Kaiserslautern Doppelpass im Internet

Vom Bestsellerroman zum Bühnenerfolg ist es oft ein weiter Weg. Gastspieltheater-Aufführungen leiden zudem unter dem Image eines Stegreiftheaters – sozusagen aus der räumlichen und organisatorischen Not heraus geboren. Diese landläufige Meinung widerlegte die Produktion der Komödie im Bayerischen Hof München des Glattauer-Bestsellers „Gut gegen Nordwind“ in der Bühnenfassung von Ulrike Zemme am Dienstagabend im Ramsteiner Haus des Bürgers nachhaltig. „Gut gegen den Nordwind“ also im Aufwind.

Der Stoff des Stückes, das erfolgreich auch im Winter 2011 am Pfalztheater lief, ist zwar mit wenigen Sätzen zu erzählen, aber nicht seine erneut spannende, einfühlsame und lebensechte Realisation. Ein einziger falscher Buchstabe in einer E-Mail-Adresszeile und schon landet Emmi (gespielt von Ann-Cathrin Sudhoff) irrtümlich bei Leo Leike (Ralf Bauer), respektive ihre Mail bei ihm. Es beginnt nach einigen Anlaufschwierigkeiten eine zunächst scheinbar harmlos plaudernde Internet-Bekanntschaft. Mit der Zeit gewinnt sie jedoch an Tiefe und an Nähe. Passend zum nüchtern wirkenden Austausch von Texten über die Datenautobahn führt das Bühnenbild von Thomas Pekny den Betrachter in eine ebenfalls nüchterne Funktionalität mit exakten geometrischen, symmetrischen Formen aus Chrom und Glas. Es obliegt nun der Regie von Wolfgang Kaus, die beiden Akteure sukzessive von Gemeinplätzen zu besinnlichen Monologen und (Selbst-)Reflektionen zu bringen. Die beiden Handlungsträger kommen durch den Gedankenaustausch zunehmend nicht nur ihrem eigenen Leben auf den Grund und erkennen eine gewisse Monotonie sowie Ausweglosigkeit in ihren Lebensabläufen. Sie finden vielmehr in gegenseitigen Sympathiebekundungen schließlich zunehmend zueinander. Anfängliche Tabuthemen wie Leos gescheiterte Beziehung oder Emmis Verhältnis zu ihrer Familie werden wechselseitig diskutiert. Die Anonymität am Computer wird zunehmend als Chance begriffen, sich zu öffnen und selbst zu entdecken. So hält die geschickt aufgebaute Inszenierung die Spannungskurve stets hoch, das Stück avanciert vom unterhaltend Komödienhaften zu einer Art Psychogramm. Vom digitalen, virtuellen Flirt kommt es zur „Oberflächen-Verliebtheit“ und schließlich zu aufrichtigen, wenn auch komplizierten Gefühlen. Dass diese Episode – mehr wird es letztlich doch nicht – nie ermüdend wurde, lag auch an der humoristischen Sprache, etwa wenn Emmi von einem „außerirdisch veranlagten Mann“ schwärmt, aber gleichzeitig einen „Frauenkomplexer“ befürchtet. Die sich steigernde Neugier, wer sich hinter der floskelhaften Fassade verbirgt, überträgt sich auf das Publikum. Der in wechselnden Pastelltönen angestrahlte Bühnenaufbau spiegelt die unterschiedlichen Stimmungen wieder, in der sich die Personen gerade befinden. Der Austausch von Mails ist teilweise in eingeblendeten Textausschnitten mitzulesen. Das Brainstorming, der jeweilige Gedankenfluss erfolgt in Monologen und szenischer Gestaltung. Verschiedene Musikeinspielungen charakterisieren ebenfalls die oft nur im Rückblick geschilderte Situation. Die Inszenierung lebt ganz entscheidend von den beiden schauspielerischen Glanzleistungen. Dabei werden kontrastierende Wesenszüge deutlich herausgearbeitet: Ralf Bauers Leo scheint beruflich wie privat ein nüchtern analysierender Mensch zu sein. Er kontrastiert mit der sich exaltiert und in entwaffnender Selbstironie gebenden Emmi, von Ann-Cathrin Sudhoff ideal verkörpert. Die Hamburgerin, die ab 2004 an der Seite von Jan Fedder die Rolle der Streifenpolizistin Svenja Menzel in der ARD-Fernsehserie „Großstadtrevier“ übernahm, verlieh auch der Glattauer-Figur sympathisches Format. Ein treffliches Doppel also, mit der man sich auch die „Nordwind“-Fortsetzung „Alle sieben Wellen “ gut vorstellen könnte.

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