Grünstadt Die Würde des Amateurs

Kennt sich aus mit dem Grundgesetz: der Autor.
Kennt sich aus mit dem Grundgesetz: der Autor.

reitagmittag, Pressekonferenz in München: Das Führungstrio des Rekordmeisters tritt vor die Öffentlichkeit und erteilt der versammelten Medienlandschaft eine Lehrstunde in Sachen „Grundgesetz“. Die Menschenwürde ist nachweislich „unantastbar“, wie Karl-Heinz Rummenigge die dankbaren Vertreter der schreibenden und filmenden Zunft belehrt. Und Uli Hoeneß ergänzt, dass er als Präsident des FC Bayern entwürdigende Formulierungen wie „Der spielt einen Scheißdreck zusammen!“ nicht länger tolerieren wird. Wäre ja auch noch schöner, wenn man wegen ein paar Geisteskranken wie Karim Bellarabi solch einen Aufriss machen würde! Doch so berechtigt diese völlig wahllos zusammengewürfelten Vorwürfe der Münchner Verantwortlichen auch sein mögen – was bedeutet das eigentlich für uns Amateurfußballer? Lassen wir uns den Satz noch einmal auf der Zunge zergehen. „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Man ahnt es bereits: Mancher Auswechselspieler in der B-Klasse kann sich bei dieser Formulierung vor Lachen kaum noch auf der Ersatzbank halten. Die Würde gibt man in unseren Kreisen in der Regel bereits beim Betreten des Clubhauses ab. Oder spätestens im Zuge des erniedrigenden Schauspiels in der Umkleidekabine, wenn ein knappes Dutzend Amateurkicker versucht, sich die viel zu heiß gewaschenen Sockenstutzen überzuziehen. Doch seien wir ehrlich: Wir alle würden uns einen Präsidenten wie Uli Hoeneß wünschen! Einen, der nach einer schmachvollen 0:8-Niederlage die Aufmerksamkeit der schmähenden Zuschauerschaft auf sich lenkt. Durch einen kalkulierten Wutausbruch. Oder eine Generalabrechnung mit dem Platzwart, dem er die Schuld an dem miserablen Zustand des Rasens gibt, der jedes Kurzpassspiel unmöglich macht. Doch stattdessen wird in der Kreisliga die Würde der Spieler permanent angetastet. Oder gleich zusammengeschlagen und öffentlich auf dem Marktplatz ausgestellt. Nicht selten ist es sogar der Präsident des Vereins selbst, der auf dem Sportplatz am lautesten höhnt. Gemeinsam mit dem Platzwart steht er dann witzelnd am Spielfeldrand und amüsiert sich über die Aufwärmübungen des übergewichtigen Torhüters. Oder er wettet mit dem Trainer, dass der eigene Innenverteidiger „heute wieder mehr Fehlpässe spielt als er Ballkontakte hat“. Als Amateurfußballer nehmen wir all diesen Spott hin. Nicht immer ohne Frust, hin und wieder mit etwas Wut, zumeist allerdings ohne Verweise auf das Grundgesetz. Nicht, weil uns all der Sarkasmus nichts ausmachen würde – sondern weil die Liebe zum Spiel größer ist als die Angst vor der Blamage. Mancher Multimillionär sollte sich daran ein Beispiel nehmen. DIE KOLUMNE Unser Autor kann auf eine lange und erfolglose Karriere in den Niederungen des Amateurfußballs zurückblicken. Hier schreibt er wöchentlich über Schwalbenkönige, Kabinenrituale und Trainingsweltmeister – rein subjektiv natürlich, denn die Wahrheit liegt sowieso auf dem Platz.

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