ein alter Wilder und ein Junger von anarchischem Humor

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Es ist eine schöne Idee, dem alten Wilden A. R. Penck die humorvoll anarchischen Strichmännchen des jungen portugiesischen Künstlers Ernesto Marques gegenüberzustellen. „Pünktchen, Pünktchen, Komma, Strich“ ist die Ausstellung im Wormser Heylshof überschrieben, die noch bis 22. Mai zu sehen ist.

22 Grafiken und drei Plakate des Malers, Grafikers, Bildhauers und Schlagzeugers Penck zeigt die Schau, die von dem Mannheimer Kunsthistoriker Helmut Orpel kuratiert wurde. Ein Prunkstück der Schau ist die großformatige Serigrafie „Verteilung der Beute“. Deren Sujet eines Raubtiers, über dem die Geier kreisen, ist allerdings eher untypisch für Penck. Der mag es sonst mit seinen an Graffiti erinnernden archaischen Strichmännchen sehr viel abstrakter und reduzierter. Kurator Orpel macht in dem Ausreißer bei einem Rundgang die Züge von Pencks westdeutschem Malerkollegen und Freund Jörg Immendorff aus, dem der Ostdeutsche 1976 begegnete und mit dem er einige Jahre zusammenarbeitete. Immendorff hatte auf der Biennale in Venedig einen Redetext verteilt, in dem er gegen das antidemokratische System in der DDR protestierte. Und Penck, der unter dem bürgerlichen Namen Ralf Winkler 1939 in Dresden geboren wurde und bis zu seiner Ausbürgerung 1980 in der DDR lebte, war als aufsässiger Künstler verpönt und als Dissident verfolgt. Er schloss sich der Künstlergruppe Lücke an und wurde später in den 80ern zu den Jungen Wilden gezählt. Und er trat in Dresden auch in Free-Jazz-Konzerten auf, etwa mit der Gruppe Triple Trip Touch (TTT), die er mit Frank Wollny gründete. Der Künstler, der mehrere Alias-Namen verwendet hat, ist erklärtermaßen Autodidakt, nachdem ihm viermal die Aufnahme an die Kunsthochschulen von Dresden und Ostberlin verwehrt wurde. Seine Ernennung zum Professor der Düsseldorfer Kunstakademie 1988 mag er als späte Rache empfunden haben. Die in Worms gezeigten Arbeiten stammen aus der Sammlung des Kunsthändlers Reinhold Neskudla, der die Galerie T3 in Mannheim betrieb. Darunter auch einige der bewusst antiakademisch angelegten Standard-Bilder, mit denen Penck eine eigene Kunstrichtung begründen wollte. Sie zeigen einfache archaische Bildzeichen, die an Höhlenmalereien erinnern, und wie Verkehrsschilder oder Warenzeichen von jedem Betrachter sofort verstanden werden sollten. Neben den Strichmännchen mit deutlichem männlichem Geschlechtsteil, gerne auch pinkelnd dargestellt, finden sich auf den Bildern oft Vögel und Augen. Seine Frauen hat Penck dagegen rund und weich gestaltet. Diese Strichmännchen, arrangiert ohne räumliche Tiefe in Draufsichten, sind aber keineswegs statisch: Sie jagen einen Stier, bekämpfen sich mit Gewehren oder Speeren, oder vermachen sich in Lustgärten. Die Deutung bleibt offen: Sind das Kinder, die auf den Elbwiesen Erlebtes aus dem Krieg nachspielen, oder ist das Kritik am Ost-West-Konflikt, wie die flächigen Muster aus Tarnfarben vermuten lassen? Sehr interessant ist Pencks aus der Fotografie entlehntes Spiel mit Positiv und Negativ in der Aquatinta „Positionswechsel“: Leuchtendes Gelb und Rot scheint durch schwarze Schlagschatten und zeichnet dabei drei Frauenfiguren. Autodidakt ist auch der portugiesische Bildhauer und Maler Marques, der seit 1993 in Jülich bei Aachen wohnt. Seine Männchen aus Metallguss, mal farbig, mal silbrig, stehen rum, schultern Bälle wie Atlas, rollen Kugeln wie Sisyphos, sie liegen im Sand, machen einen Handstand oder baumeln herab. Ihren Namen müssen sie sich teilen: Homo. Ein jeder bekommt noch eine Nummer dazu. Die Ausstellung Bis 22. Mai im Wormser Museum Heylshof, Stephansgasse 9: dienstags bis samstags 14- 17 Uhr, sonntags 11-17 Uhr.

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