Frankenthal Schlampige Prüfung bleibt straflos

Ist die Plakette für eine bestandene Hauptuntersuchung (HU) auf dem Kennzeichen eines Fahrzeuges eine „amtliche Urkunde“? Uwe Gau, Vorsitzender Richter am Landgericht Frankenthal, sieht das nicht so. Daher ist ein heute 31-jähriger Prüfingenieur am Donnerstag in einer Berufungsverhandlung erneut vom Vorwurf der Falschbeurkundung im Amt freigesprochen worden.

Der Richter sprach von einer Gesetzeslücke, da diese Frage nicht detailliert geklärt sei. Auch kein höheres Gericht habe sich bisher mit dem Problem beschäftigt. Der Vorwurf lautete: Falschbeurkundung im Amt bei einer privaten Frankenthaler Kraftfahrzeug-Prüfstelle. Der Angeklagte habe eine HU-Plakette zugeteilt, obwohl ein Lastwagen-Auflieger bei der Vorführung erhebliche Mängel aufwies, die der Prüfer habe erkennen müssen. Im Januar hatte das Amtsgericht den Prüfingenieur mit der Begründung freigesprochen, dass der Vorsatz bei seiner Handlung nicht nachzuweisen sei (wir berichteten) – nur dieser ist strafbar. Gegen dieses Urteil hatte die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Berufung verworfen, Freispruch – so lautete jetzt das Urteil, allerdings mit einer anderen Begründung als in der ersten Instanz. Da Richter Gau der Prüfplakette den Status der amtlichen Urkunde absprach, musste er nicht prüfen, ob der Angeklagte mit Vorsatz gehandelt habe. Der Prüfbericht diene nur zu internen Zwecken. Die Plakette ist seiner Ansicht nach nur ein Hinweis, wann die nächste Untersuchung fällig ist. Deshalb könne auch nicht von einer „zusammengesetzten Urkunde“ ausgegangen werden. Eine mangelhaft detaillierte Ausführung eines Gesetzestextes dürfe nicht zum Nachteil für den Angeklagten werden. Gau wünschte sich sogar, dass die Staatsanwaltschaft Revision gegen das Urteil einlegt, damit diese Urkunden-Frage endlich höhergerichtlich geklärt werde. Auf Falschbeurkundung im Amt hatte Staatsanwältin Karzel plädiert, obwohl sie einräumte, dass man sich rechtlich an der aufgeworfenen Frage reiben könne. Die Einschätzung, ob die Plakette eine Urkunde sei, sei strittig. Dass der Kfz-Prüfer ein Amtsträger ist, sei dagegen eindeutig. Auch den Vorsatz sah Karzel als gegeben. Sie forderte als Strafe 90 Tagessätze zu je 50 Euro. Der Verteidiger, Rechtsanwalt Peter Bock meinte, dass wenn der Gesetzgeber die Plakette in Verbindung mit dem Kennzeichen zu einer Urkunde hätte machen wollen, dann hätte er dies so formulieren können. Dass es in der Verhandlung Streit zwischen den Fachleuten über die Art der Dokumentation und Auslegung von Vorschriften bei Kfz-Prüfungen gegeben habe, zeige seiner Ansicht nach, dass kein Vorsatz vorgelegen habe. Er forderte Freispruch. Zur Erinnerung: Im Juni 2012 war einer Polizeistreife in einem Dürkheimer Gewerbegebiet der abgestellte Anhänger aufgefallen. Ein Polizist dokumentierte die zahlreichen Mängel und stellte die schon seit Monaten abgelaufene Sicherheitsprüfung (bei Nutzfahrzeugen zwischen den HU-Fristen vorgeschrieben) fest. Ende Juni wurde der Anhänger dann bei der Frankenthaler Prüfstelle vorgestellt, erhielt die HU- und Sicherheitsplakette mit dem Hinweis, dass einige Mängel zu beseitigen seien. Gravierende Mängel wurden nicht dokumentiert. Derselbe Polizist sah den Auflieger wenige Tage nach der Prüfung erneut in Bad Dürkheim, unter anderem mit Rissen und starken Rostschädigungen in tragenden Teilen, mit einem gequetschten Druckluftschlauch; eine Stützvorrichtung fehlte. Mängel, die er auch schon vor der Prüfung festgestellt hatte. Die waren auch nach Ansicht des Sachverständigen Jorge Huppertz so gravierend, dass der Prüfer keine der Plaketten hätte vergeben dürfen. Allerdings meinte Huppertz, dass bei den Korrosionsschäden wohl schon einige Prüfer zuvor nicht genau hingeschaut hätten. Unterschiedliche Auffassungen gab es zwischen dem Angeklagten und dem Sachverständigen, wo diese Mängel hätten im Prüfbericht auftauchen müssen. Differenzen und Rededuelle gab es zudem bei der Auslegung von Prüfvorschriften für die Bremsanlage. „Die Bilder sind beeindruckend“, meinte der Richter. „Das muss einem doch sofort ins Auge springen. Wenn das ich als Laie sehe und mit dem Kopf schüttle, dann hätten Sie als Prüfer doch ….“ Deutlicher als im Januar bei der Amtsgerichts-Verhandlung räumte der Angeklagte ein, schlampig geprüft zu haben. Sein Anwalt sprach von einer indiskutablen Prüfung. Es sei das letzte Fahrzeug an einem arbeitsreichen Samstag gewesen. Rund 4000 Prüfungen absolvierte der Angeklagte im Jahr laut Statistik. Eine Checkliste gebe es, diese zu nutzen sei aber nicht verpflichtend, so der Prüfer. Die Prüfung habe nur 15 Minuten gedauert. Laut Huppertz hätte sie mindestens 40 Minuten in Anspruch nehmen müssen. Für die fehlerhafte Prüfung erhielt der Prüfer bereits eine Ermahnung seines Dachverbandes. In seinem letzten Wort wies der Angeklagte den Vorwurf des Vorsatzes zurück: „Es gibt keinen einzigen Beweis, der gegen mich spricht. Falschbeurkundung weise ich entschieden zurück.“ (nt)

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