Kaiserslautern Manifest für die Macht der Musik

Das Konzert der Villa Musica war wieder der absolute Höhepunkt der Klassik-Reihe im Ramsteiner Haus des Bürgers. Im Programm hatten hochbegabte, junge Instrumentalisten, gemeinsam im Ensemble mit international erfolgreichen Koryphäen, neben Perlen der Romantik Werke zweier hochbegabter Komponisten, die in Auschwitz ermordet wurden.

Mitten in der Ohnmacht des Lagers von Theresienstadt, wo die Nazis mit 70.000 Juden aus allen Teilen des Landes das größte jüdische Ghetto Tschechiens zusammengepfercht hatten, schrieb der aus Mähren stammende Gideon Klein am 7. Oktober 1944 sein Streichtrio als Manifest für die Macht der Musik. Neun Tage vor seinem Abtransport nach Auschwitz, wo er ermordet wurde. Das Stück des jungen Komponisten, der zwei Tage vor seinem 22. Geburtstag in Theresienstadt interniert wurde, beschwört klingend den existenziellen Kampf im Lager herauf, wie ihn ein Zeitzeuge beschrieb: Die Kunst führe hier ohne überflüssige Arabesken vor, was den Leuten in dieser durch Erniedrigung und Gewalt monströs deformierten Welt so sehr fehle, nämlich das menschliche Antlitz, das eines freien Menschen würdig gewesen wäre. So versinnbildlicht Kleins Kunst den Traum der Menschen von einem künftigen Leben in Freiheit. Kunst wurde hier zu einer wirksamen Waffe der Unterdrückten gegen die Unterdrücker. Sie wurde zu einer Art Arznei, die das Überleben ermöglichte. Das Streichtrio ist denkbar weit von jeder Larmoyanz entfernt. Kraftvoll und mit rasantem Tempo begannen Dmytro Udovichenko, Violine, Anna Lysenko, Viola, und Friederike Seeßelberg, Violoncello, im Allegro mit den beiden mährischen Volksmelodien, die Klein in einfacher und geradliniger Weise über einem fast unausgesetzten Ostinato verarbeitet hat. Schlicht und dabei tief bewegend klang das Lento des Mittelsatzes, wobei die volkstümlich schlichte Klage in ein persönliches Bekenntnis überzugehen schien. Die acht Variationen schritten bis zur expressiven Klage fort, die in einem Adagio und im abschließenden Grave gipfelten. Das Finale schließlich war ein wirbelndes Molto vivace, ein Perpetuum mobile, das mit einer mährischen Volksweise über Off-Beat-Pizzicati begann und mit geradezu überschäumendem Humor endete. Die Drei trafen haargenau und präzise die Empfindungswelt des Komponisten. Hans Krasa war bis 1939 einer der angesehensten Komponisten Prags, bis er von den Nazis verfolgt wurde. Auch er wurde 1941 im Lager Theresienstadt inhaftiert. Gemeinsam mit Freunden sorgte er mit bewundernswertem Einsatz für musikalische Veranstaltungen im Lager – als Mahnmal der Moral gegen den sie umgebenden Wahnsinn. Am 16. Oktober wurde der Komponist mit dem berüchtigten „Künstlertransport“ nach Auschwitz deportiert und am folgenden Tag ermordet. 1944 hat Krasa die Passacaglia und Fuge für Streichtrio geschrieben, bevor er die Reise in den Tod antrat. Die Trauer und Tragik waren bei der von Chromatik durchsetzten Passacaglia, einer Tanz- und Variationsform im Dreier-Metrum, unmittelbar greifbar. Das Trio mit der renommierten und preisgekrönten Mainzer Professorin Ervis Gega, Violine, Anna Lysenko, Viola, und Emily Wittbrodt, Cello, spielte, als habe es sämtliche Stufen der Verzweiflung in Noten gefasst. Die zerklüfteten Konturen sowie den stillen Schmerz veranschaulichte das Trio mit äußerster Expression und mit überraschenden, ungeahnten Wendungen. Die Fuge schließlich war eine ungeheuer rasante Verfolgungsjagd. Das Klaviertrio Nr. 1, d-moll, von Mendelssohn intonierten Ervis Gega, Emily Wittbrodt und Kathrin Isabelle Klein zum Eingang packend, kontrastreich und äußerst engagiert. Die Tempi waren absolut stimmig, die Akzente saßen punktgenau, und die dynamische Spannweite ließ viel Feinarbeit und große Stilsicherheit erkennen. Mit geballter Musikalität und rechtem Tempofluss packten Udovichenko, Lysenko, Seeßelberg sowie Kasumi Yui, Klavier, auch das abschließende Klavierquartett Nr. 3, c-Moll, von Brahms an und schufen dabei eine gesangliche, warme Atmosphäre. Musizierfreude kombiniert mit spieltechnischer Genauigkeit und hervorragendem Klang verliehen diesem Quartett großen Wert. Langer, begeisterter Beifall für alle Beteiligten.

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