Grünstadt Titanen auf vier und sechs Saiten

Mit Superlativen ist das ja immer so eine Sache, wenn die Leistung von professionellen Musikern bewertet werden soll. Doch was Joscho Stephan am Freitagabend mit seinen drei Kollegen im Sausenheimer Weingut Grün bot, das war grandiose, sensationell gute Unterhaltung und eine wahre Grünstadter Sternstunde, zu der vom Kulturverein eingeladen worden war.

Das Gebotene als Gipsy Sound in einen bestimmte musikalische Schublade zu stecken, wäre genauso falsch, wie es in die Kategorie U-Musik oder Jazz zu packen. Joscho Stephan setzt sich zwischen alle Stühle, vermengt die unterschiedlichsten Titel zu einer eigenen Melange, er unterhält – nichts weiter. Seine Musik ist zwar nicht einfach gestrickt, aber einfach zu erfassen. Die Improvisationen sind komplex, mit einem Hauch von Genialität, aber ohne akademisch verkünstelt daher zu kommen. Zuhören macht vom ersten Takt an Spaß. Genau diesen Spaß verbreitet Joscho Stephan auch von der Bühne herab in seinen Moderationen, er scheint nichts ernst zu nehmen – vor allem seine Musik nicht. Daher kommt die Leichtigkeit und die Eleganz der gesamten Performance der vier Musiker, die ein abgerundetes, stark beeindruckendes Klangbild zwischen Caravan (bekanntgeworden durch Duke Ellington, geschrieben von Juan Tizol), dem Miner Swing oder Tango-Klängen, zu denen ein Paar sogar tanzte, boten. Joscho Stephan („Ich muss immer das erste Solo spielen, ich brauche den Applaus“) improvisiert mit einem Maximum an Melodie-Verliebtheit. Er bleibt stets im angenehm hörbaren Bereich, gleich ob er auch Mal zwischen die Saiten greift, um Effekte zu erzeugen oder rasend schnell die Lagen wechselt. Jeder Moment bietet beim Zuhören etwas besonderes, gleich ob der Frontmann die Melodie der Flintstones in ein völlig anderes Stück einbaut, oder einen einzigen Takt lang das James-Bond-Thema untermengt. Spielwitz gepaart mit überragendem Können, Joscho Stephan ist ein Titan der Gitarrenmusik, davon hatte er nach wenigen Takten sein Publikum überzeugt. Hinzu kommt, dass er heiter ironisch moderiert, schon mal erzählt, dass Papa Günter als Rhythmus-Gitarrist eigentlich keine Gage bekommt („Man muss Prioritäten setzten, dafür darf er bei mir wohnen“). Der Vater des Bandleaders beschränkt sich tatsächlich nur auf die Rhythmusgitarre, doch er ist mehr als nur Beiwerk, sein Spiel bildet die Basis des Gesamtsounds, er ist der Motor der das Quartett antreibt, mal Highspeed, mal im Schongang, aber zu jeder Sekunde absolut souverän. Im Hintergrund steht – zumindest auf der Bühne so angeordnet – auch Volker Kamp, der Bassist. Er allerdings greift häufig ein, improvisiert, was das Zeug hält („Wir müssen ihn das machen lassen, er hat schließlich studiert“). Kamp ist derjenige, der am weitesten in den Bereich Jazz abdriftet, seine Improvisationen bringen einen Hauch kopfgesteuerter Musik ein – allerdings ohne einen störenden Effekt. Vierter im Bund ist Sebastian Reimann mit der Violine. Er agiert als zweiter Frontmann des Quartetts, spielt sich mit Joscho Stephan die Bälle zu. Als „schönster Geiger zwischen André Rieu und Helmut Zacharias“ sei Reimann auch ohne Instrument zu buchen, witzelt der Chef. Der Musiker quittiert es mit einem Lächeln, das die Damenwelt dahinschmelzen lässt. Auf Rieu und Zacharias angesprochen lässt Reimann schnell ein paar „ironische“ Takte im Stil der beiden einfließen, sonst spielt der Violinist in der Tradition Stéphane Grapelli (französischer Jazz-Violinist 1908-1997), der gemeinsam mit Django Reinhard große Erfolge feierte. Reimann bringt zusammen mit Joscho Stephan den Spaßfaktor ins Quartett, er sorgt für die Abwechslung, die Vielfalt im Klang, ein Perfektionist mit viel Gefühl in den Fingern. Gemeinsam steigern sich die vier Musiker im Lauf des Abends, die Klänge werden extravaganter, Ekstatischer, doch stets am roten Melodiefaden entlang – und das macht gute Unterhalt letztlich aus.

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