Carlsberg Musiktherapeut bringt wahre Geschichte auf Theaterbühne

Probe für Aufführung im Karolinenhof: Patientin Marianne (Monika-Margret Steger) und Therapeut Volker (Ulrich Westermann) bei ei
Probe für Aufführung im Karolinenhof: Patientin Marianne (Monika-Margret Steger) und Therapeut Volker (Ulrich Westermann) bei einer psychotherapeutischen Sitzung.

Mehr als ein halbes Jahr hat Hans Volker Bolay gebraucht, um Darsteller für sein Drama zu finden. Zwei Profis scheuen die schwere Kost nicht, probten auch schon im Karolinenhof in Hertlingshausen. Was sie bewegt.

„Mutter werden ist für mich Lebenssinn!“, erklärt Marianne, dargestellt von der freischaffenden Schauspielerin Monika-Margret Steger, ihrem Psychotherapeuten Volker, verkörpert von Ulrich Westermann von den Kreuzgangspielen aus Feuchtwangen, und knetet dabei ihre Hände. Unerträglich sei es für sie, dass es „in all den Jahren nicht geklappt hat, schwanger zu werden“. Ihr Vater habe sie, „die Prinzessin“, getröstet und ihr Tipps gegeben, um die Chance zu erhöhen, erzählt sie. Und eines Tages sei das Wunder geschehen, „es war ein tolles Körpergefühl“.

Was zunächst nach einer glücklichen Geschichte mit Happy End klingt, wächst sich zu einem ungeahnt traurigen Drama aus. Dies ist umso anrührender, da es sich nicht um einen Roman mit erfundenem Inhalt handelt. Vielmehr ist jedes Wort in dem Theaterstück „Mariannes Baby“ wahr. „Es ist eine reine Transkription ihrer und meiner Worte. Ich habe nichts dazugedichtet“, erläutert der Autor Hans Volker Bolay. Der Hausherr des historischen Karolinenhofs, in dessen Scheune die Tragödie über die Bühne geht, ist Professor für Musiktherapie und war an der SRH Hochschule Heidelberg tätig, als Marianne ihn aufsuchte.

Verein präsentiert, Land hilft

138 Therapiesitzungen mit der an Schizophrenie leidenden Fachärztin namens Marianne hat der heute 72-Jährige protokolliert. Das Kammer spiel, das er aus den Niederschriften anfertigte, reiht sich in eine kleine Serie von auf gleichem Weg entstandenen Stücken mit dem Titel „Grenzgänge“ ein. Präsentiert werden sie vom gemeinnützigen Verein „Jeder kann was“, der Inklusion und Integration durch künstlerische Aktivitäten im Leiningerland zu fördern versucht. Die Darbietungen werden vom rheinland-pfälzischen Familien- und Kulturministerium gefördert.

„Können wir diese Stelle noch einmal wiederholen? Diesmal aber mit Musik?“, fragt Steger den Licht- und Tontechniker Jörg Winterheld. Dieser nickt und schon erklingt die Kreuzstab-Kantate von Johann Sebastian Bach mit dem wunderbaren Choralgesang „Komm, oh Tod, du Schlafes Bruder“. Nun, wieder als Marianne, bittet die 54-Jährige ihren Therapeuten, dieses Lied „zu hören und zu verstehen“. Dabei schauen sich die beiden minutenlang schweigend tief in die Augen. Steger sagt nach dieser ergreifenden Szene, eine von vielen in diesem Stück: „Ich bin von der Geschichte fasziniert.“

Gratwanderung zwischen Nähe und Distanz

Nachdem sie von Bolay angerufen wurde, habe sie kurz Zweifel gehabt, erinnert sich Monika-Margret Steger. Aber schnell sei dann doch klar gewesen, dass sie den Auftrag annimmt. Als Partner für das Zwei-Personen-Drama suchte sie sich Westermann aus, mit dem sie mal auf dem Heidelberger Stückemarkt zusammen aufgetreten sei. „Da wusste ich, das passt“, sagt die gebürtige Bayerin, die regelmäßig Engagements im Zimmertheater Speyer und im Neuen Ensemble Mannheim hat. Ihr Kollege sagt: „Ich liebe schweren Stoff.“ Am 8. April begannen die beiden mit ihren Proben, gut zwei Wochen später trafen sie sich das erste Mal am späteren Aufführungsort in Hertlingshausen. Regie führen sie selbst.

Ulrich Westermann sieht in seiner Rolle als größte Herausforderung die Gratwanderung zwischen der Zuwendung zu seiner Patientin und der Wahrung der notwendigen Distanz. „Ich frage mich die ganze Zeit, ob das auch okay ist, was ich hier mache“, sagt Monika-Margret Steger und schaut gen Himmel. Denn Marianne lebt schon längst nicht mehr, „und ich habe eine Verantwortung gegenüber dieser Person, die sich nicht mehr wehren kann“.

TerminKammerspiel „Mariannes Baby“ ist zu sehen am Samstag, 1. Juni, 19.30 Uhr, im Karolinenhof, Unterdorfstraße 7, Carlsberg-Hertlingshausen. Eine Reservierung ist aufgrund der beengten Platzverhältnisse anzuraten, Telefon 06356 8634, E-Mail an info@jekawa.de. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten.

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