Frankenthal „Das Zusammenspiel muss sich finden“

Seit 2010 Pfarrer in Frankenthal: Stefan Mühl.
Seit 2010 Pfarrer in Frankenthal: Stefan Mühl.

Stefan Mühl ist Leitender Pfarrer und damit sowohl Vorsitzender im Verwaltungsrat der Pfarrei Heilige Dreifaltigkeit als auch Mitglied im Pastoralteam der Frankenthaler Pfarrei, die zum ersten Advent drei Jahre alt wird. Im Interview zieht er Bilanz über diese Zeit und berichtet über die Aufgaben, vor denen die sechs katholischen Gemeinden Frankenthals stehen.

Drei Jahre Pfarrei Heilige Dreifaltigkeit mit einem Pastoralteam von drei Priestern – stimmt diese Rechnung?

Nein, im Pastoralteam passt die Zahl drei nicht. Wir sind im Team vier Seelsorger. Was stimmt: Darunter sind drei Priester – Pfarrer Klaus Meister, Pater Chris Keke und ich. Doch die Gemeindereferentin Annette Kabanow gehört ebenso dazu. Wo steht die Pfarrei nach drei Jahren inhaltlich? Das Zusammenspiel einer großen Pfarrei mit Gemeinden wie Sankt Ludwig mit 7000 Mitgliedern und Studernheim mit 700 Mitgliedern ist das Spannende, und das muss sich finden, dafür braucht man Zeit. Wir sind jetzt auf dem Weg, ein pastorales Konzept für die neue Pfarrei aufzustellen. Dazu gab es mehrere Klausurtagungen des Pfarreirates und der Gemeindeausschüsse. Ist das Konzept fertig? Es ist in Arbeit und wird hoffentlich im Laufe des nächsten Jahres stehen. Zunächst wurde analysiert, wer in den sechs Gemeinden lebt – also soziologische und demografische Daten. Es gab eine Reihe von Umfragen unter den Gemeindemitgliedern, um zu hören, was den Leuten wichtig ist. Dafür haben wir uns viel Zeit genommen. Jetzt gehen wir in die heiße Phase – wir sind dabei, konkrete Ziele aufzustellen. Kristallisieren sich schon Ziele heraus? Das kann man jetzt noch nicht sagen. Was klar ist: Wir werden Schwerpunkte festlegen. Zum Beispiel, wie wir Erwachsene, die nicht zur Kerngemeinde gehören, für den Glauben interessieren. Was bedeutet, dass auch Dinge wegfallen, um Ressourcen freizubekommen. Auf Dauer werden wir sicherlich nicht mehr flächendeckend in allen Gemeinden Gottesdienste anbieten können. Einen Plan, was wann gestrichen wird, haben wir noch nicht. Stichwort Gottesdienste: Die älteren Mitglieder der Pfarrei bedauern, dass es nicht mehr ein- und derselbe Pfarrer ist, der die Messen hält. Die seelsorgerische Betreuung einer Gemeinde durch einen Geistlichen fehle in einer Pfarrei mit über 13.000 Seelen … Das Verhältnis ein Pfarrer pro Gemeinde, das gibt es schon lange nicht mehr. Sankt Paul war eine der ersten Pfarreien, die sich schon in den 1970ern einen Pfarrer teilen musste – mit Sankt Cyriakus. Man darf nicht etwas idealisieren, was es schon längst nicht mehr gibt. Zu den Gottesdiensten mit wechselndem Pfarrer: Das kann bedauerlich sein. Das kann aber auch eine Chance sein, denn Abwechslung bereichert das Leben. Aber hat ein Pfarrer mit einer Gemeinde nicht eine bessere Möglichkeit, seine Schäfchen zu kennen? Auch das ist ein idealisiertes Bild. Nehmen wir Sankt Ludwig mit 7000 Mitgliedern. Ich glaube nicht, dass jemals ein Pfarrer hier alle seine Gemeindemitglieder gekannt hat. Welche Synergien sind durch die neue Pfarrei entstanden? Etwa, dass es bei der Vorbereitung zu Erstkommunion und Firmung ein gemeinsames Konzept gibt und sich die Mitarbeiter gemeinsam dafür treffen. Außerdem gibt es ein Pfarrbüro, in dem alle Belange der Pfarrei zentral gebündelt werden. In den Gemeinden gibt es weiterhin die Kontaktstellen, die in der Regel einmal in der Woche geöffnet