Kaiserslautern Cooler Cowboy

91-92001571.jpg

„Lucky Luke“ ist eine der langlebigsten Comic-Serien. Am 7. Dezember 1946 hatte der Mann, der schneller schießt als sein Schatten, seinen ersten Auftritt. Und er ist noch längst kein abgehalfterter Held. Im Gegenteil: Zum 70. Jubiläum kann man ihn ganz neu erleben.

Peng. Treffer. Blut spritzt. Der Mann – gelbes Hemd, schwarze Weste, rotes Halstuch, weißer Stetson – wankt. Dann liegt er, Gesicht nach unten, im Schlamm der einzigen Straße von Froggy Town. In seinen Abenteuern lieferte sich Lucky Luke viele Schießereien, doch es wurde nie Blut vergossen. Hat es jetzt ausgerechnet den ehrbaren Cowboy erwischt, Hüter von Recht und Ordnung, Schrecken der Daltons und aller Ganoven westlich des Mississippis? Der Schockmoment stammt aus der Feder von Matthieu Bonhomme, der im Jubiläumsjahr dem Westernhelden eine Hommage widmen durfte. Titel: „Der Mann, der Lucky Luke erschoss“. Endet hier die Geschichte? Doch fangen wir von vorne an. Dezember 1946. Die Zeiten der Papierknappheit während des Zweiten Weltkriegs sind vorbei, die Comic-Produktion in Belgien und Frankreich, wo die Bildgeschichten zuerst Fuß fassten in Europa, beginnt wieder zu florieren. Der „Spirou Almanach 1947“ erscheint, in dem Sonderband veröffentlicht eine junge Generation von Künstlern, die Furore machen werden. Unter ihnen Morris. „Arizona 1880“ heißt die Episode, in der er erstmals Lucky Luke auftreten lässt. Sein Aussehen wird sich noch etwas ändern, die klassische Schlussszene aber steht für die nächsten Jahrzehnte: Am Ende reitet der Cowboy in den Sonnenuntergang. Morris heißt eigentlich Maurice de Bévère, wurde 1923 in Courtrai geboren. Sein anglisierter Künstlername zeigt, wohin die Reise gehen wird. Der Belgier eifert eigentlich Walt Disney nach, arbeitet als Animationszeichner. Doch die heimische Filmindustrie kommt nicht lange gegen die Konkurrenz aus Übersee an. Also verlegt er sich auf Comics. Für den Bewunderer des Westerns liegt die Wahl des Genres nahe – zumal die Geschichten von Cowboys und Indianern populär sind. Morris ist der Erste in Europa, der sich im Comic dieses Themas humoristisch annimmt. Prägend wird ein Aufenthalt in den USA Ende der 1940er Jahre. Zusammen mit den Kollegen Jijé, Franquin und Will reist er monatelang durchs Land. Um den Trip der „Viererbande“ ranken sich Legenden. Beruflich Fuß fassen können sie in Amerika nicht, daher kehren die drei anderen zu ihren alten Jobs zurück. Morris bleibt länger und sammelt viele Eindrücke für seine Comics. In Belgien hatte er sich sein Anschauungsmaterial – Ankündigungen für Westernfilme – noch aus den Schaukästen der Kinos klauen müssen, wie er erzählte. In New York begegnet Morris auch den Machern des frechen Magazins „MAD“. Außerdem trifft er auf René Goscinny, lernt dessen komisches Talent schätzen. Der Franzose, der einige Jahre später als genialer „Asterix“-Autor berühmt werden wird, verfasst ab 1955 alle Szenarien für „Lucky Luke“. Durch diese Einflüsse erst schöpft die Serie ihr parodistisches Potenzial aus. Der Rest: Comic-Historie. 80 Alben, in 29 Sprachen übersetzt, über 300 Millionen verkaufte Exemplare. Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass der Musterknabe Lucky Luke einen großen Makel hat: seine Makellosigkeit. Auf Anweisung des Verlegers Dupuis muss er ein leuchtendes Vorbild für die jugendlichen Leser sein – „also ein Langweiler, wie alle eindimensionalen Helden“, urteilt Comic-Experte Alexander Braun. Entschädigung bieten die illustren Nebenfiguren. Das sprechende Pferd Jolly Jumper, der dümmliche Hund Rantanplan, immer wiederkehrende Charaktere wie der Totengräber, der chinesische Wäschereibesitzer oder der dösende Mexikaner mit Sombrero. Hinzu kommen historische Figuren wie Billy the Kid, Calamity Jane oder Jesse James – nicht zu vergessen die Dalton-Brüder. Aus all dem schaffen Morris und Goscinny ein Panoptikum der amerikanischen Pionierzeit und spielen immer wieder aufs Neue mit den Klischees des Western. In Deutschland reitet der Cowboy 1958 zunächst im Magazin „Der heitere Fridolin“. Danach erscheint „Lucky Luke“ – mit teils haarsträubender Übersetzung – bei Rolf Kauka, später im Koralle-Verlag und schließlich seit 1977 bei Ehapa, angepriesen als „Western-Spaß für Anspruchsvolle“. Die wechselhafte Veröffentlichungsgeschichte führte dazu, dass die Serie inzwischen mysteriöserweise mit Band 15 beginnt: Die ersten 14 Alben konnten erst nach und nach in die neue Zählung eingefügt werden, als die Rechte wieder verfügbar waren. Morris zeichnet in 55 Jahren 60 Alben (nach Goscinnys Tod 1977 mit wechselnden Autoren) und beschäftigt sich nur mit dieser einen Serie. In einem unverkennbaren Stil setzt er seinen Western virtuos in Szene. Als er 2001 stirbt, übernimmt Achdé die Zügel und führt „Lucky Luke“ ganz im Geiste des Erfinders weiter. Ist es damit nun vorbei, weil Lucky Luke erschossen im Matsch liegt? Natürlich nicht. Er kommt davon, so viel darf verraten werden. Lesens- und sehenswert bleibt Matthieu Bonhommes atmosphärisch eindrucksvolle Comic-Erzählung, sowieso außerhalb der offiziellen Reihe angesiedelt, trotzdem. Der coole Cowboy ist nicht nur realistischer gezeichnet als im Original, er hat auch mehr charakterliche Tiefe. Neben Jubiläumseditionen und eine „Artbook“ erscheint zum 70. ein weiterer Hommage-Band von Satiriker Guillaume Bouzard. Wer es hingegen klassisch mag, kann sich auf das neueste Abenteuer im März freuen. Sicher wird Lucky Luke am Ende wieder in den Sonnenuntergang reiten, der arme einsame Cowboy.

91-92001572.jpg
91-92001573.jpg
x