Kaiserslautern Der „Heidelberger Frühling“ startet mit einem großartigen Eröffnungskonzert

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Der Frühling bringt knospende Pflanzen, gute Laune, Cabrio- und T-Shirt-Wetter. Weinfeste, das natürlich auch. Und in Heidelberg: 128 Konzerte in fünf Wochen. Am Samstagabend startete eines der spannendsten Klassikfestivals Deutschlands in seine 21. Saison. Das britische Rundfunkorchester BBC Philharmonic eröffnete den „Heidelberger Frühling“ mit seinem Chefdirigenten Juanjo Mena. Gemeinsam begleiteten sie die Ausnahmegeigerin Julia Fischer in Benjamin Brittens Violinkonzert.

Wenn man das Gefühl haben möchte, der Begriff Metropolregion sei nicht nur eine Behauptung, sondern gelebte Wirklichkeit, sollte man vielleicht zur Eröffnung des „Heidelberger Frühlings“ gehen. Das Festival kennt keine Grenzen, schon lange nicht mehr. Ministerinnen aus Stuttgart und Mainz kommen ebenso zur Eröffnung wie Kommunalpolitiker aus Ludwigshafen, Mannheim und natürlich Heidelberg. Und auch die Kulturschaffenden treffen sich mittlerweile unter den grellgrün wehenden Fahnen in Heidelberg. Man will offensichtlich bei der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz ebenso wie beim Festival des Deutschen Films in Ludwigshafen oder bei den Schwetzinger Festspielen wissen, was der Kollege Thorsten Schmidt vom „Frühling“ so macht. Der hält am Beginn wie immer seine Rede. Und trinkt hinterher erleichtert ein Bier im Festivalzentrum. Aber genau das macht den „Frühling“ auch aus. Er ist mehr als die Kunst- oder Musikpräsentation um ihrer selbst Willen. Es gibt ein bürgerschaftliches Engagement, das dieses Festival trägt – und bei Konzerten auch mitprägt. Man kennt sich, man fördert und spendet. Und ist Teil einer Idee. Um nicht zu hoch zu greifen und von Vision zu sprechen. Eine „Haltung“ forderte Festival-Intendant Schmidt im RHEINPFALZ-Interview ein. In seiner Eröffnungsansprache heißt es dann: „Wir können uns ein Nicht-Einmischen nicht leisten.“ Das Motto lautet „In der Fremde“. Und man hört die politische Rechte mit dem AfD-Fraktionsvorsitzenden in Stuttgart und Bundessprecher der Partei, Jörg Meuthen, an der Spitze schon aufjaulen. Nicht in Heidelberg. Dort spielt ein britisches Orchester quasi über den Brexit hinweg. Musik ist eine Brücke, die über jeden Isolationalismus hinwegträgt. Schon die Verpflichtung ausgerechnet dieses Orchesters ist eine Art Statement. Und eine musikalische Bereicherung, weil das BBC Philharmonic so ganz anders klingt als ein deutsches Orchester. Viel direkter, unvermittelter, mit zum Teil heftig knallendem Blech, wobei dies auch der mehr als problematischen Akustik der Heidelberger Stadthalle geschuldet ist. Mit jedem Konzert in diesem wunderschönen Raum wird die Sehnsucht nach einem Konzertsaal für Heidelberg, ja vielleicht sogar für die ganze Metropolregion immer größer. Brittens Violinkonzert und nach der Pause Tschaikowskys vierte Sinfonie dringen in Grenzbereiche vor. Solche Musik ist zu ausladend besetzt für diesen Saal. Das kümmert eine Weltklasse-Geigerin wie Julia Fischer natürlich nicht. Die agiert in einer Art und Weise hochkonzentriert im Britten-Konzert, die fast ein wenig Frösteln macht. Sie verzeiht sich quasi keinen Fehler, den sie ja aber sowieso nicht begeht. Auf der Bühne wirkt sie fast abwesend, ja abweisend, aber ihr Spiel vermittelt einem die emotionale Intensität dieser ebenso großartigen wie mitunter immer noch unterschätzen Musik auf faszinierende Weise. 1940 uraufgeführt, mitten im Zweiten Weltkrieg, ist dieses Konzert fast eine Art klingendes Triptychon, das von der Brüchigkeit der Schönheit ebenso weiß wie vom apokalyptischen Inferno (in den ersten beiden Sätzen), um dann zu einer robusten Glaubensgewissheit im Finale zurückzukehren. Das ist technisch höchst aufregend, von Fischer mit kühlster Präzision sensationell gemeistert. Und vom Orchester emphatisch umgesetzt. Über die Zugabe von Julia Fischer, den Schlusssatz einer Hindemith-Sonate, sollte man ohnehin nicht zu lange nachdenken, es wird einem sonst allzu schwindlig angesichts dieser unfassbaren geigerischen Möglichkeiten. Das Orchester aus London wiederum ließ nach der Pause die Muskeln spielen. Tschaikowskys vierte Sinfonie als großes Schaulaufen. Alle mit dabei, von der Pauke bis zur Tuba. Und Juanjo Mena am Pult ließ auswendig dirigierend dem Klangfluss seinen Lauf. Er war sich zugleich für kein Klischee zu schade, ließ emphatisch auftrumpfen und melancholisch der russischen Seele nachwimmern. Einen derart kompakten, robusten Orchesterklang hört man in Deutschland tatsächlich nicht zu häufig. Aber Robustheit ist für ein so gesellschaftlich-interessiert aufgestelltes Festival bestimmt kein Schaden. Sie hilft auch, den „Frühling“ durch die nächsten Wochen zu tragen. Bei dem Wetter von Samstag – kein Problem. Termin Zum ersten Mal überhaupt gastiert in dieser Saison die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz beim „Heidelberger Frühling“. Das Orchester eröffnet am Donnerstag, 6. April, die Reihe „Neuland. Lied“. Unter der Leitung von Christian Reif wird das Ludwigshafener Orchester zusammen mit Michelle DeYoung (Mezzosopran) und Toby Spence (Tenor) Gustav Mahlers „Lied von der Erde“ aufführen. Außerdem erklingt noch Mozarts „Jupiter-Sinfonie“. 

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