sind. Ist es in einer Pfarrei mit sechs Gemeinden schon mal passiert, dass Sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren? (lacht) Nein, noch nie. Dafür hat man ja einen Kalender! Wenn Gemeinden zu einer Pfarrei zusammengelegt werden, wachsen dann auch die Aufgaben, die von den Mitgliedern ehrenamtlich geleistet werden müssen. Gibt es dieses Potenzial? Wir haben rund 500 Ehrenamtliche in den Gremien, Chören, Lektorendiensten, Besuchsdiensten und so weiter plus etwa 120 Messdiener. Die Zahl ist recht konstant. Aber hier gibt es einen Wandel. Die Leute werden immer älter, und man engagiert sich lieber für ein Projekt, als sich langfristig an ein Amt zu binden. Wir müssen schauen, wie wir die Ehrenamtlichen nach ihren Stärken und mehr projektbezogen einsetzen. Hier sind wir sicher noch am Anfang. Die Zusammenlegung von Gemeinden zu Großpfarreien gibt es in der katholischen Kirche bundesweit. In Saarbrücken soll sogar eine XXL-Pfarrei mit 100.000 Gläubigen entstehen. Warum müssen Gemeinden fusionieren? Dafür gibt es mehrere Hauptgründe: sinkende Mitgliedszahlen, bedingt durch Kirchenaustritte und den demografischen Wandel, dass mehr Leute wegsterben. Auch dadurch, dass es für Katholiken nicht mehr selbstverständlich ist, ihre Kinder taufen zu lassen. Weniger Mitglieder, das bedeutet sinkende Einnahmen durch die Kirchensteuer. Und es entscheiden sich weniger Menschen für pastorale Berufe wie Priester, Pastoral- oder Gemeindereferenten. Laut der Studie der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung „Trust in Professions 2018“ haben die Pfarrer einen Imageverlust. Im Ranking der vertrauenswürdigsten Berufsgruppen steht der Pfarrberuf auf Platz 21, hinter Handwerkern und Taxifahrern. Zwei Jahre zuvor stand der Beruf noch auf Platz 19. Ein Vertrauensverlust, für den der sexuelle Missbrauch Minderjähriger durch Priester und Ordensleute maßgeblich verantwortlich ist ... Das muss man ganz klar sagen: Durch den Missbrauchsskandal ist ganz viel Vertrauen verspielt worden. Es ist wirklich ein Skandal, wie junge Menschen, die einem anvertraut wurden, misshandelt und missbraucht wurden. Wird geht Ihre Pfarrei damit um? Der Missbrauchsskandal ist Gesprächsthema in den Gemeinden, ich habe ihn in Gottesdiensten thematisiert. Am 18. November gab es einen von der Kirche ausgerufenen Gedenktag für die Opfer sexuellen Missbrauchs. In einem Fürbitt-Gebet wurde in den Gottesdiensten der Opfer gedacht. Eine spezielle Veranstaltung dazu haben wir noch nicht gemacht. Was könnte das Image des Pfarrberufs verbessern? Es muss mehr Zeit für die Menschen da sein, für die Seelsorge. Was ich ärgerlich finde: Im Moment bleibt sehr viel an Verwaltung am Pfarrer hängen. Es gibt die Regionalverwaltung in Ludwigshafen, die für 13 Pfarreien zuständig ist. Da muss noch mehr Arbeit hin verlagert werden. Wichtig ist, dass man den Leuten im Pfarrberuf ansieht, dass er ihnen Freude macht, dass da eine Ausstrahlung ist – und eben mehr Zeit für Begegnungsmöglichkeiten. Was ist für Sie das Schöne an Ihrem Beruf? Mit Menschen verschiedener Altersgruppen zusammenzukommen, viel Persönliches, viel Vertrauen zu erfahren. | Interview: Klaudia Toussaint

Das Arbeitsgebiet für Pfarrer Mühl ist im Laufe der Jahre zusehends größer geworden. Diese Szene zeigt ihn bei der Fronleichnams
Das Arbeitsgebiet für Pfarrer Mühl ist im Laufe der Jahre zusehends größer geworden. Diese Szene zeigt ihn bei der Fronleichnamsfeier auf dem Rathausplatz.
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