Grünstadt Damit Grenzen überwunden werden

Die Band „Selbsthilfegruppe“ spielte unter der Leitung von Bernhard Vanecek (helles Jackett).
Die Band »Selbsthilfegruppe« spielte unter der Leitung von Bernhard Vanecek (helles Jackett).

Unter dem Motto „Beziehungen und Grenzen“ hat der Förderverein „Jeder kann was!“ am Freitag zu seiner ersten Veranstaltung auf den Karolinenhof in Hertlingshausen geladen: einem gemütlichen Abend der Begegnung. Rund 60 Menschen, auch mit Handicap und Migrationshintergrund, genießen mit der Band „Selbsthilfegruppe“ um den Berufsmusiker Bernhard Vanecek das fröhliche Beisammensein mit internationalen Liedern.

In der in Schummerlicht getauchten Sandsteinscheune flackert ein Feuer im Specksteinofen, an der Decke hängen Leuchter mit echten Kerzen und ein Christbaum. Hausherr und Vereinsvorsitzender Hans Volker Bolay kündigt eine Reise durch unterschiedliche Klangwelten an. „Vor dem, was uns fremd ist, grenzen wir uns ab. Ich wünsche Ihnen heute, dass Sie Grenzen überwinden und sich wohlfühlen“, sagt der Psychotherapeut. Der Syrer Ahmad Almir entlockt seiner Oud, Vorgänger-Instrument der Laute, über deren kurzen Hals sechs Doppelsaiten gespannt sind, eine zarte Melodie aus Schweden. Der Bulgare Taifun Ates steigt sanft mit dem Cajon, einem Shaker und Percussions aus Muscheln ein. Kaum wahrnehmbar sind die ersten Töne, mit denen sich Vanecek auf seiner Posaune ins Spiel bringt. Mit geschlossenen Augen lässt das Trio das Klangvolumen anschwellen, mehr und mehr wird der Rhythmus betont, um dann wieder abzuebben und sich mit der immer leiser werdenden Musik davonzuschleichen. Mit der gleichen Hingabe wird ein flotteres Stück der libanesischen Sängerin Fairuz interpretiert, bevor dann die „Selbsthilfegruppe“ auf der Bühne steht. Die Mitglieder haben sich vor rund vier Jahren „aus Verzweiflung“ zusammengefunden, wie Vanecek erläutert: „In unserer Gesellschaft muss man funktionieren, doch nicht jeder hält dieser Herausforderung stand.“ Der Profi aus Limburgerhof und die Amateurmusiker – Sebastian Diehm (E-Bass), Rainer Kircher (Schlagzeug), Christian Gruber (Bluesharp, Percussions, Waschbrett), Sir William Ledbetter (Posaune, Gesang) und Wolfgang Steiner (Ukulele) – starten mit einem schottischen Lied und einer 200 Jahre alten Weise aus Irland. Später komplettieren zwei junge Männer mit geistigen Behinderungen, Gabriel Wagner-Herzer und Kieran Metz, die Band. Unter anderem werden der Countrysong „Big Wheels Rollin“ von Merle Haggard und eine Mazurka präsentiert sowie der Gospel „Oil In My Lamp“ zusammen mit dem Publikum gesungen. Alle haben sichtlich Spaß, die Stimmung ist gut. Dazwischen trägt die Mannheimer Schauspielerin Laura Kaiser besinnliche Texte vor. Im ersten Kapitel aus dem Spiegel-Bestseller „Der Zopf“ von Laetitia Colombani geht es um das kaum erträgliche Schicksal der „Unberührbaren“, der Angehörigen der untersten indischen Kaste. Dabei schöpft die Protagonistin Kraft aus der Hoffnung, dass es ihre Tochter einmal besser haben wird. Gelesen wird auch die von Wolfgang Borchert in die Nachkriegszeit übertragene Weihnachtsgeschichte unter dem Titel „Die drei dunklen Könige“ sowie die Erzählung über einen Taxifahrer in Berlin, der zu der Erkenntnis gelangt, dass man öfter mit Leuten reden sollte, die eine andere Perspektive auf die Dinge haben. Zu solchen Gesprächen haben die Besucher des Karolinenhofs in der Pause bei Waffeln und Glühwein Gelegenheit. „Nach der äußerst positiven Resonanz auf unser Mitmachtheater im Sommer, wo sich sehr schnell Freundschaften gebildet haben, möchten wir weiterhin Erfahrungsräume zur Inklusion von Menschen mit verschiedenen Hintergründen bieten“, erläutert Bolay der RHEINPFALZ. Das Ziel: Gemeinsamkeit durch Erlebnisse. Deshalb habe sich der Förderverein gegründet, der mit Hilfe von Spenden und Fördergeldern zu diesem Zweck verschiedene Veranstaltungen auf die Beine stellen möchte. Das Programm könne erst Ende Januar im Detail vorgestellt werden. Fest stehe aber bereits, dass es mit dem Kinder- und Jugendtheater Speyer, das die Workshops im Sommer geleitet hat, das Festival „Von acht bis 80“ geben wird. Außerdem seien beispielsweise zusammen mit der Ortsgemeinde ein Musikfest mit internationalen Künstlern angedacht und in Kooperation mit dem Landkreis Bad Dürkheim mehrere Treffen von einheimischen und eingewanderten Frauen.

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