Grünstadt Ein Mann mit Zivilcourage aus Hettenleidelheim [mit Video]

Felix Kaiser mit Uli Hoeneß, dem Vorsitzenden des Kuratoriums der Dominik-Brunner-Stiftung, bei der Ehrung am Samstag in München
Felix Kaiser mit Uli Hoeneß, dem Vorsitzenden des Kuratoriums der Dominik-Brunner-Stiftung, bei der Ehrung am Samstag in München.

Felix Kaiser hat nicht weggesehen, als eine alte Frau in der U-Bahn angegriffen wurde. Jetzt wurde er als „Vorbild für Zivilcourage“ ausgezeichnet.

Doch, es ist wirklich so. Dass alle wegschauen, wenn etwas passiert. Sich nicht zuständig fühlen, wenn eine ältere Frau an der U-Bahn-Station getreten wird. Felix Kaiser hat das erlebt. Aber: Er hat hingeschaut. Er ist dazwischengegangen, als eine 73-jährige Frau an Fasching am U-Bahnhof Marienplatz in München attackiert worden ist.

Auszeichnung in der Münchner Allianz-Arena

Dafür ist Kaiser am Samstag in der Münchener Allianz-Arena mit einem Preis der Dominik-Brunner-Stiftung ausgezeichnet worden. Die Stiftung trägt den Namen jenes Mannes, der am 12. September 2009 am Münchener S-Bahnhof Solln Opfer eines Gewaltverbrechens wurde. Er hatte sich schützend vor vier Kinder gestellt. Die Dominik-Brunner-Stiftung für Zivilcourage zeichnet regelmäßig Menschen aus, die wie ihr Namensgeber einschreiten, wenn anderen Unrecht passiert. So wie Felix Kaiser. Er ist 27 Jahre alt, in Hettenleidelheim aufgewachsen und arbeitet als Chemiker an der Technischen Universität in München. An Fasching war er mit seiner Freundin in der Stadt unterwegs. An der U-Bahnstation Marienplatz wartete eine ältere Frau. Sie trug einen auffälligen Faschingshut, erzählt Kaiser im Gespräch mit der RHEINPFALZ. „Da kam ein junger Mann, Anfang, Mitte 30, nur mit Hemd bekleidet, obwohl es draußen minus 10 Grad hatte.“ Der Mann schlug der Frau den Hut vom Kopf, ging weiter. Kaiser dachte an einen Spaß unter Bekannten. Es war kein Spaß. Und der Mann – so der Eindruck von Kaiser – musste irgendetwas eingenommen haben, so wie er unterwegs war. Die Frau rief dem Mann zu, was das solle.

Angreifer trat die Frau mit voller Wucht

Er drehte sich um, beschimpfte sie aufs Übelste. „Dann habe ich die Ohren gespitzt“, sagt Kaiser. Er fragte, ob er helfen könne. Sie bat ihn, die Polizei zu rufen. Und dann ist das passiert, was Kaiser heute noch gruselig findet: Der Mann trat der älteren Frau mit voller Wucht ins Gesäß. Sie kam nah an die Gleise, fiel aber nicht um. „Ich war extrem schockiert“, sagt Kaiser. Dass da einer eine ältere Frau aus dem Nichts heraus so angreift. Und dass keiner sich darum kümmerte. „Da standen 50 Leute, die hat’s nicht gejuckt“, erinnert sich Kaiser. Sein Gedanke: Wenn der Mann jetzt abhaut, war’s das. Er wird nie gefunden.

Täter-Verfolgung à la Hollywood

Seine Freundin kümmerte sich um die 73-Jährige. Sie hatte leichte Verletzungen, stand unter Schock. Zu der Zeit kam ein anderer junger Mann hinzu, Matthias Würl. Gemeinsam rannten sie los, verfolgten den Angreifer – Kaiser hatte dabei das Telefon am Ohr. „Das hatte was von einem Hollywood-Streifen“, sagt Kaiser heute. Kreuz und quer durch München, alle 10 bis 15 Sekunden gibt Kaiser den Standort des Mannes an die Polizei durch („Schaufenster von Dallmayr“). Er schätzt, dass es fünf Minuten lang so ging. Der Täter bemerkte die Verfolger später, sprintete. Am Viktualienmarkt wird der Mann gestellt. „Die waren mit vier Streifenautos da“, sagt Kaiser – der die Münchener Polizei lobt: „Sie waren super.“ Kaiser machte eine Zeugenaussage, erzählte der Polizei den Hergang. „Damit war die Sache für mich erledigt.“ Zwei oder drei Wochen später rief eine Polizistin bei Kaiser an und erzählte, dass sich die Frau bei ihm bedanken wolle. Sie telefonierten. Die Frau hatte nach dem Vorfall an der U-Bahn-Station nicht mehr lange zu leben: Sie ist Ende März gestorben, nicht an den Folgen der Tat, sagt Kaiser. Wieder ein Anruf, diesmal von der Tochter. Die erzählte, dass ihre Mutter sich vor ihrem Tod gewünscht habe, dass die beiden Männer für einen Preis der Dominik-Brunner-Stiftung vorgeschlagen werden.

Einer der letzten Wünsche der alten Frau

Er wollte die Sache eigentlich nicht so groß hervorheben, sagt Kaiser. Andererseits war es der Wunsch der Frau, bevor sie starb. Und wenn es dazu diene, anderen ein Vorbild zu sein, auch einzuschreiten, sei die Ehrung ja für etwas gut. Die Ehrung war am Samstag vor dem Spiel des FC Bayern gegen Bayer Leverkusen. Kaiser und acht andere couragierte Helfer wurden unmittelbar vor dem Spiel von Uli Hoeneß, dem Vorsitzenden des Kuratoriums der Dominik-Brunner-Stiftung, geehrt – vor großem Publikum. Kaiser sagt: „Das war mal ein Erlebnis.“

Sie wurden für ihre Zivilcourage geehrt: Felix Kaiser aus Hettenleidelheim ist der Dritte von links.
Sie wurden für ihre Zivilcourage geehrt: Felix Kaiser aus Hettenleidelheim ist der Dritte von links.
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