Grünstadt Helfen – ohne sich in Gefahr zu bringen

Sie bewies Mut und kam anderen zu Hilfe – ein selbstloser Einsatz, den Tugce Albayrak mit ihrem Leben bezahlte. Nun soll die Studentin posthum für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen werden. Das Land Rheinland-Pfalz würdigt mit dem Preis für Zivilcourage Menschen wie Tugce Albayrak, die Gewalt und Ignoranz entschlossen entgegentreten. Vergangene Woche fand die Ehrung von Innenminister Roger Lewentz in Mainz statt. Hinschauen statt wegschauen: Leichter gesagt als getan? Sigfried Doll, Leiter der Polizeiinspektion Grünstadt, erklärt im Gespräch mit der , wie man Zivilcourage zeigt, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen.

Ob Pöbelei in der S-Bahn oder auf offener Straße – wie kann man als Unbeteiligter Zivilcourage zeigen, wenn man eine solche Situation beobachtet?

Die Prämisse lautet: Helfen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Zuerst sollte man über die 110 die Polizei alarmieren und möglichst am Telefon bleiben, um weiter über das Geschehen zu berichten. So können die Kollegen die Lage und deren Entwicklung besser einschätzen. Die wichtigsten Angaben: Wer bin ich, was passiert gerade, wo und was sehe ich? Als nächstes: Andere Personen gezielt ansprechen und zur Mithilfe auffordern. Oft ist es so, dass die Leute versuchen wegzuschauen, aber dann mithelfen, wenn sie jemand direkt anspricht. Man sollte auch versuchen, sich so viele Tätermerkmale wie nur möglich zu merken und die Abläufe der Tat. Wie sollte man dem Täter begegnen – lenkt der Helfer nicht unweigerlich dessen Aggression auf sich, wenn er einschreitet? Der Aggressor hat das Opfer im Fokus und erst einmal nicht andere. Lautes Rufen, auf die Situation aufmerksam machen, jede Ablenkung kann da schon sehr hilfreich sein und den Täter irritieren. Trotzdem sollte man den Täter selbst nicht unbedingt ansprechen. Wenn überhaupt, dann ruhig und förmlich, nicht duzen und auf keinen Fall auf die Ebene der Gewalt einlassen, um eine Eskalation zu vermeiden. Grundsätzlich gilt: Distanz wahren und die Gefahr für sich selbst so gut es geht verringern. Wie verhält man sich am besten dem Opfer gegenüber? Man sollte dem Opfer zeigen, dass man sich kümmert: Beruhigend mit dem Betroffenen reden, ihm signalisieren, dass man die Polizei gerufen hat, mit einer Jacke oder Decke zudecken. Auch Körperkontakt ist für viele sehr wichtig, einfach das Gefühl zu haben, nicht alleine mit der Situation zu sein. Für die meisten Opfer ist eine solches Erlebnis traumatisch; zu wissen, dass jemand Zeuge war und seine Beobachtungen auch wiedergibt, kann später – nicht zuletzt durch die Aufklärung der Tat – einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung leisten. Und sich als Zeuge zur Verfügung zu stellen, davor darf man sich nicht scheuen, das ist eine Bürgerpflicht. Wie kann man Kinder für Zivilcourage sensibilisieren? Selbstbewusstsein ist das A und O: Kinder müssen Nein sagen lernen. Das fängt schon mit kleinen Machtspielchen im Schulbus oder auf dem Pausenhof an. Wer selbstbewusst mit einer solchen Situation umgeht und sich durch Drohungen nicht einschüchtern lässt, hilft uns, das Entdeckungsrisiko zu erhöhen und potenzielle Täter zu finden. So fängt Zivilcourage schon klein an. (kcs)

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