Kaiserslautern Auf der Spur der russischen Seele

Chorsänger und Korrepetitoren stehen beim (Pfalz-)Theater oftmals im Schatten von Schauspielern, Gesangssolisten und sich ebenfalls an der Rampe bewegenden Balletttänzern. Dies sollte sich am Sonntag im Theodor-Zink-Museum zumindest für zwei Sternstunden bei einem Liederabend gewaltig ändern: Unter dem Motto „Rauschhaft – Romantisch – Russisch“ stand die Entdeckung der russischen Seele in der Vokalmusik an und zugleich die zweier schlummernder Chorsänger-Talente des Pfalztheaters.

Nach dem überwältigenden Gesamthöreindruck der Klangbeispiele russischer Provenienz zu urteilen, neigt die aus ihnen tönende russische Seele noch mehr zu dramatischen Aufschwüngen, zu Intensität, zur Tragik und Melancholie und weniger zur lyrischen Verklärung und Expressivität wie die deutschen Repräsentanten. Barbara Kerschers Moderation und Information öffnete gleichzeitig das Herz für die bewegte biographische Zerrissenheit und die nagenden Selbstzweifel wie sie Peter Tschaikowsky und Sergej Rachmaninow plagten. Hierzulande ist Rachmaninow mehr als Klaviervirtuose und Komponist für das Tasteninstrument bekannt – und bei Studierenden gefürchtet. Dagegen sind die vielen Lieder, einmal von der Vocalise abgesehen, eher unbekannt. Durch die fundierte Hinführung der Moderatorin (derzeit Produktionsassistentin an der Musikhochschule Mannheim) wurde das Verständnis für Leben und Werk sowie Inhalt der Lieder geweckt. Wie die Sopranistin Elena Gerasimova und der Bariton Ralph Jaarsma eindringlich bewusst machten, schwingt selbst bei zartester Naturpoesie wie „Flieder“ oder „Wie schön es hier ist“ (Rachmaninow) ein tragischer Unterton mit, geht es den russischen Tondichtungen nicht primär um klassische Ästhetik allein, sondern um dramatisch bewegte Seelenzustände. Dies gilt auch für Tschaikowskys „Unendliche Liebe“, die offenbar vergeblich nach Erfüllung sucht. Dafür war die in allen Registern sehr ausgeglichen wirkende Sopranistin mit dunklem Mezzotimbre eine Idealbesetzung. Mit leichter Stimmansprache bis in die Spitzentöne und einer textbezogenen Gestaltungsweise wurden alle melodischen Phrasen mit großer Intensität und Expressivität ausgekostet. Einzig das manchmal mit zu breiten Schwankungen angelegte Vibrato nahm der sonst sehr sicheren, intonatorisch reinen und interpretatorisch ausgereiften Vortragsfolge etwas die Wirkung. Die Schlichtheit und Natürlichkeit mancher Lieder wich so einer etwas opernhaft anmutenden, übertriebenen Drastik. Dies gilt für den Bariton gar nicht, seine Gestaltungsweise darf als angemessen, werk- und stilgerecht gewürdigt werden. Somit waren der melodische Stimmverlauf klarer, die Gestaltungsweise schlüssiger und die Stimmführung insgesamt schlanker. Sein Vortrag wirkte mehr auf den eigentlichen Kern der Aussage reduziert und nicht artifiziell übersteigert. Beide Interpreten profitierten in hohem Maß von der pianistischen Glanzleistung von Frank Kersting: Der Studienleiter und Kapellmeister reagierte mit seismographischem Gespür auf alle melodischen Entwicklungen, auf Atemschwankungen, auf klangliche, dynamische sowie agogische Veränderungen und war mit dem jeweiligen Vokalpart ganz eins. Dabei überzeugte er weiter durch die kristallenen Strukturen bei seinen Zwischenspielen, die spieltechnische Bravour und feinste Abstufung des Anschlags offenbarten.

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