Donnersbergkreis Einsam und immer unterwegs...

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WEIERHOF. Premiere hatte am Samstag das Country-Musical „Mein Leben als Mann und Cowboy“ im vollbesetzten Blauen Haus. Autor und Hauptdarsteller als Herbert Hattenröders, genannt Hotti, war Jürgen Mangold. Nach unstetem Leben, verlorener Liebe und etlichen Klassiker-Songs von Hank Williams über Johnny Cash bis zu Bob Dylan resümiert er: „Altwerden ist das Überraschendste, was einem passieren kann.“

Die hauseigene Band – zum ersten Mal formiert – spielt auf, was das Zeug hält: Reinhold Krämer (Keyboard, Gesang), Ulrich Birk (Gitarren), Ralf Hoppe (Bass), Genadi Sidel (Percussion, Saxophon) sowie Valery Rüb als herausragender Pianist und Akkordeonist. Hottis Pferd Blacky ist ein Drahtesel, genauer gesagt ein schwer beladenes Trekking-Rad. Abgekämpft und siegreich schiebt es der Ausdauersportler die letzten Meter nach Hause. Eine schwierige Tour liegt hinter ihm, die Spurensuche nach seinem Großvater, Soldat des Lothringischen Infanterieregiments im 1. Weltkrieg. Von Flandern über Maastricht, Köln, Rockenhausen – 653 Kilometer schaffte er in acht Tagen und vier Stunden. Ein E-Bike? Kommt für den echten Cowboy nicht in Frage: Lieber vom Rad direkt auf den Rollator. Aus dem Gepäck zieht er Paprika, Chorizo, Zwiebeln – Zutaten für eine gepfefferte „Jambalaya“. Die Musiker fangen sie als Stichwort für den ersten Hit auf. Das Eintopf-Rezept steht im aufwendig aufgemachten Programmheft, das zum Verständnis von Texten und Handlung beiträgt. Und schon bereiten Hottis Boyfriends, dem Outfit nach ebenfalls verhinderte Cowboys, dem „XXL-Radler“ den gebührenden Empfang mit einem ordentlichen Schluck Whisky: Dieter alias Doc, Rolf Rinnert, als Käpt’n mit Sheriffstern Bernhard Lenhard, und in der Rolle des „Balu“ Hans Reinhardt. Müde sinkt der Titelheld in den Sessel und blättert in der Bibel nach der Tageslosung, eine Auferstehungsverheißung im Buch Hesekiel. Die findet prompt zum Spiritual „Dry bones“ ihre szenische Umsetzung durch vier geisterbahnverdächtige Skelette (Monika Birk, Larissa Herzog, Clarin Exner, Janine Werner). Halloween und amerikanische Bibelfrömmigkeit verschmelzen. Später, beim donnerstäglichen Skat-Ritual in der Bar und tiefschürfendem Gedankenaustausch über Frauen und deren Qualitäten kommen „Sprüche Salomos“ zu Wort, sie beschwören nun mal das Idealbild der ehelichen Gefährtin. („Eine Frau, die man liebt, gehört zum Leben dazu,“ „die Frauen machen aus uns Männern Menschen... wissen, was uns kleidet“, argumentieren die Freunde.) Vagabund Hotti, ruhelos vom „wayward wind“ (markanter Song!) verweht, hat seine große Liebe zu Lucy Jordan vor vielen Jahren verspielt – zu oft war er weg. Da zog sie einen anderen samt Kindern und Reihenhaus vor, um unglücklich zu werden. Lucy Jordan, die verwandte Seele, war auch so eine Träumerin. Ihr Bild taucht mit Ruth Leyendecker auf. Sie singt eindringlich schön, und sie bläst außerdem anmutig die Querflöte. Szenenwechsel: Auf einer Leinwand läuft ein Schwarzweiß-Western mit rauchenden Colts. Es ist schrecklich, auf einen Menschen schießen zu müssen, und sei ’s in Notwehr. Der Bösewicht fällt im Duell, die angebetete Dame wird vom Helden gerettet. Happyend. „High noon“ im Ensemble. In der Bar/ Saloon fließt der Whisky in Strömen, Barfrau Rose (Stefanie Schröder) schenkt eifrig nach. Im Handumdrehen ist die bürgerliche Wohnwand zur Theke umgewandelt. Der Käpt’n sucht im „Wochenblatt“ nach Kontaktanzeigen für den Einzelgänger. Die Stimmung steigt, das Premierenpublikum geht dankbar mit. „Home on the range“ dringt ins Gemüt, und mit ein Höhepunkt wird der „Tom Trauberts Blues“ – Mangold röhrt ihn mit rauchiger, sich einkratzender Stimme im Duett mit dem Saxophon. Teil II führt in die krasse Realität eines Callcenters. Dessen Angestellte beraten per Laptop in so vielfältigen Fragen wie „technische Pannen“, oder sie erteilen Ratschläge zu „Frau und Welt“. Hotti gehörte der Firma zwölf Jahre lang als vorbildlicher Mitarbeiter an und wird jetzt in den wohlverdienten Ruhestand geschickt. Er verabschiedet sich auf Deutsch mit dem „Malocher-Blues“. Der Rest ist Party und Stimmungsmusik, oder besser: „Hootenanny“ mit diversen Rhythmusinstrumenten wie Waschbrett (Leyendecker), Teekistenbass (Reinhard) – und Hotti greift zum Banjo, Thema: „Karneval in Laramie“. Die Bühne bebt unter dem singenden und tanzenden/twistenden Ensemble. Echte Country-Kracher sind darunter, „Oh, lonesome me“, „Does your chewing gum lose“, der Schmusesong „Good night, Irene“, zwischendurch eine auffallend muntere Version Gerlinde Schmitts von „Over the rainbow“. Ein Potpourri mit einiger Ironie, die Handlung nicht ohne Zuordnungsprobleme. Zuletzt denkt Hotti über die Frage Alten- oder Altersheim nach – das Etikett „Seniorenresidenz“ macht es auch nicht viel besser. Sein optimistisches Schlusswort: „Das Leben geht weiter – lass es uns erfahren!“ Frenetischer, nicht enden wollender Beifall für alle Mitwirkenden und Regisseurin Seidel-Zimmermann wird mit einem Nachschlag „Jambalaya“, dem Eingangshit, beantwortet. Mangold schleppt einen dampfenden Kessel zur anschließenden Feier auf die Bühne. Weitere Termine: 12. März, 16. April, 2. Juli im Blauen Haus.

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