Grünstadt Prunksitzung fällt aus: Ein Siedler-Fasnachter blickt zurück

Gerhard Laubersheimer, hier als Donald Trump, erinnert sich an früher.
Gerhard Laubersheimer, hier als Donald Trump, erinnert sich an früher.

Am Samstagabend wäre die Premieren-Prunksitzung der Siedlergemeinschaft Grünstadt über die Bühne gegangen – wenn da dieses Virus nicht wäre. Der Vorsitzende Gerhard Laubersheimer blickt wehmütig auf die alte Zeit zurück.

Je näher der Samstag, 12. Februar, rückt, umso schlimmer wird es für die Aktiven eines Vereins, der sich seit 1957 intensiv der Pflege des Brauchtums „Fasnacht“ verschrieben hat: die Siedlergemeinschaft Grünstadt. An diesem Tag, pünktlich um 19 Uhr, hätte nämlich Elferratspräsident Manuel Walther die diesjährige Premieren-Prunksitzung, eine von insgesamt vier ihrer Art, im Weinstraßencenter eingeläutet. „Viele unserer Aktiven fiebern auf die Narretei, deren Kampagnen bereits zum zweiten Mal deutschlandweit dieser verflixten Corona-Pandemie zum Opfer fallen“, so Walther wehmütig. Der 34-jährige angehende Industriemeister aus Sausenheim besitzt trotz seines jungen Alters ein bewundernswertes Selbstbewusstsein, ist außergewöhnlich rede- und wortgewandt und zählt zu den jüngsten Präsidenten seiner Zunft im Verband der Badisch-Pfälzischen Karnevalvereine.

Trauer nicht ohne Grund

Walther und sein Vizepräsident Rainer Müller trauern nicht ohne Grund der zweiten in Folge ausgefallenen Narrensaison nach, sondern erkennen auch die vielen Probleme, die nicht nur auf die Siedlerfasnachter, sondern auf alle Karnevalvereine zukommen. Müller: „Wir können auf keinen Fall sagen, wie es weitergeht; zum Beispiel, ob wir wieder mehrere Prunksitzungen veranstalten oder inwieweit wir Verträge mit Gästen abschließen können und vieles andere mehr.“

Eine bekannte Gesangsgruppe waren die „Siedlerspatzen“, hier auf einem Foto von 1964. Zu diesem Quartett gehörten, von links: Ge
Grünstadt

Siedler geben Jubiläums-Faltblatt heraus

Im Hinterkopf haben die Siedlerfasnachter die kommende Fasnachtskampagne 2022/23 eingeplant. Dann nämlich feiert der 86-jährige Verein mit seinen tragenden Säulen Fasnacht und Theater das klassische Jubiläum „6x11 Jahre Siedlerfasnacht in Grünstadt“. Das ist eine Zahl, die manchen Narr zum Grübeln bringt. 66 Jahre Narretei in Grünstadt bedeutet Geschichte, die, wenn man jedes Jahr Revue passieren lässt, einiges zu bieten hat und tolle Begebenheiten in sich birgt.

Es wurde sogar vereinsintern gestritten, ob die Siedlerfasnacht nicht schon früher geboren wurde. Denn schon vor 1957 veranstaltete der rührige Verein im damaligen Lokal „Zum Römer“ in der Hauptstraße (heute Fußgängerzone) eine Kappensitzung, es folgten solche im Lokal Heilig im Westlicher Graben (früher Maus) oder 1956, als ein erstmals ins Leben gerufener Elferrat im Lokal Roggendorf (früheres Weinhaus Moser in der Fußgängerzone) einen Kappenabend eröffnete. So erinnerten diese Abende eher schon an Prunksitzungen und der erste Elferratspräsident Willi Gehrmann eröffnete diese im ehemaligen Gewerkschaftsjugendheim (heute Neuapostolische Kirche in der Otto-Fliesen-Straße) unter Siedler-Bürgermeister Karl Hartmann. RHEINPFALZ-Lokalredakteur Karl Sander und der Freie Journalist Franz Schleyer berichteten begeistert anno dazumal von diesen Veranstaltungen und letztlich wurde als offizielles Gründungsjahr 1957 festgelegt.

Es gab damals noch ein Karnevalsverein in Grünstadt, und zwar der Narrhalla-Verein „Elwetritsche“, der am 7. Februar seine Prunksitzung und am 2. März 1957 Jahr seinen Faschingsball im Saalbau der früheren „Jakobslust“ (ehemaliges Europa-Kino) veranstaltete. Letztmals krönte diese Karnevalsgesellschaft 1962 Fasnachtsprinzessin Ursel I. und veranstaltete mit der früheren Grünstadter Musikkapelle „Cocktail-Combo“ eine Prunksitzung. Unter anderem traten darin als Bajazz Karl Wagner, Bernd Kleeberger, Fritz Jost senior und als Nachwuchs-Büttenredner Klaus Wieland auf. Ein Jahr später löste sich dieser Karnevalverein auf.

Die Siedlerfasnachter wurden immer bekannter. Stellvertretend für die Kappenabende und Prunksitzungen anno dazumal ein Presseartikel von Franz Schleyer: „Am 13. Februar 1961 sorgt wieder ein zünftiger Narrenabend der Siedler vor ausverkauftem Saal im Gewerkschaftsjugendheim für Begeisterung. Bei der Damenmodenschau siegt ,Miss Sonne’. Weitere Programmpunkte: ,Ein Stadtchronist’ (Ludwig Dauth), ,Herr Vollg’soffski’ (Karlheinz Janson), ,De Hannes und de Lui’ (Hans Eckstein und Ludwig Dauth), ,Die Siedlerspatzen’ mit einer Parodie ,Die Polizei, dein Freund und Helfer mit Al Capone’ (Werner Hien, Gerhard Fath und Dieter Raubach), ,25 Jahre Ehekrieg’ (Otto Fath), ,Ein Italienreisender’ (Karl Willi Dauth) und ,Blem-Blem’ (Helmut Rothenberger).“

Eine bekannte Gesangsgruppe waren die „Siedlerspatzen“, hier auf einem Foto von 1964. Zu diesem Quartett gehörten, von links: Ge
Eine bekannte Gesangsgruppe waren die »Siedlerspatzen«, hier auf einem Foto von 1964. Zu diesem Quartett gehörten, von links: Gerhard »Seppi« Fath, Ludwig Dauth, Werner Hien und Dieter Raubach.
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