Kaiserslautern Der doppelte Joe

Ein Musiker, zwei Auftritte, unterschiedliche Klangwelten: Der US-Bluesmusiker Joe Bonamassa ist auf seiner aktuellen Europatournee, die ihn durch immer größere Konzerthallen führt, Anheizer und Hauptattraktion zugleich. Mit dem Konzept eines auf akustische Instrumente reduzierten und eines elektrisch verstärkten Programmteils stand der Gitarrist und Sänger am Donnerstagabend auf der Bühne der Mannheimer SAP-Arena.

Die Welt ist voll von Gitarristen, die ihr spektakuläres Spiel an dem Ziel orientieren, in ein vorgegebenes Zeitintervall möglichst viele Noten zu pressen – technisch brillant, ja; seelenlos, oft. Und dann gibt es noch diese paar Typen, denen es gelingt, nur mit einer einzigen Note, einer gedankenvoll hingeworfenen Melodie die Seele ihrer Zuhörer zu berühren – gefühlvoll, immer; genial, meist. Joe Bonamassa beherrscht die Kunst des Irrlichterns zwischen diesen Extremen: Der 37 Jahre alte Musiker vermag es, intime, leise Momente in unbändige, virtuose Ausbrüche zu steigern. Umgekehrt schafft er es mühelos, urgewaltigsten Klanggewittern wieder fein nuancierte Läufe folgen zu lassen. Bonamassa, sein unglaubliches Talent hat niemand Geringeres als der wunderbare B.B. King entdeckt, ist weiß Gott kein Geheimtipp mehr, dessen Platten sich Musiker mit einem verschwörerischen „Das musst du gehört haben“ im Probekeller zuschieben. Lange als Wunderkind apostrophiert, ist der überragende Instrumentalist längst ein gewiefter Songschreiber, der in atemberaubendem Tempo Alben komponiert und produziert – ein Getriebener der eigenen Kreativität, ein Blueser ohne puristischen Dünkel. Die Leute (bestimmt nicht nur ambitionierte Hobby-Mucker) rennen scharenweise in seine Konzerte und bezahlen – wie auch in Mannheim – stolze Preise für die Tickets. Und trotzdem bleibt nach drei Stunden teils grenzwertig lauter Beschallung in der SAP-Arena das Gefühl, dass selbst ein Gesegneter wie Bonamassa mit der Doppel-Strategie, das Publikum akustisch und elektrisch zu beglücken, an Grenzen gelangt. Die Dreiviertelstunde Bonamassa auf der Westerngitarre ist Musiker-Musik – brillant gespielt, geschickt arrangiert, dabei doch angestrengt und anstrengend zugleich. Ohne die Kulisse seiner Band mit ihrem wuchtig-kompakten Sound, ohne die Chance zum ausführlichen Stromgitarrensolo wird deutlich, was der junge Mann in seinem eleganten Anzug nie war und wohl auch nicht mehr wird: ein großartiger Sänger. Freilich verbindet ihn das mit anderen Giganten der Gitarre: dem sonst unerreichten Jimi Hendrix beispielsweise. Dieser Eindruck verblasst, wenn Joe Bonamassa nach einer Viertelstunde Pause mit seiner Gibson Les Paul (und seiner sensationellen Band) auf die Bühne zurückkehrt. Im Mittelpunkt steht dann nicht mehr seine obenrum etwas dünne Stimme, sondern die elektrisch verstärkte Gitarre in seinen Händen: Sie singt, sie schreit, sie wimmert. Er entreißt ihr schwere, treibende Riffs wie bei „The Ballad of John Henry“. Er lässt sie schwebend-schwüle Akkordfolgen hauchen wie bei „Sloe Gin“ – gemeinsam mit der finalen Zugabe „Django/Mountain Time“ der definitive Höhepunkt des Mannheimer Konzerts. In diesen magischen Momenten ist da wenig mehr als dieser wahnsinnig begabte Kerl, seine Klampfe und sein Ton. Der ist so überirdisch rein und bedrückend schön, dass es einem fast das Herz zerreißt. Der Blues lebt!

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