Frankenthal Wettern gegen den Verlust des Verstands

Spitzzüngig, sarkastisch, bisweilen etwas platt, aber immer topaktuell – so kennt man Urban Priol, der noch immer in der Champions League des politischen Kabaretts spielt. Im ausverkauften Wormser Theater holte der Franke am Freitagabend zu einem satirischen Rundumschlag aus. Das mit Pointen bombardierte Publikum fühlte sich zwei Stunden lang blendend unterhalten.

In unruhigen Zeiten wie diesen, in denen die Politik ständig neuen Zündstoff liefert, lohnt es sich für Priol nicht, die Texte seines neuen Programms „Gestern – heute – morgen“ auswendig zu lernen. Ihm reicht es, hin und wieder in seinem auf dem Bistrotisch liegenden Skript zu blättern, etwa wenn es ihm auf die wörtliche Wiedergabe eines Zitats ankommt. Ansonsten wechselt er von einem Thema zum nächsten und vermischt dabei überaus geschickt das Tagesgeschehen wie den Fall Maaßen mit weniger taufrischen Texten. Dass sich Priol gerne auf seine parodistischen Fähigkeiten besinnt und vorzugsweise den Dicken (Helmut Kohl) und die Mutti (Angela Merkel) ins Visier nimmt, ist keine Überraschung. Auch nicht, dass ihm der legendäre Satz der Bundeskanzlerin „Demokratie lebt von Veränderung“ die Haare zu Berge stehen lassen. Durchaus nachvollziehbar, dass Priol auch mit der CSU auf Kriegsfuß steht – insbesondere mit Ex-Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, der sich allenfalls mit Almabtrieb und Treidelpfaden auskenne. Von Andrea Nahles, die schon unter August Bebel gedient habe, findet der Kabarettist spielend den Übergang zur „Generation Luftpumpe“: Christian Lindner, Jens Spahn („der mit der Bestatterbrille“) und Sebastian Kurz, der vor ein paar Jahren noch im Bällchenbad bei Ikea abgeholt worden sei. Noch bissiger wird er bei AfD-Chefin Beatrix von Storch, „der aus einem Inzest entstandenen Adelsschnepfe“. Und für das neue Buch von Thilo Sarrazin weiß er bereits den Titel: „Von der Waffel zur Falafel“. Urban Priol wird nicht müde, gegen eine aus den Fugen geratene Welt zu wettern, in der Pferde mit sieben Prozent Mehrwertsteuer veranlagt werden, Esel dagegen mit 19 Prozent. Und in der Rentner Pfandflaschen in Papierkörben suchen, um über die Runden zu kommen. Das Privatfernsehen geißelt er als „Unterschichten-Ruhigstellung“, die Flut an Talkshows als „Ersatzparlament“. Mit etwas Sehnsucht denkt er an den Internationalen Frühschoppen mit Nikotindunst und Moselplörre zurück. Wie sich die Debattenkultur im Bundestag aufpeppen ließe, demonstriert Priol mit Shakespeare-Zitaten, um dann als neuen Schriftzug über dem Reichstag einen Satz von Immanuel Kant vorzuschlagen: „Habe den Mut, dich des eigenen Verstandes zu bedienen.“ Kaum ein Thema lässt der 57-Jährige aus. Mit der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, die schmerzfrei mit Despoten verhandele und eine Migrationspatenschaft mit Libyen eingehe, rechnet er ebenso ab wie mit der „Daueralimentierung“ farbloser Bundespräsidenten. Maßlos enttäuscht ist Urban Priol von den Grünen, die er als „FDP mit Fahrrad“ tituliert. Für alternative Fakten habe es früher nur einen Tag gegeben, den 1. April. Wie sich doch die Zeiten geändert haben, macht er mit einem Vergleich deutlich: 1987 sei man wegen der Volkszählung auf die Straße gegangen, heute würden per Smartphone („Geißel der Menschheit“) so gut wie alle persönlichen Daten preisgegeben. Und seit dem Dieselskandal wisse er auch, was die Abkürzung TDI bedeute, erklärt Priol: „Täuschen durch Ingenieure.“ Trivialphilosophisch wird der Kabarettist mit der Stromfrisur, als er die bei Udo Jürgens entliehene Weisheit eines kasachischen Bekannten zum Besten gibt: „Wodka gut für Trallala, Liebe gut für Hopsasa.“ Viel mehr habe das Leben eh nicht zu bieten, meint Priol – vom stürmischen Applaus der mehr als 800 begeisterten Zuschauer mal abgesehen.

x