Frankenthal Der Gitarren-Doktor

Gebrochener Hals, zertrümmerter Korpus, Riss in der Decke – so schnell kann den Frankenthaler Gitarrenbauer Andreas Lang kaum etwas schocken. „Es gibt nichts, was man nicht reparieren kann“, sagt der 57-Jährige. Das dürfte einer der Gründe sein, warum Profis wie Hobbymusiker in die kleine Werkstatt in der Kanalstraße pilgern.

Kein großes Schild, keine Schaufenster. Wer zu Andreas Lang will, weiß, wo er hin muss. Irgendwo in dem verschachtelten 60-er-Jahre-Wohnhaus hat der gebürtige Odenwälder seit gut zehn Jahren in zwei schmalen Räumen als Untermieter des Musikhauses Musicant seine Werkstatt. Im Eingangsbereich stapeln sich Gitarrenkoffer, aufgereiht an der Wand warten die Patienten auf ihre Reparatur, und hinter der Tür lehnen einige grobe Bretter, die irgendwann mal ein Instrument werden sollen. Kontrabässe zählen in den engen Räumen nicht zu Langs Arbeitsschwerpunkt. Auch wenn er natürlich von einer „Not-Operation“ an einem der Riesen unter den Streichinstrumenten berichten kann, die sicher nichts für Klaustrophobiker gewesen wäre. Meist sind es akustische und elektrische Gitarren oder E-Bässe, die Lang wieder richten soll.

Gitarrenbauer wollte der 57-Jährige, der seit 20 Jahren in Mannheim lebt und dort auch viele Jahre seine Werkstatt hatte, schon direkt nach der Schule werden. Weil er keine Lehrstelle fand, lernte er zunächst das Schreinerhandwerk. „Die technischen Grundlagen sind sowieso gleich“, erklärt Lang. So baute er Kisten und Koffer für den sicheren Transport von Instrumenten. Zu den Kunden der Schreinerei zählten auch Herbert Grönemeyer und Band, die sich in den 80er-Jahren für ihre Russlandtour ausrüsten ließen. Deren damaliger Gitarrist Gaggy Mrozek holte den jungen Handwerker in seinen Laden. „Er hat mir den Weg geebnet, um als Autodidakt Gitarren zu bauen“, sagt Lang. In den 90er Jahren schließlich absolvierte er im oberbayrischen Mittenwald, dem deutschen Geigenbauzentrum, die Prüfung zum Zupfinstrumentenbauer. Neben lokalen Größen wie Claus Boesser-Ferrari, Freddy Wonder oder Hans Reffert zählen auch Laith Al-Deen, Michael Koschorreck von den Söhnen Mannheims und Grönemeyers aktueller Gitarrist Stephan Zobeley zu Langs Stammkunden. Vor einer Tour stehe beispielsweise Zobeley, der inzwischen in Neuseeland lebt, oft einfach unangemeldet vor der Tür. Bei den Profis, die häufig Verträge mit Gitarrenfirmen haben, gehe es hauptsächlich um Reparaturen, die nach längeren Lagerzeiten anfallen. Angebote, als Gitarrentechniker mit auf Tour zu gehen, reizen den 57-Jährige inzwischen nicht mehr. Als Notarzt fährt er aber schon ab und zu an Auftrittsorte. „Oft geht es da nur um ein, zwei Handgriffe.“

Eigene Gitarren baut Lang nur auf Bestellung. Einzelstücke, abgestimmt auf Größe, Fingerlänge und Klangvorstellungen des Käufers, sind das. Bis zu ein Jahr muss man auf ein solches Unikat warten. Lang fehlt schlicht die Zeit, am Stück an einer Gitarre zu arbeiten. Für größere Sägearbeiten muss er zudem in eine andere Werkstatt im Odenwald oder Gitarrist Roman Nagel, der in der Schreinerfarm Frankenthal arbeitet, hilft ihm. Eine Anzahlung verlangt er nie, was am Ende nicht gefällt, muss nicht gekauft werden. Doch das kam nach Langs Erinnerung erst einmal vor – und dann standen schon drei Interessenten Schlange.

Dabei hat der Mannheimer nach eigener Aussage die Gitarre weder neu erfunden noch revolutioniert. Trotzdem überzeugt die Art, wie er Gitarren baut. Seine E-Gitarren sind nicht massiv, sondern Halbresonanzinstrumente. Durch ihre Tonkammern im Inneren sind sie auch ohne Verstärkung lauter und leichter zu handhaben. „Ich höre meist heraus, wenn einer meine Gitarre spielt“, sagt Lang – um gleich zu relativieren: „Wahrscheinlich ist da auch viel Voodoo dabei.“

Zufrieden ist der Gitarrenbauer nach Abschluss seiner Arbeit selten. „Ich habe wohl so ein Perfektionisten-Gen.“ Selbst Reparaturen lässt er erst einmal ein, zwei Tage hängen, um sie dann noch einmal zu prüfen. Doch mit dem Abstand einiger Jahre findet dann selbst er meist, dass seine Instrumente „ganz gut“ klingen. Den ersten Ton auf einer neuen Gitarre zu hören, das sei wie Weihnachten. „Im Bau steckt viel Emotion“, bekennt Lang. Selbst hat er etwa zehn Gitarren zu Hause, wobei er allerdings, wenn überhaupt mal abends zur Entspannung, meist auf zwei davon spiele.

Weil eine Reparatur sich manchmal schlicht für den Kunden nicht lohnt, hat der Gitarrenbauer über die Jahre eine kleine Sammlung an Dachbodenfunden angelegt, seine „geriatrische Abteilung“, wie er liebevoll sagt. Was genau damit passieren soll, weiß er nicht. Vielleicht nimmt er sie ja irgendwann mal selbst mit ins Altersheim. Schließlich gibt es nichts, was man nicht reparieren kann.

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