Grünstadt Terror als Thema in der Bütt?

Kritische Büttenredner sind das Salz in der Suppe der Fasnacht. Sie halten Politik und Gesellschaft den Spiegel vor. Aber finden sich auch Themen wie Flüchtlinge, der Mordanschlag in Paris, Pegida, ISIS, Terrorängste in Büttenreden? Oder sind sie zwischen Scherz und Schabernack fehl am Platze?


Grünstadt

/Hettenleidelheim. "Aus meiner Sicht sollte man diese Themen in der Presse darstellen. Allerdings gehören sie nicht in eine Büttenrede“, meint Paul Conrad aus Carlsberg. Seit 2001 tritt er als „Matzeberjer“ bei den Siedler-Fasnachtern in Grünstadt auf. Angefangen hat der 62-Jährige 1990 bei den Gogeljodlern Altleiningen, wo er heute noch aktiv ist. Seit fünf Jahren widmet er sich auf der Grünstadter WSC-Bühne politischen Themen rund um die Stadt, auf Landes- und Bundesebene. „Meinungsfreiheit mit spitzer Zunge darstellen ist für mich selbstverständlich. Aber die von Ihnen genannten Themen lasse ich aus. Das kann schnell auf die Stimmung der Leute drücken.“ Conrad sammelt das ganze Jahr über Berichte, „von denen ich der Meinung bin, dass man sie aufgreifen sollte“. Zum Ende des Jahres werden die Artikel sortiert und bekommen auf dem Arbeitstisch, zum jeweiligen Thema, ein Plätzchen zugeteilt. „Hier ein Häufchen für die SPD, hier eins für die CDU und so weiter.“ Nach Weihnachten wird die Rede verfasst, „dabei soll von allem möglichst viel dabei sein“. Tipps gibt ab und an der 33-jährige Sohn Sven. „Der sagt dann: ,Vadder, des wär’ was für dich’. Er ist auch gleichzeitig mein größter Kritiker. Deshalb hört er die Rede zuerst“, so der Matzeberjer Paul Conrad. Stefan Nadge, seit elf Jahren Sitzungspräsident der Gogeljodler Altleiningen, steht seit 14 Jahren in der Bütt. Zu Hause als „Miss Eckbach“, als „Miss Jägerbächle“ in Grünstadt. „Ich mache lieber Kokolores und freue mich, wenn darüber die Leute herzhaft lachen“, so der 50-Jährige. Die genannten Vorkommnisse wie Anschläge und Terror seien gegenwärtig „ein heikles Thema“, für das der Redner, bringe er es mit ein, unbedingt „das nötige Fingerspitzengefühl haben sollte“. Witze und Tollerei bekomme er manchmal von Bekannten zugetragen, vieles resultiere aber auch aus eigenen Beobachtungen, so Nadge. So werden die Handy- und Smartphone-Dauernutzer, die ihren Blick nur noch darauf richten, auf die Schippe genommen, und Leute, die sich zunehmend mit Piercings schmücken. „Das sind die, die am Flughafen mehrmals durch die Sicherheitskontrolle müssen, weil’s ständig piept“, so ein Zeilen-Auszug. Johannes Peter Schwalb aus Hettenleidelheim glossiert seit 43 Jahren als „Roter Tunkas“ bei den Prunksitzungen des heimischen VfR vor allem die politischen dörflichen und regionalen Vorkommnisse .„Der Inhalt handelt vom Spiel mit Satire und Ironie gegen die Obrigkeit und Geschichten, die ein Dorf so schreibt.“ Das Thema Flüchtlinge, bei dem humanitäre Hilfe zwingend angebracht sei, beinhalte oft schwere menschliche Schicksale. „Da es um die Würde der Menschen geht, sollte das Thema, trotz des Rechts der freien Meinungsäußerung, an Fasnacht tabu sein“, so der 65- Jährige. „Der Terroranschlag von Paris zielte auf die Meinungsfreiheit, was eine Herausforderung darstellt. Treffend pointiert, mit dem erforderlichen Feingefühl, sollte hier der Narr ohne Provokation seine Freiheit haben.“ Seine Ideen sammelt er übers Jahr aus der Presse, bezieht sie aus dem öffentlichen politischen Geschehen, den Nachbargemeinden, Vereinen und von Personen, deren Aktivitäten prädestiniert seien, wiedergegeben zu werden. Auch Hinweise durch Bekannte und eigene Recherche seien wichtig, um dem Wahrheitsanspruch gerecht zu werden. „Die endgültige Fassung folgt intensiv nach der Weihnachtszeit“, so Johannes Peter Schwalb. Wolfgang Lenhart ist Mitglied und Textschreiber des Grünstadter Trios „Kolping-Tramps“. Seiner Meinung nach sollten „grundsätzlich keine Themen, die die Menschen in Kirche, Stadt, Land und der Welt bewegen, in der Bütt ausgeklammert werden“. Fasnachter sollten dem „Volk auf den Mund schauen“, Luft ablassen und Dinge kritisch – gespickt mit Esprit, Humor und Wortwitz – darstellen, so Lenhart. Burka-Verbot und Pegida will er in jedem Fall thematisieren. Seit dem 16. Lebensjahr ist der 64-Jährige eingefleischter Fasnachter, war Solo-Bänkelsänger, ist seit Jahren mit den Tramps eine feste Nummer beim katholischen Pfarrfasching und aktiv bei den Siedlern. „Für mich gibt es klare Grenzen der Meinungsfreiheit, nämlich dann, wenn Menschen öffentlich beschimpft, beleidigt und Glaube und Religion anderer verletzt werden.“ Erst dadurch werde Gewalt und Aggression geschürt und ein friedliches Miteinander verhindert. RHEINPFALZ-Artikel mit markanten Themen werden übers ganze Jahr aufbewahrt, damit nichts in Vergessenheit gerät. „Ansonsten reichen mir die Jahresrückblicke zur Initialzündung aus.“ Geschrieben werde nach Neujahr und manchmal auf den letzten Drücker, gesteht der Grünstadter. „In der heißen Schreibphase geht das auch schon mal bis tief in die Nacht hinein.“

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