Frankenthal Mit Worten und Tinte gemalte Bilder

Es ist schon was Besonderes, wenn das gesprochene Wort auf die gezeichnete Linie trifft. Gebannt lauschte ein volles Haus am Donnerstag im Alten Weingut bei dem Programm „Auf Zebrastreifen nach Afrika“ den Worten von Jung-Lyrikerin Theresa Hahl und verfolgte die Zeichnungen von Mehrdad Zaeri, die er aus dem Moment heraus improvisierte.

Wort und Bild ergaben immer eine Einheit, die auch durch Klatschen nicht unterbrochen werden sollte, um den Moment nicht zu zerstören. So war schon der erste Text von der 1989 in Heidelberg geborenen, preisgekrönten Poetry-Slamerin eines der im Programmheft versprochenen Kleinode aus dem Bereich der Bühnenpoesie: „Ein kleiner Mensch“ beschreibt die Ohnmacht eines Menschen, der sich klein fühlt, am Abgrund steht und lange nicht weiß, was er tun soll, weil ihm „das Wasser schon in den Schuhen steht“. Hahl malt Bilder in den Köpfen der Zuhörer mit Wortkonstruktionen, die wie selbstverständlich wirken und doch so prägnant und tiefgründig sind. „Kleine Menschen müssen große Dinge schaffen“ ist das Fazit, das Mehrdad Zaeri dann in seine Zeichnung mit aufnimmt, die sich ganz ruhig und bedächtig vom ersten Strich, der das Weiß des Blattes zerteilt, entwickelt: vom Boot, in dem ein kleiner Mensch sitzt bis hin zum gleichen Menschen auf einem riesigen Elefanten. Dazwischen hat der 44-Jährige im Iran geborene Zeichner aus dem vermeintlichen Boot einen Teller, aus dem Flaggenmast ein Glas erwachsen lassen; der kleine Mensch fühlt sich umringt von übergroßen Tischgästen, die aber weggefaltet werden und nur das Gesicht des kleinen Menschen freilassen, von dem aus die innere Größe erwächst. Immer wieder hält das Publikum die Luft an bei den überraschenden Schöpfungen. Hahl wechselt Texte und Poetry-Slam-Beiträge ab, trifft beispielsweise „Drei Philosophen in vier Strophen“. Der erste ist in völlig ruhiger Landschaft angesiedelt, der „Gedankensprung aus seinen Schläfen“ mag genauso zum Nachdenken anregen wie der des Gegenstromläufers in der hektisch wogenden Menschenwelle oder des Halbkreisingenieurs, der „mit dem Besen bewappnet ... die Zeit vor sich herschob“. Inspiriert davon führt der Stift von Mehrdad Zaeri die Zuschauer in die Irre, indem er erst ein Haus malt, aus dessen Dach, das über den Blattrand hinaus wächst, plötzlich die Kufen eines Schaukelpferds entstehen, dessen Reiter wiederum ins nächste Blatt ragt und zur Uhr wird. Dann hält er ein wenig inne, denkt – und rollt das Blatt zu einem kleinen Paket, auf dem das Wort „Zeit“ steht. Es wird weiterverwendet, das ist schon mal sicher, denn jetzt erwartet die gespannten Zuhörer ein weiteres Bonbon von Theresa Hahl: „Mein Herz“. „Mein Herz ist eine Hure und bringt mich in Verlegenheit, bei jeder sich ergebenden Gelegenheit“ beschreibt sie die verzwickte Tatsache, empathisch veranlagt zu sein, wobei „ihre Herzklappenhallen nicht dichtungsaktiv sind“ und „immer ein bisschen Gefühl durchs Rippengemühl“ spülen. Ganz aktuell wird sie mit ihren Gedanken am Ende des Textes: „Der Gegensatz von Liebe ist nicht Wut, der von Angst auch nicht Mut... denn die Verneinung aller Dinge ist Gleichgültigkeit.“ Zaeri baut dazu ein Auto aufs Papier, dessen Fahrerin mit iranischen Gesichtszügen einen Anhänger voller Männer mit buschigen Bärten hinter sich zieht – aus dem „Zeit“-Knäuel wird wieder ein Gesicht. Auffallend ist, dass der Künstler nicht auf das Papier beim Setzen der Linien schaut, sondern auf die auf Leinwand projizierte Zeichnung. Haus, Mensch und Katze sind immer wiederkehrende Elemente. Neben der Sprache arbeitet Hahl mit kleinen Gesten, sie spielt ihre eigenen Texte, unterstreicht und verfestigt so die gesagten Worte. Am Ende darf man in einer interaktiven „Rausschmeißer-Aktion“ mit Schlüsselbunden, „deren Zacken die Hütedrachen“ jeder Tür seien, selbst mit agieren. Der Kopf ist erfüllt von den Worten und Bildern. Es war anstrengend und anregend, jedes davon behalten zu wollen.

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